Che Guevara – Stosstrupp ins Jenseits

 
  • Deutscher Titel: Che Guevara - Stosstrupp ins Jenseits
  • Original-Titel: El "Che" Guevara
  • Alternative Titel: Bloody Che Contra | Diary of a Rebel | Rebel with a Cause |
  • Regie: Paolo Heusch
  • Land: Italien
  • Jahr: 1968
  • Darsteller:

    Francisco Rabal (Ernesto „Che“ Guevara), John Ireland (Stuart), Susanna Martinková (Simona), Howard Ross (Pepe), Andrea Checchi (Selnich), Giacomo Rossi-Stuart (Prado), Guido Lollobrigida (Vicente), José Torrez (Ruiz), Lex Monson (Willy), Piero Morgia (Willy)


Vorwort

Berufsrevolutionär Che Guevara schlägt sich 1967 mit seinen letzten verbliebenen acht Getreuen durch das bolivianische Hochland. Vom Ziel, nach kubanischem Vorteil eine Revolution vom Zaun zu brechen, die das korrupte, unter US-Einfluss stehende Regime hinwegfegen soll, ist er weit entfernt – kaum Vorräte und Munition, kein Nachschub, und der Rückhalt in der Indio-Bevölkerung für die vermeintlich gerechte Sache hält sich in Grenzen. Während die bolivianische Armee mit Unterstützung der CIA eine Menschenjagd auf Che und seine Gefährten ausruft, hofft dieser – möglicherweise wider besseres Wissen – auf Verstärkung aus Kuba. In der Nähe einer Kleinstadt namens La Higuera schlägt Che sein Lager bei einem alten Indio und seiner Tochter auf. Die versprochene Verstärkung gerät auf dem Weg zu Che in eine Falle. Angesichts der hoffnungslosen Lage beschliesst Che, sich zum Neuaufbau seiner Guerilla-Truppe über die Grenze nach Paraguay zu schlagen, doch die Schlinge zieht sich immer enger zusammen…


Inhalt

Oh, those wacky Italians… da war der arme Che noch nicht mal kalt, schon fühlten sich die Filmverbrecher vom Stiefel in Person von Paolo Heusch (der den herrlichen Heuler „Werewolf in a Girl’s Dormitory“ und den geschmackssicher betitelten Eurospy-Hobel „Frauen als Köder für CD7“ auf dem Kerbholz hat) berufen, dem frisch exekutierten Revoluzzer ein filmisches Denkmal zu setzen – und dann noch eins, von dem der gute Mann sicherlich sogar schwer begeistert gewesen wäre. Denn die Story von Adriano Bolzoni (politischer Aussagen ansonsten eher unverdächtig, soweit man anhand von Writing-Credits für großartige Werke wie „La mujer de la tierra caliente“, „Plattfuss am Nil“ oder „Kampf um die 5. Galaxis“ beurteilen kann), müht sich nach Kräften, Che zu einem messianischen Über-Gutmenschen, dem man nicht mal krumm nehmen kann, dass er eigenhändig einen Verräter exekutiert, zu stilisieren, Damit passt „Stosstrupp ins Jenseits“ witzigerweise genau in den Zeitgeist des frühen 21. Jahrhunderts, in dem Che Guevara eine Pop-Ikone ist, von allerlei Leuten, die nicht nur dem linken Spektrum zuzurechen sind (und von nix eine Ahnung haben) verehrt – und da dieser Film über die politischen und ideologischen Ansichten Ches ein wahres Füllhorn an Nullkommagarnix ausschüttet, kann der Streifen bedenkenlos von jenen konsumiert werden, die bis heute nicht mitgekriegt haben, dass Che kein sozialistischer Engel der Armen war, sondern ein ideologischer Hardliner, dem in den 60er Jahren der Kurs der Sowjetunion erheblich zu verweichlicht war und der, wenn gefragt, in der Kuba-Krise nicht klein beigegeben, sondern einen Dritten Weltkrieg gerne in Kauf genommen hätte, um seine Ideologie des „Neuen Menschen“ aus der Asche des Krieges umzusetzen (es spricht ja auch irgendwo Bände, dass sowohl im Kongo noch in Bolivien, wo er versuchte, sozialistische Revolutionen anzuzetteln, die einheimische Bevölkerung seinem Ansinnen mit bestenfalls milder Sympathie – Bolivien – bis zur puren Ignoranz – Kongo – entgegentrat) – und andererseits, als er in Kuba nach der erfolgreichen Castro-Revolution an den Schaltstellen zumindest der dortigen nationalen Macht sass, relativ rasch den „Spaß“ an langweiliger Regierungstätigkeit verlor und wieder die Action des Guerillakampfes suchte. Im Umkehrschluss soll das natürlich nicht heißen, dass die CIA-Aktionen gegen Guevara und seine Mitstreiter gerechtfertigt waren. Die USA unterstützten mit der kubanischen Batista-Regierung und dem bolivianischen Regime undemokratische Diktaturen, unter deren die Ärmsten besonders litten – und Che hatte insofern „Recht“, als ein Sturz dieser Diktaturen absolut wünschenswert war; nur über das „danach“ muss man sich halt streiten (Che hatte ja auch keine Probleme damit, nichtkommunistische Mitkämpfer im kubanischen Guerillakrieg nach dem Sieg liquidieren zu lassen).

