Freaks

 
  • Deutscher Titel: Freaks
  • Original-Titel: Freaks
  •  
  • Regie: Tod Browning
  • Land: USA
  • Jahr: 1932
  • Darsteller:

    Wallace Ford (Phroso), Leila Hyams (Venus), Olga Baclanova (Cleopatra), Roscoe Ates (Roscoe), Henry Victor (Hercules), Harry Earles (Hans), Rose Dione (Madame Tetrallini), Daisy Hilton/Violet Hilton (siamesische Zwillinge), Schlitze (als er selbst), Josephine Joseph (Half-Woman/Half-Man), Johnny Eck (Half Boy), Frances O’Connor (Armless Girl), Peter Robinson (Human Skeleton)


Vorwort

Der Direktor einer Freakshow führt seine zahlenden Gäste zu einer Frau, die als „menschliche Ente“ dargestellt, und erzählt den Leuten ihr tragisches Schicksal:
Der Liliputaner Hans, der in der Freakshow eines Zirkus auftritt, ist verliebt in die Trapezkünstlerin Cleopatra. Hans ist aber mit Frieda (ebenfalls eine Liliputanerin) zusammen, die beiden wollen eigentlich heiraten. Cleopatra, die sich erst einen Spaß mit Hans erlauben will, beginnt ihn auszunutzen und ihm Hoffnungen zu machen, da er ihr immer teurere Geschenke macht. In Wahrheit ist sie mit Herkules, einem anderen Zirkusartisten zusammen. Als die beiden durch einen dummen Zufall erfahren, dass Hans ein Vermögen geerbt hat, und den Zirkus von Madame Tetrallini verlassen will, schmieden beide einen perfiden Plan: Cleopatra will Hans dazu bringen sie zu heiraten, und zwar nur um ihn anschließend zu vergiften. Als seine Frau würde sie dann sein Vermögen erben, und dann könnte sie gemeinsam mit Herkules ein neues Leben beginnen. Der Plan gelingt, Hans (der mit Daisy schon zuvor Schluss gemacht hatte) heiratet Cleopatra einige Zeit später.

Beim Hochzeitsfest geht dann anfangs auch alles gut, aber als die versammelte Hochzeitsgesellschaft (es sind sämtliche Künstler aus der Freakshow anwesend) die schon betrunkene Cleopatra in ihrer Mitte aufnehmen dreht diese aufgrund ihres hohen Alkoholspiegels und der Aussicht, in Zukunft selbst zu den Missgeburten zu gehören, durch, und beschimpft die Leute als dreckige Missgeburten. Herkules setzt dem ganzen Schauspiel noch die Krone auf, und setzt Hans auf Cleos Schultern für einen kleinen Huckepackritt. Später versuchen sie sich bei Hans zu entschuldigen, dieser bricht aber wegen des ihm beim Essen heimlich verabreichten Giftes, zusammen. Cleopatra und Herkules reden noch über den langsamen Mord, und sind so unvorsichtig, sich dabei von Angelino, einem weiteren Liliputaner, der einer von Hans´ engsten Freunden ist, belauschen zu lassen. Fortan werden Cleopatra und Herkules von den „Missgestalteten“ beschattet. Aber das ist nicht ihr einziges Problem. Die Tiertrainerin Venus hat sich bereits einiges zusammengereimt, und droht Herkules nun damit zur Polizei zu gehen. Damit ist für Herkules klar, dass Venus aus dem Weg geräumt werden muss. In der Zwischenzeit arbeitet Hans gemeinsam mit seinen Freunden an seiner Rache. Heimlich kommen sie in einer Nacht zu Hans´ Zirkuswagen, um Hans zu helfen, an die Flasche mit dem Gift zu kommen. Gleichzeitig erzählt Frieda dem Zirkusclown Phroso, der mit Venus zusammen ist, dass sie Herkules zufällig belauscht hat, und das dieser Cleopatra gegenüber erwähnte, dass „Venus zu viel weiß“. Phroso macht sich sofort auf den Weg zu Venus´ Wagen, da er natürlich weiß was das bedeutet. Er trifft dort auch auf Herkules, der gerade die Tür eintreten wollte, und es kommt zum Kampf. Da auch die Freaks beschlossen haben, jetzt loszuschlagen, kommt es in einer stürmischen Nacht zum Showdown zwischen Hans, den Freaks, Venus und Phroso auf der einen, sowie Herkules und Cleopatra auf der anderen Seite….


