Infernal Affairs II

 
  • Deutscher Titel: Infernal Affairs II
  • Original-Titel: Infernal Affairs II
  •  
  • Regie: Andrew Lau, Alan Mak
  • Land: Hongkong
  • Jahr: 2003
  • Darsteller:

    Anthony Wong (Inspektor Wong), Eric Tsang (Sam), Francis Ng (Hau Ngai), Edison Chen (Lau), Shawn Yue (Yan), Carina Lau (Mary), Hu Jan (Inspektor Luk)


Vorwort

Hongkong 1991 – Kwun, der Oberchef der Triaden, wird erschossen. Doch zum erwarteten (und von manchen Beteiligten vielleicht erhofften) Machtkampf unter den fünf untergeordneten Bandenchefs kommt es nicht, weil Kwuns Sohn Hau Ngai zu allgemeiner Überraschung, speziell zu der der Bosse, die durchaus auf die Chance zur Selbständigkeit lauernden Unterchefs mit harter Hand auf Spur bringt und das Erbe seines Vaters „würdig“ antritt. Sam, einer der fünf „Unterbosse“ schleust prophylaktisch den Spitzel Lau in die Polizei ein und zur gleichen Zeit engagiert Inspektor Wong Yan, einen unehelichen Sohn Kwuns, als Maulwurf, um sich durch die familiäre Beziehung in der Hau-Bande nach Beweismaterial gegen den nach außen hin als Biedermann auftretenden Hau zu fahnden. Jahre vergehen – Lau arbeitet sich in der Polizei hoch und Yan wird tatsächlich zum Vertrauten seines Halbbruders, der nun beschließt, die „Unterbosse“ zu beseitigen. Sams Frau Mary fürchtet, dass Hau auch Sam selbst (der, um die Sache zu verkomplizieren, auch ein guter Freund von Inspektor Wong ist) ausschalten will…


Inhalt

„Infernal Affairs“ erwies sich 2002 als Kassenknüller lange nicht mehr gesehenen Ausmaßes im HK-Film – die Mitwirkung diverser Superstars wie Andy Lau und Tony Leung sowie der für HK-Filme eher ungewöhnliche Approach, anstatt auf blutrünstige bleihaltige Auseinandersetzungen oder Kung-fu-Kloppereien zu setzen, einen atmosphärisch dichten, ausgezeichnet geschriebenen Cop-Thriller klassischer Hollywood-Machart zu drehen, bescherte dem Film nicht nur immensen Reibach an den Kinokassen, sondern auch eine ganze Latte von Preisen und Auszeichnungen. Und da die Filmindustrie der ehemaligen Kronkolonie auch nicht grundsätzlich anders funktioniert als in anderen Teilen der Welt, stand schnell fest – ein Sequel muss her. Die cleveren Produzenten-Strategen machten sich die Rechnung auf, dass nur eins besser ist als eine Fortsetzung, nämlich ZWEI Fortsetzungen und liessen in rekordverdächtiger Zeit „Infernal Affairs II“ und „Infernal Affairs III“ drehen. Was in Hollywood allerdings zwangsläufige Rückschlüsse auf die Qualität der Endresultate zuließe, kann in HK, wo man ja sowieso schneller arbeitet als in Amerika, durchaus noch erfreuliche Ergebnisse bringen. Nun könnte sich der ein oder andere fragen, wie man „Infernal Affairs“ fortsetzen und dabei alle Charaktere im Spiel behalten könnte (immerhin gab’s im ersten Teil ja den ein oder anderen Verlust unter den Rollengestalten). Hongkong-Kino setzt da gerne auf die Karte „Prequel“ („A better tomorrow“ fällt da ein). Und so erzählt Teil 2 die Vorgeschichte zu „Infernal Affairs“.

Das verursacht aber, wie so oft, Probleme – die ganz große Stärke von „Infernal Affairs“ war nämlich, wie schon angedeutet, sein extrem dichtes Script, das ohne Überflüssigkeiten auskam und eine für die Verhältnisse des HK-Kinos sehr simple, geradlinige Geschichte erzählte. Im Bestreben, die Charaktere und ihre Beziehungen untereinander zu erweitern, das ganze Storykonstrukt zu vertiefen und Hintergründe zu beleuchten (wenn man böse wäre, könnte man sagen, dass „Infernal Affairs I“ gerade durch den Verzicht auf diesen Ballast so gut funktionierte), verheddert sich der Streifen in einem konfusen Wirrwarr, dem gerade die kompakte Struktur des ersten Teils in kaum zu beschreibender Weise fehlt. Salopp gesagt – der Film erklärt sich zu Tode.

