Misled – Drogenhölle Chicago

 
  • Deutscher Titel: Misled - Drogenhölle Chicago
  • Original-Titel: Misled
  •  
  • Regie: Todd Tjersland, Zeke Gonzalez
  • Land: USA
  • Jahr: 1999
  • Darsteller:

    Gerardo Estevez (Charlie Torres), Devon Nunally (Pop-O), Theron Touché Lykes (Big Man), H. David Stephenson (Max)


Vorwort

Die Unterwelt in Chicago, soweit sie sich mit dem Drogenhandel beschäftigt und unter der Fuchtel des Gang-Cheffes Pop-O (das ist so ziemlich der allerdümmste Name, den sich ein Gangsta von Welt zulegen kann, ganz besonders bei deutschsprachigen Synchronisationen) hat Probleme. Da gibt es zum einen den Cop Charlie Torres, der einen Privatkrieg mit Pop-Os Gang führt, aber nicht unbedingt aus rein gesetzeshüterischen Gründen, nein, er reißt sich auch gern die Drogen und die dazugehörende Penunze unter den selbstpersönlichen Nagel. Außerdem sind Pop-Os leicht debilen Untergebenen bei einem Drogendeal 6000 Dollar abhanden gekommen, und die hätte Pop-O gern wieder, sonst hat er’s nämlich mit seinen eigenen Vorgesetzten schwer (moment mal, sechstausend lausige Piepen? Sorgen haben diese Superkriminellen heutzutage). In seiner weinerlichen Verzweiflung brütet Pop-O den Plan aus, Charlie mit vergifteten Drogen zu killen und im Zuge dieser Aktion noch die unzuverlässigen eigenen Mitarbeiter zu beseitigen. Charlie jedoch entgeht dem heimtückischen Anschlag und bereitet seinerseits vor, den großen Multimillionendollardeal mit der kolumbianischen Drogenmafia für sich gewinnbringend auszunutzen.


Inhalt

Für die korrekte Zusammenfassung der Handlung übernehme ich heute ausnahmsweise keine Gewähr – ich werde aus den selben Gründen (zu denen ich gleich komme) auch heute nicht viele Worte über den Film und seine etwaigen Qualitäten verlieren. Es ist nämlich unmöglich.

Was Best Entertainment/Carol Media uns nämlich hier vorlegen, ist – leider nicht die erste und bestimmt nicht die letzte – gezielte Kundenverarschung in gepreßter Scheibenform. Der in der Original-(NTSC, daher also PAL-Speedup abzurechnen)-Fassung 93 Minuten lange Streifen wurde für eine Kaufhaus-Version mit massenkompatiblem FSK-16-Papperl auf sage und schreibe 62 Minuten und 5 Sekunden heruntergekürzt. Und von diesen sind noch 6 Minuten Ab- und drei Minuten Vorspann abzuziehen. Bleiben also doch immerhin gut 53 Minuten Film – da sind wir schon bei Albert-Pyun- oder Full-Moon-Verhältnissen angekommen (aber die laufen wenigstens „ungeschnitten“ so lange, hüstel). Bei einigermaßen akkurater Berechnung kommt man da auf satte 28 fehlende Minuten – besonders kundenfreundlicherweise gibt die Hülle eine Laufzeit von „ca. 90 min“ an und trägt keinerlei Hinweis wie „neue Version“ oder „gekürzte Fassung“. Und enorm frecherweise werden als Screenshots drei blutige Gore-Szenen gezeigt, die in der verhackstückten Kurzfassung natürlich nicht enthalten sind. Das ist, liebe Freunde, nicht koscher und selbst für Best, die ja sicher nicht unschuldig sind, was übel beschnippelte Kaufhausfassungen betrifft, aber doch sonst immer wenigstens einen angesprochenen „Neue Version“-Sticker auf ihre Cut-Releases pappen, unverschämt, unentschuldbar und absolut unakzeptabel (und noch nicht mal die einzige Ultrafrechheit, die sich das Cover erlaubt: auf dem Backcover finden sich die üblichen Lob-und-Preis-Zitate, u.a. jenes „Ein ultimativer Mix aus ‚Bad Lieutenant‘ und ‚Boyz’n the Hood'“. Verfasser dieses an sich schon blasphemischen, soweit es Ferraras Klassiker angeht, Zitats ist… Todd Tjersland!)

Nicht, dass dem geneigten Cineastenfreund vermutlich ein echtes Schmankerl entgehen würde. Der Film stammt von Todd Tjersland, und der ist dem geneigten Publikum „bekannt“ durch solch illustre Werke wie die „Faces of Gore“-Reihe und den jüngst beim geschmackssicher „Rape Entertainment“ getauften Label erschienenen „Necro Files 2“ (den nicht mal Bethmanns X-Rated veröffentlichen wollte, und das will was heißen). Will sagen – Tjersland ist nicht gerade dafür berühmt, „Filme“ im Wortsinne zu drehen – ich kann mir daher auch gut vorstellen, was in den 28 Minuten, die ich nicht sehen durfte, zu sehen ist. Gore. Jede Menge (dem Nachspann ist zu entnehmen, dass der Film sogar einige Gore-Sequenzen aus früheren Filmen von Tjerslands Co-Regisseur Zeke Gonzalez übernimmt). Von vermutlich überschaubarer technischer Güte.

