12:01 PM

 
  • Original-Titel: 12:01 PM
  •  
  • Regie: Jonathan Heap
  • Land: USA
  • Jahr: 1990
  • Darsteller:

    Kurtwood Smith (Myron Castleman), Laura Harrington (Dolores), Don Amendolia (Prof. Nathan Rosenbluth), Jane Alden (Stephanie), Rick Ford, Robert M. Taub, Mark Neely, John Bachelder, Philip Morton, Tom Reed, Ric Stoneback


Vorwort

Mittagszeit – wie so viele Arbeitnehmer verbringt auch Myron Castleman, frustrierter Aktenschubser in einem dead-end-Job, seine Mittagspause im Park. Es kostet ihn viel Überwindung, Dolores, eine ihm unbekannte junge Frau, die ihre Pause damit vertrödelt, Zeichnungen anzufertigen, anzusprechen – und ihr, nach einem angenehmen Gespräch, zu verraten, warum er noch unglücklicher ist als man in einem öden Bürojob ohnehin schon ist – er erlebt ständig die gleiche Stunde, von 12.01 Uhr bis 13.00 Uhr, danach springt das komplette Universum wieder eine Stunde zurück und nur Myron kann sich an den Zeitsprung erinnern. Da Myron seine gewagte Aussage durchaus belegen kann, indem er einige zufällige Ereignisse im Park vorhersagt, schenkt Dolores ihm Glauben, nur allein es hilft nichts… um 13.00 Uhr resettet das Universum einmal mehr.
Verzweifelt versucht Myron den Kreislauf zu durchbrechen, ohne Erfolg, bis er zufällig eine Zeitung aufschlägt und dort liest, dass Nobelpreisträger Professor Rosenbluth die Zeitschleife vorhergesagt hat. Es gelingt ihm tatsächlich, den Professor zu kontaktieren und davon zu überzeugen, dass der Zeitsprung bereits stattgefunden hat. Doch kann Rosenbluth Myron dabei helfen, aus der Schleife auszubrechen?


Inhalt

Wem der Plot dieses Films bekannt vorkommt, der hat offensichtlich die letzten 20 Jahre nicht unter einem Stein verbracht und entweder 12:01 oder „Und täglich grüßt das Murmeltier“ gesehen (im Idealfall beide). „12:01 PM“, vom Kabelsender Showtime im Rahmen einer Kurzfilm-Anthologie-Serie ausgestrahlt und 1991 für den Oscar nominiert (er verlor gegen den „Kunstfilm“ „The Lunch Date“), war allerdings die erste Adaption der gleichnamigen Kurzgeschichte des SF- und Mysteryautors Richard A. Lupoff (der sowohl diesen Film als auch die Jack-Sholder-Fassung von 1993 autorisierte und in beiden Versionen Statistenparts übernahm). Das „Murmeltier“ bediente sich sehr freimütig bei der Kurzgeschichte – und speziell der Kurzfilmadaption -, ohne dass man es studioseits für nötig hielt, hierauf in Form einer ordentlichen Kreditierung hinzuweisen – Lupoff und Jonathan Heap, der hiesige Regisseur, waren verständlicherweise ungehalten und willig, Columbia Pictures zu verklagen, allerdings fehlten dem zwar anerkannten, aber nicht gerade bestsellernden Autoren und dem kleinen Indie-Film-Regisseur die finanziellen Ressourcen, um effektiv gegen Columbia und deren Anwalts-Armee vorzugehen und gaben das Unterfangen – entgegen einer im Netz immer wieder kolportierten Legende, wonach es Lupoff und Heap tatsächlich gelungen wäre, Columbia mehrere Millionen Dollar abzuknöpfen – nach einigen Monaten auf.

