Sartana

 
  • Deutscher Titel: Sartana
  • Original-Titel: 1000 dollari sul nero
  • Alternative Titel: 1,000 Dollar on the Black |
  • Regie: Alberto Cardone (als Albert Cardiff)
  • Land: Italien/BR Deutschland
  • Jahr: 1966
  • Darsteller:

    Anthony Steffen (Johnny Liston), Gianni Garko (Sartana Liston), Erika Blanc (Joselita Rogers), Carlo D’Angelo (Richter Walford), Sieghardt Rupp (Ralph), Angelica Ott (Mary), Daniela Igliozzi (Manuela), Franco Fantasia (Sheriff), Roberto Miali (Jerry), Carla Calo (Rhonda), Chris Howland (Krämer), Sal Borghese (Mexikaner im Saloon)


Vorwort

Nachdem er zehn Jahre die Vorzüge der Unterbringung in einer staatlichen Justizvollzugsanstalt genießen durfte, kehrt Johnny Liston in seine Heimatstadt zurück. Er wird nicht gerade begeistert aufgenommen, denn obschon er stets seine Unschuld beteuerte, hält ihn alle Welt für den Mörder des Grundbesitzers Rogers – insbesondere dessen Tochter Joselita und Richter Waldorf, der ihn seinerzeit sogar zum Tod verurteilt hatte. Auch sein liebes Mütterlein, Hauptprofiteurin der damaligen Bluttat und vom ehemaligen Rogers-Dienstmädchen zur gefürchteten grauen Eminenz des Orts geworden, flippt nicht gerade vor Freude aus – sie hat ihre komplette Sympathie und mütterliche Liebe nämlich Johnnys Bruderherz Sartana gewidmet.

Der nun wiederum ist mittlerweile Vorsteher einer größeren Outlaw-Gemeinschaft, nennt sich General und erpresst von den Bewohnern der umliegenden Orte Schutzgelder. Darüber hinaus hat er Johnnys ehemalige Schnalle Manuela geheiratet (nicht, dass Manuela bei diesem Arrangement mitzureden gehabt hätte) und hält sie praktisch, ebenso wie ihren durch ein traumatisches Ereignis verstummten Bruder Jerry, als Sklavin, wobei Jerry zusätzlich noch allerhand Demütigungen erdulden muss.

Johnny hält vom neuen Betätigungsfeld seines Bruders herzlich wenig, und Sartana ahnt, dass Ärger aufkommt, zumal sich Johnny speziell mit seinem Adjutanten Ralph so gar nicht versteht. Johnny nimmt dann auch ein sehr spezielles Hobby auf – die „Kollekten“ von Sartanas Privatarmee empfindlich und bleihaltig zu stören. Gewisse brüderliche Verbundenheit hindert Sartana daran, Johnny direktemang umlegen zu lassen, aber der Bursche stört, soviel ist klar, erst recht, als es Johnny bei einer dieser Gelegenheiten gelingt, Jerry zu befreien und der sich Johnnys Mission umgehend anschließt.

Johnny versucht die lokale Anwohnerschaft zum Widerstand gegen Sartana zu mobilisieren, doch während er in der Nachbarstadt Blackstone Hill durchaus auf offene Ohren stört, ist man in seiner Heimatstadt Campos deutlich feiger, obwohl es Johnny sogar gelingt, Joselita auf seine Seite zu ziehen. Natürlich kann Johnny nicht ahnen, dass Sartana insgeheim mit dem Richter zusammenarbeitet. Der nutzt seinen guten schlechten Einfluss, um Joselita in Sartanas Camp zu locken, auf dass sie als Köder für Johnny diene – der Plan funktioniert vorzüglich.

Sartana möchte Johnny nun doch exekutiert wissen und Richter Waldorf erzählt in der Stadt herum, dass Sartana und *Johnny* zusammengearbeitet hätten. Kann das alles noch halbwegs gut ausgehen?


Inhalt

Sartana ist der Name im Italo-Western, mit dem nach „Django“ sicher der meiste Schindluder getrieben wurde, aber irgendwoher muss die Begeisterung für den Namen und die Figur ja herkommen. Die Ursuppe des Sartana-Movements finden wir dann auch hier – in Deutschland nennt sich der Streifen schlicht „Sartana“, im Original etwas neutraler „1000 Dollar auf den Schwarzen“ (was nicht unbedingt viel Sinn ergibt, aber das tun italienische Titel ja auch ziemlich selten).

Die Figur hat hier noch nicht viel mit der zu tun, die wir aus späteren Sartana-Filmen kennen – dort meist der lakonische Anti-Held, gerne Kopfgeldjäger. Hier ist Sartana der klare Schurke ohne positive Eigenschaften, der Antagonist in einem klassischen Familiendrama, das man, steht man auf solche Interpretationsspielchen, auf ein knappes „zwei Brüder kämpfen um die Gunst ihrer Mutter“ herunterbrechen könnte. Einerseits nicht unbedingt die Sorte Plot bzw. Plot-Motiviation, die wir vom Spaghettiwestern erwarten, andererseits haben wir ja gelernt, dass überraschend viele Italowestern letztlich auf sehr sehr klassische, gern griechische, Tragödienmotive zurückzuführen sind und hinter Blut, Schweiß und Patronen zeitlose Themen und Situationen aufgreifen.