Okay, dies soll nun keine politische Abhandlung werden – schließlich reden wir von einem hingerotzten italienischen Schnellschuss, der vermutlich am Tag, an dem Ches Ermordung bekannt wurde, in Planung ging (und, wie schon gesagt, bis heute blenden Ches Anhänger seine Schattenseiten großflächig aus). „Stosstrupp ins Jenseits“ basiert lose auf Ches „bolivianischen Tagebüchern“ (die sogar ein plot device darstellen, alldieweil Che alle Nas‘ lang in sein Tagebuch kritzelt und ein gerüttelt Mass an gesprochenem Wort per voice-over-Vorlesungen aus ebenjenem dargeboten wird) und konzentriert sich auf die letzten Tage Ches und seiner kleinen rudimentären Rest-Rumpftruppe. Auch wenn der Streifen sich vom Handlungsablauf her grob an realen Abläufen orientiert, so nimmt er sich doch etliche Freiheiten, vor allem, was Ches Begleiter angeht (und Ches ansatzweise geschilderte Vergangenheit, dichtet ihm der Film doch schon Kommandoaktionen in Guatemala an; das Kongo-Fiasko dagegen lässt das Script höflich aus) – irgendwo schon wieder verwunderlich, denn auf der anderen Seite bemüht sich der Film um eine geradezu detailbesessene Authenzität, als es daraum geht, das weltberühmte Foto, mit dem die Bolivianer Ches Leiche präsentierten, nachzustellen.

Gut, versuchen wir mal losgelöst von politischen Implikationen das stolze Werk als „normalen“ Abenteuer-Kriegsfilm zu sehen. Allerdings – selbst wenn wir die historischen Zusammenhänge vergessen, sind die Motivationen dünn. Weder die postulierte Ungerechtigkeit des Regimes noch die Ideologie der Guerilla werden verdeutlicht (Che beschränkt sich in seinen voice-overs auf ein paar halbseidene Allgemeinplätze von wegen „den Armen wird es besser gehen“ usw., den Militärs wird ab und zu mal ein gemeiner Befehl – „alle, die mit Che Kontakt hatten, werden liquidiert“ – in den Mund gelegt und die Regierung selbst darf kurz vor Toresschluss als Bande im Luxus schwelgender alter Männer auftauchen). Wer Che von den Einheimischen „folgt“, scheint dies kaum aus Sympathie für den Rebellen zu tun, sondern eher aus Angst vor einem vermeintlich schießwütigen Banditen (auch wenn der für geklaute Lkws brav Quittungen im Namen seiner Befreiungsarmee ausstellt). Dramaturgisch tut sich nicht viel – ein paar Action-Sequenzen, die sich hauptsächlich in random gunfire äußern, werden durch endlose Minuten durchs-Grüne-Latschen (die dann gerne durch Ches voice-overs totgelabert werden) verbunden, zwischendurch geben mal die Militärs die Pausenkasper, die sich sogar von einer vorwitzigen Gastwirtin (in deren Hof man das HQ aufgeschlagen hat) über den Mund fahren lassen.

Nichtsdestotrotz ist der ganze Kram für die Verhältnisse eines italienischen Dünnbrettbohrerschnellschusses handwerklich recht souverän heruntergekurbelt – die Action-Szenen könnten zweifellos dynamischer sein, aber angesichts der Vita des Regisseurs ist man ja begeistert, dass ungefähr das im Bild ist, was im Bild sein soll. Da die Handlung auf wenige Tage reduziert ist, bekommt selbst ein bestenfalls passabler Handwerker wie Heusch eine einigermaßen flotte Inszenierung hin und, hoppla, ein gewisser Spannungsbogen ist tatsächlich zu vermelden (auch wenn das Ende der Geschichte natürlich als bekannt vorausgesetzt werden muss). Der betriebene Aufwand ist zwar überschaubar – der größte Teil des Films spielt unter freiem Himmel (und zwar höchstwahrscheinlich unter dem, der von italienischen Filmemachern als tauglich angesehen wird, je nach Bedarf den wilden Westen, die Umgebung des antiken Roms, Vietnam und eben das bolivianische Hochland zu mimen), was an Sets gebraucht wird, ist spartanisch (bis auf den schwelgerischen Salon, in dem die Regierung amtiert), aber es passt im Kontext des Films.

Die musikalische Untermalung übernimmt die Soundtrack-Allzweckwaffe Nico Fidenco („Black Emanuelle“, „Zombie Holocaust“) mit gelegentlich nett-lateinamerikanisch-folkigen, dann wieder dezent unpassenden Klängen.

