10 Cloverfield Lane

 
  • Deutscher Titel: 10 Cloverfield Lane
  • Original-Titel: 10 Cloverfield Lane
  •  
  • Regie: Dan Trachtenberg
  • Land: USA
  • Jahr: 2016
  • Darsteller:

    John Goodman (Howard), Mary Elizabeth Winstead (Michelle), John Gallagher jr. (Emmett), Douglas M. Griffin (Driver), Suzanne Cryer (Woman), Bradley Cooper (Ben)


Vorwort

Nach einem heftigen Krach mit ihrem Freund Ben packt Michelle ihre Sachen, setzt sich ins Auto und fährt los – irgendwo in der Pampa allerdings baut sie einen spektakulären Unfall und landet kopfüber im Graben…

Als sie wieder zu sich kommt, liegt sie mit gebrochener Laufgräte und angekettet in einem kargen Kellerraum. Der Verdacht liegt nahe – ist sie in die Hände eines psychopathischen Entführers gefallen? Ihr Gastgeber, Howard, hat eine andere Story auf Lager. Es hat einen „Angriff“ gegeben, ob nuklear oder chemisch, ist er sich nicht sicher, aber zweifellos ist „draußen“ alles tot und verseucht und Michelle in seinem Bunker sicher. Ramblings of a mad man? Der zweite Logiergast im Bunker, Emmett, ist anderer Ansicht. Als Ex-Navy-Satelliten-Experte sollte Howard wissen, wovon er redet und Emmett, der den Bunker als Auftragshandwerker mitgebaut hat, hat den Angriff sogar *gesehen*.

Michelle bleibt skeptisch – erst der Anblick von Howards zwei verendeten Ferkeln im Vorgarten, die er ihr vorführt, und das Auftauchen einer Nachbarin, die mit entgleisten Gesichtszügen vor der Bunkertür verröchelt, überzeugen Michelle davon, dass an Howards Geschichte doch mehr dran ist als gedacht. Im Bunker beginnt sich eine Art Normalität einzustellen, bis Michelle zufällig herausfindet, dass das Mädchen auf den Fotos, das Howard stets als seine Tochter Megan identifiziert hat, ein definitiv nicht mit ihm verwandtes Mädchen ist, das vor einiger Zeit – vor dem Angriff – spurlos verschwand. Und dessen blutige Ohrringe Michelle findet. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Antwort auf die Frage „tatsächlicher Angriff von-wem-auch-immer oder in der Gewalt eines durchgeknallten Psychos?“ durchaus „why not both?“ lauten könnte…


Inhalt

JJ Abrams versprach ja nach seinem Überraschungserfolg mit dem Found-Footage-Knüller „Cloverfield“ (einem der zwei Found-Footage-Filme, die man gesehen haben sollte) weitere Geschichten aus dem Cloverfield-Universum- keine direkten Sequels, aber eben Storys, die in der gleichen Welt angesiedelt sind und – womöglich – unaufdringlich miteinander verwoben sein würden. Nun, es dauerte länger als gedacht, wohl hauptsächlich deswegen, weil Abrams in der Zwischenzeit zu Hollywoods go-to-guy für practically everything geworden ist, aber nun ist „10 Cloverfield Lane“ da. Abrams beschränkte sich auf die Produzentenrolle. Den Regiestuhl überließ er first-timer Dan Trachtenberg, das Buch verfassten John Campbell und Matthew Stuecken, bislang schreiberisch eher unbeleckt, unter Mithilfe des neuen Hollywood-Wunderkinds Damien Chazelle („Whiplash“, „La-La-Land“).