Inhalt

Dieses zumeist unterschätzte Stück amerikanischer Filmkunst ist – neben Dracula – mit Sicherheit einer der bemerkenswertesten Filme von Regisseur Tod Browning. Browning, der früher selbst in einer Freakshow gearbeitet hatte, kreierte – basierend auf einer Geschichte von Todd Robbins – eine dermaßen dichte Atmosphäre, dass der Zuschauer regelrecht in den Film hineingezogen wird. Das ihm dies so gut gelang, hat folgende Gründe: Erstens war er mutig genug, echte „Freaks“ zu engagieren, die er in verschiedenen Jahrmarktshows und dergleichen auftrieb. Dies verleiht dem Film eine Authentizität, die kein noch so gutes Make Up hätte erreichen können. Zweitens war sein filmischer Ansatz stark dadurch geprägt, dass er früher selbst in solchen Shows arbeitete, und er daher ein sehr viel genaueres Bild von der Mentalität dieser Menschen hatte, als so manch anderer. Browning schafft es – obwohl der Film stark verallgemeinernd ist – die menschliche Seite des Lebens dieser Außenseiter der Gesellschaft zu zeigen. So sehen wir viele „Freaks“, wie sie für uns alltägliche Dinge meistern (und manches was wir zu sehen kriegen ist schlicht und einfach erstaunlich. Oder wie würdet ihr euch anstellen, wenn ihr euch ohne Arme und Beine ne filterlose Zigarette rollen und anzünden müsstet?). Viele kleine Auftritte dieser Art machen den Film noch sehenswerter, als er ohnehin schon ist.

Der Horrorstreifen (der in meinen Augen eher ein Drama mit Horrorelementen ist) wird durch geniale schauspielerische Leistungen unterstützt. Olga Baclanova liefert als Cleopatra eine eindringliche Vorstellung ab, die man nicht nur wegen des physischen Kontrastes zu Harry Earles im Gedächtnis behält. Die Rolle des Liliputaners Hans, gespielt von Harry Earles, war eigentlich für Lon Chaney sr, den „Mann der 1000 Gesichter“, gedacht. Als dieser starb, bekam Earles die Rolle (Daisy Earles ist übrigens seine Schwester, und nicht seine Ehefrau). Bei allem Respekt, aber ich glaube kaum, dass Chaney diese Rolle so gut hätte spielen können, wie Earles das tat, da sie einfach aufgrund der Tatsache, dass Hans tatsächlich ein Liliputaner ist, sehr viel realistischer rüberkommt. Henry Victor hat als Herkules zwar nichts anderes zu tun, als den klischeebehafteten Muskelprotz zu spielen, aber er versucht immerhin das Beste aus seiner Rolle zu machen, und spielt sehr solide. Leila Hyams und Wallace Ford als Venus und Phroso scheinen für solche Rollen geboren zu sein, vor allem Ford spielte im Laufe seiner Karriere immer wieder ähnliche Rollen.

Bild und Ton: Die Bild- und Tonqualität ist – wenn man das Alter des Filmes bedenkt – beachtlich. Vor allem die Bildschärfe hat mich positiv überrascht, nur am Ende wird das Bild etwas zu hell. Es gibt nur eine englische Tonspur in Mono mit deutschen Untertiteln, die aber gut verständlich ist.

Extras: Also bei den Extras hat sich MGM echt Mühe gegeben. Neben dem Prolog, der dem Film im Kino vorausging, findet sich eine einstündige Dokumentation über den Film, die sich vor allem den Darstellern widmet. Auf jeden einzelnen „Freak“ wird ausführlich eingegangen, man erfährt wirklich alles wissenswerte. Außerdem sieht man noch einige alternative Enden (eines wird nur von einem Filmhistoriker erzählt, da das Material leider nicht mehr vorhanden ist). Dann gibt es noch einen Audiokommentar des Filmhistorikers David Skal, der durchaus interessant ist, da er mit viel Detailwissen über die der damals der Zensur zum Opfer gefallenen Szenen (der Film musste leider mehrmals umgeschnitten werden, hat aber nichts von seiner Kraft verloren) gespickt ist.

Fazit: „Freaks“ ist ein für die damalige Zeit sehr sehr mutiger Film, der leider zu der Zeit, als er im Kino lief, von vielen Leuten falsch verstanden wurde, und in manchen Ländern bis in die 60er Jahre hinein verboten war. Erst ab der Kulturrevolution des Jahres 1968, in der es ja auch darum ging „anders“ zu sein, erfuhr der Film die ihm gebührende Anerkennung. Und das geschah völlig zu Recht. Diesen Film kann man, wenn man ihn einmal gesehen hat, nie wieder vergessen. Tod Browning hat es geschafft, einige unvergessliche Menschen in einem wundervollen und zugleich verstörenden Film zusammen zu bringen. „Freaks“ wird auch immer kontrovers sein, über keinen Hollywoodschinken der 30er Jahre kann man so leidenschaftlich streiten, wie über „Freaks“ und die darin gestellte zentrale Frage: Sind die „normalen“ Menschen, die alle die irgendwie anders sind als sie selbst, bestenfalls wie nichtswürdige Untermenschen behandeln, nicht eigentlich die wahren „Freaks“?

5/5
(c) 2007 G


mm
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