In Sachen „Härten“ gibt’s ein paar blutige Erschießungen (und genießerisches Draufhalten auf die erschossenen Guevara-Kumpel) auf dem üblichen End-60er-Niveau. Die FSK 16 geht in Ordnung, die ganze Chose sieht auch auf den ersten Blick uncut aus.

Darstellerisch ist das ganze gar nicht mal so uninteressant – die Hauptrolle verkörpert der spanische Akteur Francisco Rabal, der nicht nur optisch dem real deal ziemlich nahe kommt, sondern mit seiner stoischen Ruhe (aus der er nur sehr dezent, dann aber wirkungsvoll) ausbricht, zu dem kompromisslosen Idealismus des echten Che gut passt. Rabal spielte in den 60er Jahren einige Male für Luis Bunuel (u.a. in „Belle de Jour“) und war von William Friedkin für die Schurkenrolle in „French Connection“ vorgesehen – sein Team engagierte aufgrund einer Verwechslung Fernando Rey, der den Job behalten durfte, als sich herausstellte, dass er im Gegensatz zu Rabal der englischen und französischen Sprache mächtig war. Kurz vor seinem Tod spielte Rabal noch in Stuart Gordons Lovecraft-Verfilmung „Dagon“. Zweiter großer Name im Cast ist John Ireland, in den 50ern gefragter leading man in Hollywood-B-Pictures, der mit der ersten Welle des Italokinos auf den Stiefel wechselte und in allen möglichen Spaghettiwestern und Kriegsfilmen agierte. Im Spätherbst seiner Karriere spielte er u.a. für Anthony Hickox in „Sundown“ und „Waxwork II“. Hier hat er als CIA-Agent Stuart nicht viel zu tun, als fies kuckend herumzustehen und vage Drohungen gegenüber den bolivianischen Generälen auszustoßen. Die undankbare Rolle des Che-Groupies Simona übernimmt Susanna Martinková, die wir als Veteranen des Schundfilms aus La casa del sortilegio“ kennen. Howard Ross, der eindruckslos einen von Ches austauschbaren Getreuen spielt, amtierte 1982 hauptrollenderweise in Fulcis „New York Ripper“ Giacomo Rossi-Stuart, der hier den ausführenden Exekutivschergen der Regierung angemessen kommisköppig spielt, agierte u.a. in „The Night Evelyn Came out of the Grave“ und „War of the Robots“, aber viiiel wichtiger ist natürlich, dass er Papa von „Karate Warrior“ Kim Rossi-Stuart ist… Lex Monson, der Ches schwarzen Buddy Alecio mimt, kann immerhin von sich behaupten, mit Eddie Murphy gespielt zu haben (in einem unbedeutenden Sketch des Konzertfilms „Raw“).

Bildqualität: MVW präsentiert den Streifen in anspruchslosem 4:3-Vollbild. Der Print ist für das Alter und die Güteklasse des Films akzeptabel – ein paar Defekte und Verunreinigungen sind zu verzeichnen, aber es geht in Ordnung. Die Farben sind okay, die Schärfewerte auf Durchschnittsniveau, dito der (nicht wirklich hart geprüfte) Kontrast und sogar die Kompression ist auf gutem Niveau.

Tonqualität: Es liegt ausschließlich deutscher Ton in Dolby 2.0 vor. Die Synchro ist erträglich ausgefallen, die Sprachqualität gut, der Musikmix unspektakulär, aber für eine Ultra-Budget-DVD im grünen Bereich.

Extras: Als Bonusmaterial gibt’s die gefürchteten „Specials“ (drei ausgewählte Filmszenen zum Nochmal-Ankucken) und eine Fotogalerie.

Fazit: Als ernsthaftes Biopic natürlich grandios daneben, ist „Stosstrupp ins Jenseits“ dafür, dass die Italiener auf die Schnelle eine Hommage an das Linken-Idol runterkurbeln wollten, passable Unterhaltung. Wer auch nur ansatzweise eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Ches politischen Motiven sucht, der ist hier grundfalsch. Mehr, als dass Che nach Lesart dieses Films mindestens Jesus II. war, der Gutmensch der Gutmenschen und Erlöser aller Unterdrückten, hat der Film an Einblicken in die Ideologie Ches nicht zu bieten (und das ist halt bei aller Sympathie für die linke Sache unangebrachte Glorifzierung). Als melodramatischer „hach-wie-toll-ist-es-Revoluzzer-zu-sein“-Abenteuer-Action-Streifen ohne jeden Tiefgang ist der Klopper allerdings brauchbar und kurzweilig genug. Italo-Komplettisten können getrost zuschlagen, zumal die DVD zu den besseren Umsetzungen von MVW gehört (whatever THAT means…).

3/5
(c) 2008 Dr. Acula


mm
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