Im Bestreben, die zentrale Frage des ersten Films – „Wer ist der ‚Gute‘, wer der ‚Böse'“, versinnbildlicht eben durch Lau, den Verbrecher im Cop-Gewand, der eigentlich nur ein guter Mensch sein möchte, und Yan, den Cop in Gangster-Kreisen, der selbst nicht mehr weiß, zu wem er gehört – in einen breiteren Kontext zu setzen, überhebt sich der Film gewaltig. Sam, im ersten Film ein skrupelloser Gangster, dem ein Mord unter Freunden nichts bedeutet, wird von „Infernal Affairs II“ fast schon zum Helden (auf jeden Fall aber zum sympathischten Charakter des Films) stilisiert, während Wong, der aufrechte Gesetzeshüter aus Teil 1, im Prequel zu einem nahezu blindwütigen Fanatiker, dem der Zweck jedes Mittel heiligt, verkommt. Stichwort „verkommen“ – beinahe zu Nebencharakteren verkommen die beiden zentralen Gestalten des ersten Films, Yan und Lau – deren Charakter-Erweiterungen bringen nichts, sie blähen den Film nur auf. Indem Lau eine tragische Liebesgeschichte zu Sams Frau und Yan die halbkriminelle Familienvergangenheit angedichtet wird, gewinnt die Story nicht an zusätzlicher Tiefe, sondern ergibt sich mehr oder weniger kampflos den Klischees, die „Infernal Affairs“ überwunden hatte – undurchschaubare Beziehungsgeflechte, ablenkende Subplots, unnötige Verkomplizierungen der Story. Die Folge: statt dass der Plot wie im ersten Teil mit der Präzision und Konsequenz einer Schweizer Uhr abläuft, versumpft „Infernal Affairs II“ in seinen zahllosen Verästelungen, einem uneinheitlichen Script, das irgendwie beliebig hin- und herspringt und verspielt damit beinahe alle Spannung und Dramatik, ohne dadurch auch nur ein Fitzelchen an „Infernal Affairs I“ zu verbessern (ein paar halbseidene und -herzige politische Anspielungen auf die Übergabe der Kronkolonie an die Volksrepublik China fallen auch in den Bereich der „überflüssigen Aufblähungen“).

Optisch bleibt das Regie-Team Andrew Lau/Alan Mak seiner Linie aus dem ersten Teil treu – dunkle Hochglanzbilder von teilweise wirklich beeindruckender Güte, aber die erkennbaren Schwächen des Scripts lassen sich allein durch visuelle Ambition nicht übertünschen. Den Regisseuren gelingt es nicht, die zu ausufernde Story in ihre Grenzen zu verweisen und den Film vorwärts zu treiben. Auch die Tatsache, dass der Streifen wesentlich härter und blutiger ist als Teil 1 (ohne dabei in ein Bodycount-Festival auszuarten), bringt im Vergleich zum Vorgänger keine Verbesserung – keine einzige Szene kommt in ihrer Intensität und Wirkung an die besten Momente des ersten Teils heran. Im Gegenteil: es macht den Streifen austauschbarer, eher zu einem „gewöhnlichen“ Triaden-Thriller von der Stange, der das Glück hat, eine bessere Besetzung als die meisten Standard-Gangsterfilme „made in Hongkong“ zu haben (gleich noch zu den Darstellern ein Wort). Ein paar wenig überzeugende Digitaleffekte sind noch auf der Soll-Seite zu vermelden, auf der Haben-Seite findet sich ein guter und für HK-Verhältnisse ziemlich progressiver Score ein.

Da der Streifen zeitlich bis zu zehn Jahre vor „Infernal Affairs“ angesiedelt ist, mussten einige Rollen umbesetzt werden. Anstatt des Superstar-Duos Andy Lau und Tony Leung mühen sich nun die relativen Newcomer Edison Chen („Gen-Y Cops“) und Shawn Yue („Just One Look“) in den von den berühmten Vorbildern geprägten Rollen. Obschon man ihnen mangelnden Einsatz kaum unterstellen kann, muss man konstatieren, dass ihnen das Charisma, die Ausstrahlung, die Präsenz von Lau und Leung abgeht. Chen und Yue sind (noch) keine Charakter-Darsteller, sondern das Äquivalent zu Calvin-Klein-Unterhosen-Models (insofern wundert es kaum, dass beide ihren Hintergrund in der Werbefilm- bzw. Modelszene haben). Da Chen und Yue sowieso von der Story zu eher beiläufigeren Randfiguren reduziert werden, braucht der Film ein paar andere tragende Akteure und wird zum Glück fündig: Anthony Wong (Inspektor Wong), Vorzeigepsychopath des HK-Kinos („The Untold Story“) und Eric Tsang (Sam) greifen ihre Rollen wieder auf, wobei ich Wong im ersten Film motivierter in Erinnerung habe, wohingegen Tsang alle Register seines Könnens zieht. Ergänzt werden sie durch den in HK-Filmkreisen auch nicht wirklich unbekannten Francis Ng als Oberboss Hau Ngai, der eine sehr nuancierte und prägnante Vorstellung abliefert. Carina Lau („Project B“) spielt die „Schlüsselrolle“ als Sams Ehefrau Mary vielleicht etwas zu zurückhaltend.