„12:01 PM“ blieb daher weithin unbekannt, was schade ist, da es sich mit großem Abstand um die beste Version der Geschichte handelt – ich will keineswegs behaupten, dass die anderen beiden Adaptionen (sofern man das „Murmeltier“ jetzt einfach mal als un-offizielle Adapation zählt) schlecht sind, ganz im Gegenteil… Harold Ramis‘ Komödie mit ihrer Mischung aus Slapstick und melancholischen Elementen macht, so wie es sich für einen Film mit dieser Thematik gehört, auch beim 20. Ansehen noch Spaß, und Sholders SF-Comedy-Ansatz erwies sich auch als Garant für gute Unterhaltung, aber weder Ramis noch Sholder gelang es, die eigentliche *Dramatik* des Stoffes, den Horror des Themas, so radikal umzusetzen wie Jonathan Heap (der nach einigen Independent-Filmen mittlerweile so tief gesunken ist, dass er Reality-Abenteuer-Shows inszenieren muss) und sein Co-Autor Stephen Tolkin (der zuvor unkreditiert an Masters of the Universe geschraubt hatte und in der Folge Albert Pyuns „Captain America“ und einige Dean-Koontz-TV-Adaptionen schreiben sowie beim Stephen-King-Totalflop „Golden Years“ auf dem Regiestuhl Platz nehmen durfte).

Selbstverständlich haben Heap und Tolkin den Vorteil, dass sie die Kurzgeschichte nicht krampfhaft zu einem abendfüllenden Spielfilm aufblasen müssen, keine Nebenkriegsschauplätze eröffnen müssen und sich ganz auf den Kern der Story konzentrieren können. Dabei bedienen sie sich eines unkonventionellen Ansatzes, wir erleben die Geschichte nicht „von Anfang an“ mit – wenn wir in den Film geworfen werden, befindet sich Myron (nach eigener Aussage) bereits irgendwo zwischen dem 30. und 40. Durchlauf der Ereignisse, hat also längst realisiert, was mit ihm bzw. dem Universum an sich los ist und ist demzufolge schon verzweifelt genug, um ganz gegen seine zurückhaltende, „feige“ Art ein Gespräch mit Dolores anzufangen; und von seinen 25 Minuten Laufzeit nutzt „12:01 PM“ tatsächlich ganze zehn für diese Dialogsequenz, die davon lebt, dass Myron und Dolores eigentlich von unterschiedlichen Dingen reden. Während Myron versucht, seine Lage normalsterblichen-kompatibel zu umschreiben, versteht Dolores dies erst einmal als resignierte Aufarbeitung seines ohne Aussicht auf Besserung langweiligen und deprimierenden Job in einer Großfirma; diese Parallele zwischen einer öden, sinnentleerten Alltagsexistenz, in der ein Tag gleichförmig wie der andere ist, und der Zeitschleife machten die beiden anderen Versionen des Themas nicht so deutlich, so greifbar, so glaubhaft, ohne dass Heap und Tolkin uns fünf- oder zehnmal durch das gleiche Szenario führen müssen. Nachdem in dieser einzigen, langen, ruhigen Szene etabliert ist, wie verzweifelt Myron bereits *ist*, lassen die Autoren seinen „Kampfgeist“ erwachen; die Montage, in der Myron versucht, irgendein Rezept zu finden, aus der Endlosschleife auszubrechen, dürfte dann auch die Sequenz sein, die dem verdienten Zuschauer, der auch das „Murmeltier“ kennt, sehr bekannt sein dürfte; wie Bill Murray dort versucht es Myron hier, mit Agression, Gleichgültigkeit und Hilfsbereitschaft, ohne Erfolg, ehe er die entscheidende Entdeckung, den Zeitungsartikel, macht und nunmehr versucht, mit dem Physiker Verbindung aufzunehmen. Das Zusammenstauchen der Zeitschleife auf 59 Minuten (soweit ich das beurteile, analog zur Original-Kurzgeschichte) verleiht dem Plot natürlich merklich mehr Druck; das Zeitlimit ist für den Protagonisten nahezu unauflösbar knapp – Heap und Tolkin gestalten das effektiv: wenn Stephanie, die „Sammelsekretärin“ Myrons Arbeitsgruppe, enervierend langsam telefoniert (selbst anrufen fällt für Myron aus, da er sich ausgerechnet hat, nur in der „Tarnung“ eines Firmen-Oberhonchos überhaupt zum Professor durchzudringen, und ein solcher telefoniert nun mal nicht selbst) und die wertvollen Sekunden quälend verrinnen, möchte man ihr am liebsten persönlich den Kragen umdrehen (oder sie zumindest ordentlich zur Sau machen).

HERE MAY BE EXTREME SPOILERS
Die pseudowissenschaftliche Erklärung für die Zeitschleife (ein Zusammenstoß unseres Universums mit einem Antimaterie-Universum) ist natürlich Banane und im Grunde vollkommen nebensächlich, aber andererseits natürlich auch ein passabler Aufhänger für die triste Hoffnungslosigkeit, in die „12:01 PM“ seinen Protagonisten schleudert. Auch nachdem es ihm gelungen ist, den Professor zu erreichen und – aufgrund der in den letzten Durchläufen ergatterten Informationen – davon überzeugt hat, kein komplett Wahnsinniger zu sein, gibt es keine Lösung (und zwar GAR keine). Myron ist dazu verurteilt, die gleiche Stunde bis in alle Ewigkeit zu durchleben, ohne Hoffnung auf einen Ausweg, eine Erlösung, ein Ende seines Martyriums. Happy-End-Fetischisten brauchen also gar nicht erst einzuschalten… deprimierend, aber folgerichtig, wenn man die Schleife auf einen „externen“ Umstand zurückführt, etwas, was niemand, und Myron schon gar nicht, ändern oder beeinflussen kann (was, im metaphorischen Sinn, natürlich auch wieder auf das reale Leben zurückgerechnet werden und damit manchen Werktätigen, der tagein, tagaus die gleichen Akten schubst oder die immer gleiche Schraube in ein Stück Blech dreht, in den Selbstmord treiben kann).
SPOILERENDE

Filmisch erzielt Heap, der die 1993er-Version produzierte, mit minimalem Aufwand maximalen Ertrag. Wohl wissend, sich keine Spezialeffekte leisten zu können (der Zeitsprung selbst wird mittels einer Art „Quantum Leap“-Blende, gefolgt von einem Kaleidoskop-Warp-Bildschirmschoner-Effekt symbolisiert), verlässt sich der Regisseur voll und ganz auf seinen Hauptdarsteller (dazu gleich noch mehr). Nach der dialoglastigen Auftaktphase zieht das Tempo des Films, den raschen Zeitsprüngen sei dank, enorm an, entwickelt sich geradezu mörderische Spannung; ich lehne mich sicher nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass „12:01 PM“ in einer Genre-Anthologieserie wie „Twilight Zone“ oder „Outer Limits“ das Zeug zu einer Killer-Episode, über die Fans heute noch sprechen würden, gehabt hätte. Heap braucht keine FX oder wahnwitzige Production Values, er hat eine clevere Story und einen famosen Star. Er selbst ist solider Handwerker genug, um die technische Schwächen weitgehend zu vermeiden (einmal hängt eine Mikro-Angel kurz im Bild und ein Auto-Stunt – Myron wird von einem Wagen angefahren – überzeugt nicht wirklich). Die Kamera bediente Charlie Lieberman, der mittlerweile für TV-Serien wie „Joan of Arcadia“ oder „Heroes“ arbeitet, auf größtenteils zweckdienliche Art und Weise, ein-zwei Einstellungen bezeugen aber Talent.