Schon der Auftakt ist nahezu perfekt mythologisch – die Rückkehr des unschuldig Verbannten in seine Heimat, in der sich mittlerweile alles zum Schlechteren verändert hat. Macht aus Johnny den verstoßenen Königssohn, aus Sartana den Usurpator des Thrones und aus der Mutter die Ränkeschmiedin im Hintergrund und wir sind absolut im Bereich der griechischen Heldensage. Johnnys Aufgabe ist es nicht nur, die Gerechtigkeit wiederherzustellen, sondern auch seine Mutter davon zu überzeugen, dass sie aus egoistischen Motiven auf das falsche Pferd gesetzt hat und moralisch verwerflich handelt.

Bemerkenswert für den Italo-Western, der Frauen durchaus gerne primär als Fußabtreter benutzt, sind die starken Frauenrollen – am Ende des Tages mögen Johnny und Jerry diejenigen sein, die mit dem Colt umzugehen wissen, aber die Probleme werden nicht ohne die Frauen gelöst – Joselita, von deren Glauben, dass Johnny unschuldig am Tod ihres Vaters ist, viel abhängt, die Liston-Mutter, die als einzige so etwas wie Autorität über Sartana ausüben kann, und auch für Manuela (als typischer Fußabtreter eingeführt) hat im Finale ein gewichtiges Statement abzugeben. Auch das ist durchaus nicht untypisch für das Feld der griechischen Sage, just sayin’…

Dennoch lassen die Drehbuchautoren Ernesto Gastaldi („Mein Name ist Nobody“, „Nobody ist der Größte“) und Vittorio Salerno („Betrachten wir die Angelegenheit als abgeschlossen“, „Gern hab ich die Frau’n gekillt“) natürlich genügend Raum für die üblichen Westernkonventionen wie Shoot-outs, marodierende Outlaws und heftige Faustkämpfe (der Fight zwischen Ralph und Jerry ist bemerkenswert gut inszeniert und choreographiert, ausführlich und dabei schon deswegen interessant, weil hier zwei „Nebenfiguren“ breiter Raum geboten wird, ihren eigenen, von der Hauptgeschichte eigentlich unabhängigen Konflikt aufzulösen). Unkreditiert hat an der Geschichte übrigens der deutsche Paradeschmutzfink Rolf Olsen mitgeschrieben…

Regie führt mit Alberto Cardone (alias „Albert Cardiff“) ein Mann aus der zweiten Reihe. Hauptsächlich als assistant director beschäftigt und in dieser Funktion u.a. an der „Don Camillo“-Reihe, dem 59er-„Ben Hur“ oder „Barbarella“ beteiligt, inszenierte er als Hauptamtlicher nur neun Filme, darunter ein Segment des bereits erwähnten „Gern hab ich die Frau’n gekillt“, „Blutiger Staub“ und „Django – Die Geier warten schon“. „Sartana“ kann man ohne weiteres als Highlight seiner Karriere betrachten. Dem Film gereicht zum Vorteil, dass er mit Baujahr 1966 noch relativ früh in der Italowestern-Blase entstand und die Filme zu dieser Zeit noch nicht diese preiswert gedrehten Serienprodukte waren, sondern noch echte Sorgfalt in die Produktionen wanderte. „Sartana“ ist großartig fotografiert (seltsamerweise ist kein Director of Photography überliefert), hat teilweise überragende Einfälle für spektakuläre Einstellungen, ungewöhnliche Winkel und die Heraushebung von Gesichtern. Wo es bei Leone gerne die Augenpartien waren, setzt Cardone auf Großaufnahmen ganzer Gesichter, was den gut aufgelegten Darstellern ermöglicht, viel und stark mit „kleinen“ Emotionen und mimischen Regungen zu arbeiten.

Cardone gelingt ein souveräner Spannungsaufbau – mit 100 Minuten ist der Film nicht episch lang, aber schon ein ordentlicher Kanten. Cardone wechselt Action und Drama gekonnt ab, kann sich auch mal erlauben, vor dem Showdown seine Hauptfigur (Johnny) mal für ein Weilchen komplett herauszunehmen. Der Ton ist durchweg ernst, einer Tragödie angemessen, für ein wenig humoristische Auflockerung sorgt nur – in einem unkreditierten, aber nicht unwichtigen Auftritt – Chris Howland als unter der Fuchtel seiner Mutter stehender Ladenbesitzer (starke, besitzergreifende Mütter sind also durchaus ein wiederkehrendes Motiv des Films), der aber im Vergleich zu seinen Auftritten in Wallace-Filmen der Ära auch stark zurückgenommen amtiert.

Bevor wir zu den Schauspielern kommen, sei noch ein Ohr auf den Score von Michele Lacarenza geworfen. Lacarenza arbeitete nahezu exklusiv mit Cardone zu sagen und bedient persönlich virtous die Trompete – dass Trompetensoli also zu denb evorzugten Mittlen des Scores gehören, verwundert nicht. Der Score mag nicht die Klasse oder Originalität eines Morricone aufweisen, treibt den Film aber flott voran, sorgt für Stimmung und lässt sich auch standalone gut anhören.

Gianni Garko ist der Schauspieler, der die Figur Sartana (bzw. Charaktere, die diesen Namen tragen) am öftesten verkörperte. In seinem ersten Auftritt als Sartana überrascht mich Garko, den ich sonst gern mal für eine einen zweitklassigen Giuliano-Gemma-Verschnitt hielt, positiv – er legt den Schurken als eine Art Mischung aus hyperaktivem Brummkreisel und Jesus-Christus-Erlöser-Klaus Kinski an, was sich als idealer Kontrapunkt zum genre-typisch lakonischen, unnahbaren Helden Anthony Steffen erweist. Steffen kritisiere ich ja auch gerne als jemanden, der gerade so viel schauspielert, um nicht wegen offenkundiger Arbeitsverweigerung gefeuert zu werden (wobei man angesichts der Qualität vieler Filme, die er in den 70ern zu drehen hatte, durchaus Verständnis für diesen „geringstmöglicher-Aufwand“-Ansatz haben kann), aber hier, in einer frühen Westernproduktion, stellt er unter Beweis, warum so viele Produzenten ihn für eine gute Besetzung für den schnellschießenden Revolverhelden hielten. Nach außen hart, aber durchaus emotional, und das ohne overacting, sondern – wie Cardones Regiestil nahelegt, mit kleinen Gesten.

Als Sartanas Chief Henchman Ralph überzeugt der spätere „Zollfahnder Kressin“ Sieghardt Rupp mit einer eindrucksvollen Asshole-Performance. Euro-Genre-Babe Erika Blanc („Die toten Augen des Dr. Dracula“) hat hier tatsächlich auch mal ein bisschen was zu spielen und muss nicht nur entzückend aussehen, Roberto Miali (alias „Jerry Wilson“), einer von Cardones Lieblingsdarstellern, gibt dem Jerry durchaus Tiefe, ohne dass sein „Trauma“ wirklich erklärt würde, und Carlo D’Angelo (hysterisch komisch als „Charles of Angel“ kreditiert, zu sehen in „Leichen pflastern seinen Weg“, „Der Vampir von Notre Dame“ und „Hercules Unchained“) gibt einen guten, „understated“ secondary villain ab. Neben dem schon erwähnten Chris Howland gastieren Franco Fantasia („Lebendig gefressen“, „Die weiße Göttin der Kannibalen“) als Sheriff und der unvermeidliche Sal Borghese als Saloon-Dummschwätzer. Eine geradezu gothische Vorstellung liefert Carla Calo („Carroll Brown“, zu sehen in „Skandal“, „Der größte Sieg des Herkules“, „Brenno der Barbar“) als Rhonda – ihr old-age-make-up lässt sie fast schon vampirisch nennen (dabei war sie grad mal 40…).

XCess Entertainment hat den Film in einem schmucken Mediabook veröffentlicht. Für’s Geld erhält der Kunde den Film auf DVD (2.35:1 anamorph) mit einem wirklich zauberhaften Print (ich hab mehrfach auf die Verpackung gekuckt, ob da wirklich nur das DVD-Logo steht und man mir nicht doch eine Blu geschickt hat). Wie beim Label üblich werden vormals geschnittene Szene deutsch untertitelt. Der Dolby-2.0-Ton ist ebenfalls sehr brauchbar. Als Extras gibt’s Trailer, eine BIldergalerie und einen Audiokommentar von Marcus Stiglegger und Ivo Ritzer, das hübsch aufgemachte Booklet beinhaltet neben schönen Fotos und Plakat-Reproduktionen auch einen informativen Text von Nando Rohner, und als ganz besonderes Gutzi liefert XCess den Score auf DVD mit. Das nennt man mal ein rundes Paket, das selbst einen MB-Verächter wie mich überzeugen kann.

Fazit: „Sartana“ ist ein packender, spannender und handwerklich sehr gut gemachter Western mit klassisch angehauchtem Plot, hörenswertem Score und guten Darstellern. Für Genrefreunde natürlich ein Pflichtkauf, aber auch der Pferdeoper nicht so natürlich zugeneigte Filmfreunde dürfen mehr als einen Blick drauf werfen (selbst meiner Frau hat’s gefallen…).

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 3

BIER-Skala: 7


mm
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TomHorn
TomHorn
5. August 2017 14:54

Sounds interesting. Auf Salerno und Gastaldi ist auch drehbuchmäßig immer Verlass, das ist meist auf gehobenem Niveau.