Aber, wie schon gesagt, von all dem Blutgeschmoddere, mit dem uns die Herren Gonzalez und Tjersland zu bedenken gedachten (schöner Satz, oder?) sehen wir nix. Aber nicht nur sämtliche harten Passagen scheinen mir geschnitten zu sein, sondern auch einiges an zum Verständnis für den Handlungsfortgang zwingend notwendigen Passagen, manchmal findet sich mitten in einer Dialogszene, teilweise mitten im Wort, ein Schnitt, teilweise fehlen ganze Szenen, auf die später Bezug genommen wird (da tauchen dann plötzlich Charaktere auf, die man nach der internen Logik des Films schon kennen müsste, aber zum ersten Mal sieht), da bleiben sekundenkurze Szenen übrig, die überhaupt keinen Sinn mehr ergeben, weil sowohl von vorn als auch nach hinten der Anschluss fehlt. Ich würde ja sagen, der Film zerfällt in Fragmente, wenn noch erkennbare Fragmente übrigbleiben würden, aber das tun sie nicht. Alles, was bleibt, ist eine sinnlose Aneinanderreihung unzusammenhängender Szenen, die irgendwie schon wieder was fast Dadaistisches haben – eine schlüssige Handlung wird man sich auch bei konzentriertester Betrachtung nicht zusammenreimen können. Dabei hilft natürlich auch nicht, dass der Streifen schon in seiner vollständigen Fassung wirr geschnitten und teilweise Dialoge völlig ausblendet, um lieber die zweitklassigen Rapsongs in den Vordergrund zu stellen (auch das erinnerte mich ein wenig an Pyuns Ghetto-Trilogie). Zappelige Handkamera, die dokumentarisches Flair erzeugen soll, nervt zusätzlich.

Okay, kurz gesagt – ich glaube nicht, dass uns ein echter Geniestreich des Meisterregisseurs Tjersland entgeht, aber Veröffentlichungen wie diese sind, wie schon erwähnt, nichts anderes als Verarschung. Jeder gutgläubige Erwerber dieser DVD sollte die in einen unfrankierten Umschlag packen und an Best schicken, mit der Bitte um Rückerstattung des Kaufpreises.

Andererseits ist „Misled“ in dieser Form schon wieder ein Späßchen erster Güte – ein Großteil des „Restfilms“ besteht aus Szenen, in denen die Protagonisten von Punkt A zu Punkt B wandern (was sie an Punkt A und B jeweils treiben, ist meistens komplett geschnitten), die schauspielerischen Leistungen sind grausam und unterbieten beinahe jeden deutschen Amateursplatterfilm um Lichtjahre (ganz besonders Theron Touché Lykes als Popos, eh, Pop-Os rechte Hand „Big Man“. Es lohnt sich, den Kerl zu beobachten, auch und vor allem wenn er gerade keine Dialogzeile hat). Unvorbelastetes Publikum kann man mit dem Vorführen dieser DVD aber sicher problemlos ins Delirium dirigieren.

Bildqualität: Sehr schwankend. Wir haben es mit einem Vollbildtransfer zu tun, bei dem sicher schon das Originalmaterial nicht das beste war, da wir es mit einer Ultra-Low-Budget- und Quasi-Amateurproduktion zu tun haben. D.h. an Filmstock at man zweifellos hergenommen, was greifbar war, und das Equipment selbst dürfte auch kaum hochwertig gewesen sein. Hat zur Folge, das manche Szenen beinahe unerträglich unscharf sind, mache halbwegs erträglich, insgesamt aber doch eine eher schlampig-unprofessionell aussehende Präsentation, bei der es sich verbietet, ihr genauer auf den Zahn zu fühlen.

Tonqualität: Die grauenhafte deutsche Synchronisation wird (als einzige Tonspur) in Dolby 2.0 durch die Boxen gejagt. Abgesehen von der zweifelhaften Güte der Sprecher (allesamt Dilettanten, was auch für den Übersetzer gelten dürfte) ist sie klar verständlich und die Hip-Hop-Tracks schallen relativ souverän. Es gab schon schlimmere Tonspuren von Best.

Extras: Die übliche Trailershow mit „Top Dog“ und „Dream of A Warrior“.

Fazit: Best Entertainment kann der gute Ruf ja ziemlich wurscht sein, die Firma hat noch nie einen solchen besessen und schert sich ersichtlich keinen feuchten Pfifferling um ihr Image in der Öffentlichkeit. Trotzdem – ein gewinnorientiertes Unternehmen sollte sich schon Gedanken machen, WAS man dem Kunden, dem man das Geld aus der Tasche zu ziehen wünscht, auftischt. Klar, jeder DVD-Käufer bekommt letztendlich die Scheibe, die er verdient, aber ein bißchen Ehrlichkeit sollte schon sein. Wenn man schon meint, der Welt auf „Jugendfrei“ heruntergekürzte Filme um die Ohren hauen zu müssen, ist der Hinweis auf die Kürzung absolutes Pflichtprogramm, besonders, wenn es sich um ein solch episches Gemetzel (in Form der Filmverhackstückung, obwohl der ungeschnittene Film wohl sicher ein Gemetzel unter’m Cast anrichtet) handelt, wie ich es seit der 16er-Fassung von „Demon Wind“ nicht mehr erlebt habe (wobei bei „Demon Wind“ wenigstens nur der Showdown unverständlich wurde, während hier der ganze Film zur Hölle fährt).

Ganz klarer Fall: eine unmissverständliche Warnung – Finger weg von dieser DVD, das ist nicht mehr nur eine Mogelpackung, das ist schlicht und ergreifend ein neuer Fall von bewusster Verhohnepieplung des zahlenden Kunden. Die Verantwortlichen für Veröffentlichungen wie diese sollten wirklich mal heftig verprügelt werden…

1/5
(c) 2004 Dr. Acula


mm
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