Bildqualität: „Infernal Affairs II“ kommt als schön aufgemachtes Doppel-DVD-Set aus dem Hause mcOne. Auf Scheibe 1 findet sich, wie nicht anders zu erwarten, der Hauptfilm in 2.35:1-Widescreen (selbstredend anamorph). Die Qualität des Transfers ist dabei durchaus als gelungen einzuschätzen – Detail- und Kantenschärfe sind überzeugend, der Kontrast sehr gut, die Kompression angenehm. Der kühle, dunkle Neon-Look kommt jedenfalls sehr schön rüber. Leider haben sich doch, trotz des aktuellen Baujahrs des Streifens, schon ein paar Verschmutzungen auf dem Print eingefunden und einige Störblitze sind ebenfalls zu vermelden.

Tonqualität: Fünf Tonspuren werden geboten, wie eigentlich üblich bei mcOne deutscher und kantonesischer Originalton in Dolby 5.1 und „Headphone Surround“ sowie eine deutsche dts-Spur. Die deutsche Tonspur ist mir dabei allerdings zu blechern, zu höhenlastig, da kommt aus dem Tieftonbereich nicht wirklich viel. Die Sprachqualität ist allerdings ausgezeichnet. Die HK-Tonspur klingt insgesamt natürlicher, aber etwas dumpf. Deutsche Untertitel werden natürlich mitgeliefert, ebenso solche für Hörgeschädigte.

Extras: Wenn’s schon ’ne zweite Scheibe nur für Zusatzgoodies gibt, sollte hier ja einiges zu notieren sein. Auf Disc 1 finden sich noch der deutsche und der kantonesische Trailer sowie der (optional deutsch untertitelte) Audiokommentar mit den Regisseuren, dem Autor und einigen Hauptdarstellern. Auf Disc 2 geht’s weiter mit dem Making-of, das in zwei Varianten angeboten wird – eine ca. 22-minütige Featurette, die hauptsächlich aus Interviews mit den Darstellern und dem Drehbuchautoren besteht und eine in vier Segmente unterteilte weitere Featurette, von denen nur der erste Teil nicht auch in der „großen“ Featurette beinhaltet ist (in diesem Part sprechen hauptsächlich die Regisseure über den Film, während die weiteren Segmente die gleichen Interviews, nur mit anderen Bildern/Filmausschnitten unterlegt, abspulen). Fairerweise wird auf die Überschneidungen hingewiesen. Insgesamt sind diese Interviews zwar auf der euphorischen Seite, beinhalten aber doch auch einiges an Informationen, die den Film insgesamt verständlicher machen. Unter „Confidential File“ verbergen sich fünf Minuten unkommentierte, mit Musik unterlegte Impressionen vom Dreh, vier deleted scenes von insgesamt 10 Minuten Länge, die man allesamt im Film keinesfalls vermißt, folgen, des weiteren zwei Minuten Outtakes (eher uninteressant), Teaser und Fernsehwerbespots sowie eine Artwork-Fotogalerie. Sämtliche Extras sind optional deutsch untertitelt.

Fazit: „Infernal Affairs“, den ersten, hielt ich nicht für die große Revolution des HK-Kinos, wie so mancher Kritiker und Fan es sieht, aber zumindest für einen hochanständigen, extrem gut geschriebenen und souverän gespielten und inszenierten Cop-Thriller der besseren und für Hongkong ungewöhnlicheren Sorte. Das Prequel macht leider mindestens anderthalb Schritte zurück und begeht in beeindruckender Konsequenz praktisch alle Fehler, die der erste Film vermied – ein aus- und abschweifendes Script, eine nicht so zwingende Inszenierung und das Fehlen von charismatischen Stars wie Lau und Leung können die gut aufgelegten Tsang, Ng, und (mit Abstrichen) Wong nicht kompensieren. Schade, denn mit „Infernal Affairs“ war der HK-Film auf einem guten Weg, sich über seine zwar loyale, aber doch ein wenig „elitäre“ Fanbasis hin in den sogenannten „Mainstream“ zu öffnen – eine geöffnete Tür, die Teil 2 mit Schmackes wieder zuschlägt. mcOnes DVD kann sich von der Ausstattung her sehen lassen, offenbart aber vor allem im Audio-Bereich ein paar kleine Schwächen.

2/5
(c) 2006 Dr. Acula


mm
Subscribe
Benachrichtige mich zu:
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments