12 Tangos – Adios, Buenos Aires

 
  • Deutscher Titel: 12 Tangos - Adios, Buenos Aires
  •  
  • Regie: Arne Birkenstock
  • Land: Deutschland
  • Jahr: 2005
  • Darsteller:

    Roberto Tonet, Marcela Maiola, Yolanda Zubieta, Mariana Zubieta, Fabiana Zubieta, Nestor Lopez, Rodrigo, Alfredo Carlino


Vorwort

Argentinien besteht nicht nur aus Fußball – der Tango, der wehmütig-verrucht-erotische Nationaltanz Argentiniens konnte, so postuliert es dieser Film, nur in Buenos Aires entstehen, einem kulturellen Schmelztiegel, der hunderttausende europäische Auswanderer aufnahm. Nach seinem Boom in den 30er Jahren in seinem Heimatland nicht gerade der Bedeutungslosigkeit anheim gefallen, aber doch in seiner Popularität gesunken, erlebt derzeit nicht nur in Europa, sondern auch in Argentinien selbst wieder einen Boom – nicht zufällig anscheinend, kanalisiert eine durch politische und wirtschaftliche Irrungen und Wirrungen desillusionierte Gesellschaft wieder ihre Depressionen auf musikalisch-tänzerische Weise. „12 Tangos“ befasst sich mit der heutigen Situation und verknüpft den politisch-wirtschaftlichen Niedergang Argentiniens und die daraus resultierende „Umkehrung“ des Auswandererstroms Richtung Europa mit der Entwicklung des Tangos anhand einiger Einzelschicksale.


Inhalt

„12 Tangos“ erfreut uns auf der Coverrückseite mit dem unvermeidlichen „Buena Vista Social Club“-Vergleich. Der liegt mal wieder voll neben der Spur, denn dem Dokumentarstreifen geht es nicht wirklich um die Musiker, die den Tango komponieren und spielen, sondern um die „sekundären“ Charaktere dieses Musikstils – exemplarisch die hoffnungsvolle junge Tänzerin Marcela, die hofft, durch ein Engagement in Europa der sozialen Sackgasse ihrer Heimat zu entfliehen, dem alten Tanzlehrer Roberto, der alle Höhen und Tiefen der Musik durchlitten hat oder, ganz un-musikalisch, Yolanda, Mutter einer Großfamilie, die aus schlichten monetären Erwägungen nach Spanien auswandern will, um mit der dort verdienten Kohle ihre Kinder zu unterstützen. In diesem Film stet also weniger die Musik als solche im Vordergrund (vom Narrative her gesprochen, und im Gegensatz zu dem in dieser Hinsicht von mir gern gescholtenen Wenders-Kuba-Hit hat „12 Tangos“ einen eindeutigen solchen; natürlich gibt’s im Film Tango satt, was ja schon der Titel aussagt), sondern eher um das Lebensgefühl, aus dem der Tango entsteht und, was dem Film über die blosse Dokumentation eines Musikstils hinaus Relevanz gibt, um die gesellschaftlichen Verwerfungen im krisengeschüttelten Argentinien. So beobachtet der Streifen, eingebettet in die Tango-Performances, hauptsächlich Marcela und Yolanda bei ihren Auswanderungsvorbereitungen und lässt in den zahlreichen anderweitigen Interview-Sequenzen Angehörige und Freunde zu Wort kommen.

Selbstverständlich kommt, wie schon gesagt, aber der Tango an sich auch nicht zu kurz – erfreulicherweise widmet sich der Film, angesichts seiner Prämisse, nicht nur dem „klassischen“ Herzschmerz-Tango, sondern auch dem modernen „underground“-Tango, der in Kellerclubs vor kleinem Publikum gespielt wird und dessen Protagonisten ihre wütend-zornigen Verse über Ungerechtigkeit, Korruption und allgemeine moralische Verderbtheit der herrschenden Klasse vortragen (hierzulande wären das Punks).
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Es liegt relativ nahe, dass eine gewisse Affinität zum Tango (oder zumindest Aufgeschlossenheit dahingehend) seitens des Zuschauers notwendig ist – mir, in der Hinsicht eher Banause, der seine Tango-Kenntnisse hauptsächlich dem sehenswert-verunglückten „Nackter Tango“ (mit Vincent D’Onofrio und Mathilda May) verdankt, ist das ehrlich gesagt musikalisch, obschon ich einen ziemlich weiten Horizont habe, zu eintönig. Wie viele „standardisierte“ Musikformen ist der Tango eher gleichförmig, was zumindest bei mir ziemlich schnell zu einem gewissen Ermüdungseffekt führt. Die Doku-Episoden sind zwar interessant, werden aber für meinen persönlichen Geschmack zu oft für Musik unterbrochen; gut, das ist logisch und beabsichtigt, alldieweil es sich nun mal um einen Tango-Film handelt, aber mir wäre in dem Fall eine „reinere“ Dokumentation lieber gewesen.

Fimisch gibt sich „12 Tangos“ eher spröde – was ebenfalls in der Natur der Sache liegt und niemanden verwundern sollte. Die Doku-Aufnahmen bewegen sich auf normalem TV-Reportagen-Niveau, die Performances sind für meine Begriffe zu emotionslos-bieder abgefilmt, um mitreißen zu können; das mag anders aussehen, wenn man zur Musik heftiger hingezogen ist als meinereiner.

Bildqualität: Da gibt’s wie üblich bei Sunfilm nichts zu meckern und zu kritteln – abgesehen von verschiedentlich verwendeter Archivfootage zur politischen Situation in Argentinien ist das Bild klar, störungs- und rauschfrei und kann in allen wesentlichen Teildisziplinen durchaus überzeugen, wobei es sich begreiflicherweise um „klassischen“ Low-Budget-Doku-Videolook handelt. Leider handelt es sich nur um einen Letterbox-4:3-Transfer.

Tonqualität: Sunfilm beschränkt sich auf den spanischsprachigen Originalton mit deutschen Untertiteln (wobei einzelne Narration-Passagen deutsch gesprochen werden) in Dolby Digital 5.1. Die Tonqualität ist ausgezeichnet.

Extras: Es finden sich an: Interviews mit dem Musiker Luis Borda und dem Regisseur Arne Birkenstock, zwei weitere Tangos (sozusagen deleted scenes), Trailer, Trailershow und in der „Soundtrack Edition“, wie’s der Name schon sagt, der Original-Soundtrack auf CD – schönes Goodie für Tango-Fans. Verpackungstechnisch erfreut uns Sunfilm einmal mehr mit einem hübschen Pappschuber ums Amaray.

Fazit: „12 Tangos“ ist, mehr noch als der auch von Sunfilm vertriebene Soul-Film „Only the Strong Survive“ ein Streifen für eine eingeschränkte Klientel; man braucht einfach starkes Interesse am Tango. Auch wenn dem Film von seinem Narrative her auch die gesellschaftlichen Implikationen im heutigen Argentinien wichtig sind, und die sind sicherlich hochinteressant, so ist der Tango an sich – für mich – nicht SO mitreißend wie der kubanische Son in „Buena Vista Social Club“, um mich über eineinhalb Stunden hinweg an den Bildschirm zu fesseln. Summa summarum: Randgruppenprogramm, aber diese Randgruppe selbst dürfte kaum etwas an „12 Tangos“ auszusetzen haben, zumal die DVD-Umsetzung von Sunfilm als sehr gelungen einzuschätzen ist.

2/5
(c) 2006 Dr. Acula


mm
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