Ein Film wie „12:01 PM“ lebt freilich, wie schon gesagt, überwiegend von seinem Hauptdarsteller und Kurtwood Smith, der Mann mit der vermutlich höchsten Stirn Hollywoods, den wir hauptsächlich als exaltierten Superganoven Boddicker aus „RoboCop“ kennen (und zuletzt hier im schundigen The Delos Adventure gesichtet haben), liefert eine par-force-Vorstellung ab, der alle Facetten der Figur, von stummer Resignation, Verzweiflung, wütender Agression bis zarter Hoffnung perfekt verkörpert und es wirklich schafft, Mitgefühl für den gepeinigten Charakter zu erzeugen. Eine schlichtweg brillante Vorstellung! An seiner Seite agieren routinierte Leute wie Laura Harrington (Rhea M. – Es begann ohne Warnung, „Im Auftrag des Teufels“) als sympathische Dolores, Don Amendolia („Twin Peaks“, „Ed Wood“) als Professor und Jane Alden („Polizeirevier Hill Street“, „City Slickers“, „Ein amerikanischer Quilt“) als irritierende Sekretärin Stephanie.

Bildqualität: Jetzt stellt Ihr Euch hoffentlich die Frage, wie Ihr auf legale Weise an diesen Kurzfilm herankommt, und ich bin beglückt, Euch insoweit weiterhelfen zu können. „12:01 PM“ ist weltweit, nach meiner Kenntnis, nur auf einer britischen DVD erhältlich. Das Label ILC hat sich zur Aufgabe gestellt, im Rahmen einer sogenannten „Cinema Collection“ Oscar-nominierte und -ausgezeichnete Kurzfilme einer breiteren Öffenlichkeit zugänglich zu machen. Die Collection kann man sich als Gesamtausgabe (so um 8 DVDs rum) zulegen, aber auch als Einzelscheiben – die mit „12:01 PM“ drauf ist erfreulicherweise auch über amazon.de („Vol. 5“) für verhältnismäßig kleines Geld (10 Euro) zu ordern und beinhaltet neben diesem noch sieben andere Filme, u.a. mit Stars wie Frank Gorshin, Anne Archer, Bridgette Bako und Hector Elizondo – von Komödie bis Action ist alles dabei (ich hab bislang allerdings noch keinen der anderen Shorts angetestet). „12:01 PM“ kommt in mittelprächtigem, aber ausreichendem Vollbild mit durchschnittlichen Schärfe- und Kontrastwerten, etwas grobkörnigem Bild, aber verschmutzungs- und störungsfrei. Schlägt auf jeden Fall eventuelle YouTube-Versionen… (nein, ich hab nicht nachgekuckt, ob jemand den Kram hochgeladen hat. Ich jedenfalls tu’s nicht).

Tonqualität: Der ausschließlich englische Dolby 2.0-Ton ist brauchbar. Kein Ausbund an Dynamik und insgesamt auf der etwas leisen Seite, aber beinahe rauschfrei und von akzeptabler Qualität im Dialogton.

Extras: Bei 200 Minuten Kurzfilmen auf 2 DVD-Seiten erwarten wir keine Extras.

Fazit: Ich war, seit ich ernstlich von diesem Film gehört hatte (und das so ziemlich, seit ich bei den Recherchen für „The Delos Adventure“ in Kurtwood Smiths Filmographie stöberte… also erst seit einer Woche ungefähr), sehr gespannt – ich mag, wie schon gesagt, sowohl das „Murmeltier“ als auch „12:01“, aber meiner bescheidenen Meinung nach bläst „12:01 PM“ in seiner knappen halben Stunde und seinem ernsthaften, dramatischen Ansatz die beiden anderen Versionen des Stoffs mühelos weg. Getragen von einer schlichtweg fantastischen darstellerischen Leistung von Kurtwood Smith zaubert Jonathan Heap, der hier selbstverständlich enorm vom Kurzfilm-Format profitiert, hier einen der besten Shorts, der sich mir jemals vorgestellt hat, auf die Mattscheibe – spannend, intelligent, bedrückend, begeisternd! Ich kann wirklich nur jedem Freund intelligenter und emotional anrührender SF (hach, was sollen Genre-Einschränkungen? Intelligenter und emotional anrührender Filme PUNKT) empfehlen, sich diesen Film dringlichst zuzulegen.


mm
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