Erfreulicherweise als „normaler“ narrativer Spielfilm konzipiert, ist „10 Cloverfield Lane“ über weite Strecken ein bedrückendes, klaustrophobisches Kammerspiel – die Situation, höchst unterschiedliche Charaktere in einen Bunker zu stecken und dann genüsslich zu warten, bis irgendeine der ausgelegten Lunten fröhlich zu zischen beginnt, ist nicht neu. Selbst der deutsche Genrefilm schaute in diesem Subgenre mit beachtlichem Erfolg vorbei („Operation Dead End“) und vor einigen Jahren freute sich Michael Biehn überhaupt nicht über zusätzliche Gäste in seinem Atombunker in „The Divide“. Es ist eine Extremsituation, die als Ausgangsbasis für einen Thriller geradezu unkaputtbar ist, denn selbst unter idealen Bedingungen und einer Besatzung idealistischer Gutmenschen ist klar, dass es kaum einen echten, ernstzunehmenden“ trigger“ bedarf, um einen solchen Mikrokosmos in eine Hölle der Konflikte und Auseinandersetzungen zu verwandeln. Postuliert man nun wie unser Autorentrio, dass niemand wirklich sicher sein kann, was da draußen passiert ist und *ob* überhaupt etwas passiert ist, und der barmherzige Samarater, der Michelle und Emmett aufgenommen hat, nicht ein bis mehrere dunkle Geheimnisse in den tieferen Eingeweiden seines Bunkers verbrigt – und Michelle letztlich auch nicht wissen kann, inwieweit Emmett vertrauenswürdig ist, erhält man eine explosive Gemengelage, und das rechnet den, ähm, Twist bzw. gekonnten Stilbruch im Schlussakt, über den ich mich aus Gründen der spoilermäßigen Barmherzigkeit nicht näher auslassen möchte, noch nicht mal mit ein.

Damit ein solches Szenario aber nicht in ein schlichtes wir-schreien-uns-alle-gegenseitig-an-Gewüte ausartet, braucht’s glaubwürdige Charaktere und Schauspieler, die selbige gekonnt darstellen können. Der Film hat zum Glück beides – Hardcore-Survivalisten und Verschwörungstheorie-Schwarzgurte wie Howard mag man hierzulande belächeln, sind aber in den USA eine feste „Größe“ und mit John Goodman ist die Rolle dann auch perfekt besetzt. Sein Image als gemütlicher Brummbär, das dazu führt, dass er als Schauspieler trotz vieler großartiger Performances immer noch latent unterschätzt ist, setzt den idealen Kontrapunkt zu seinem Charakter – so *richtig* übel kann so ein Kerl wie Goodman doch gar nicht sein, oder? Mary Elizabeth Winstead („Final Destination 3“, „Scott Pilgrim gegen die Welt“, „Fargo“) hat die richtige Ausstrahlung, das richtige Timing, die richtige Emotionalität und John Gallagher jr. („Jonah Hex“) holt aus der Rolle des Emmett, die leicht zu einem bloßen Stichwortgeber verkommen könnte, das Maximum.

Die Dialogarbeit ist ausgezeichnet, das Pacing hervorragend und die Kamera bemerkenswert – aus dem begrenzten Set holt Jeff Cutter („Orphan“) immer wieder neue Perspektiven heraus.

„10 Cloverfield Lane“ ist vielleicht der Beweis dafür, dass der High-Concept-/Low-Budget-Thriller, der nicht auf dem DVD-/VOD-Markt enden muss, noch nicht tot ist. Mit 15 Millionen Dollar Budget hat der Streifen allein in den USA über 70 Millionen eingespielt und dürfte daher weitere Cloverfield-Filme in ähnlicher Budgetklasse für Paramount rentabel erscheinen lassen. Und auch wenn „10 Cloverfield Lane“ im Finale auch ein Effektfeuerwerk abbrennt – es ist erst mal Schauspielerkino (ich hätte, ehrlich gesagt, auf eine Auflösung auch verzichten können) feinster Sorte, spannend, technisch perfekt, an dem man vielleicht kritteln kann, dass es sich in der ein oder anderen Sequenz auf bewährte Klischees (Luftschächte!) verlässt, das aber perfekt unterhält, ohne nur auf Oberflächlichkeiten zu setzen. Mehr davon bitte.

4/5
(c) 2017 Dr. Acula


mm
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