The Apple

 
  • Deutscher Titel: Star Rock
  • Original-Titel: The Apple
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  • Regie: Menahem Golan
  • Land: USA/BR Deutschland
  • Jahr: 1980
  • Darsteller:

    Bibi (Catherine Mary Stewart)
    Alphie (George Gilmour)
    Pandi (Grace Kennedy)
    Dandi (Alan Love)
    Mr. Boogalow (Vladek Sheybal)
    Hippie-Führer/Mr. Topps (Joss Ackland)
    Shake (Ray Shell)
    Alphies Wirtin (Miriam Margoyles)
    Bulldog (Derek Deadman)
    Joe Pittman (George S. Clinton)


Vorwort

Für dieses Review bedanke ich mich schon mal vorab (wer weiß, ob ich es überlebe) beim edlen Spender Torsten (möge der Herrgott sein Halleluja über dir ausschütten!), der (vermutlich im Bestreben, mich endgültig umzubringen und dann heimtückischwerweise das badmovies.de-Imperium zu übernehmen), mir den zu besprechenden Film selbstlos zur Verfügung stellte.

Ich sitze hier (Samstag, 6.3, 21.35 Uhr) vor dem PC und hab zwar noch nicht die geringste Ahnung, wie ich das eben Gesehene verarbeiten und das dann auch noch in Reviewfilm bringen soll, aber, irgendwie wird´s schon funktionieren – oder auch nicht. Wir werden sehen. Und da mir normalerweise zu jedem Schmodder noch was einfällt, könnt Ihr Euch schon zusammenreimen, daß wir es heute mal wieder mit einem echten Unikum zu tun haben – The Apple ist zwar eine deutsch ko-produzierte Angelegenheit, aber wenn mir jemand unter der trauten Leserschaft glaubhaft versichern kann, diesen Streifen aus eigener Anschauung zu kennen, höre ich mir freiwillig die Zwanzig-Minuten-Fassung von Donna Summers „Love to love you baby“ (von der war das doch, oder? War vor meiner aktiven Plattenkäuferzeit) an. Dreimal am Stück.

First things first. Wie aufmerksame Leser sicher schon bemerkt haben, handelt es sich bei The Apple um eine Cannon-Produktion und Menahem Golan führt höchstpersönlich Regie. Das kann man gut finden, muß und sollte man aber nicht. Vor allem, weil der Streifen von 1980 datiert – der kurze Aufstieg von Cannon zu einem der global player lag noch einige Jahre in der Zukunft, dito aber offensichtlich auch jegliches kommerzielles Gespür der Herren Golan und Globus – oder war ein Science-Fiction-Fantasy-Disco-Musical genau das, auf das die Welt seinerzeit gewartet hatte? Scheinbar nicht, denn ansonsten säße The Apple heute neben Saturday Night Fever auf dem Thron der modernen Klassiker. Immerhin trommelt die Gerüchteküche, daß aufgebrachte Kinobesucher bei der Premiere die als Goodies verteilten Gratis-Soundtrack-LPs wutentbrannt gegen die Leinwand schleuderten und erheblichen Sachschaden anrichteten (und merkt man eigentlich, daß ich das Vorwort künstlich verlängere, weil ich immer noch keinen Plan habe, wie ich das Review – das entweder rekordverdächtig lang oder, falls ich unterwegs einfach aufgebe, rekordverdächtig kurz werden wird -technisch lösen soll?). Okay, ich zwinge mich jetzt einfach – Vorhang auf für The Apple, gedreht eben 1980 im idyllischen West-Berlin, als die Mauer noch stand (und auf der anderen Seite die Partei noch immer Recht hatte), Discomusic noch angesagt und die Welt noch eine Scheibe war (oder so). It´s gonna be… interesting, I promise (die Einnahme von bewußtseinserweiternden Substanzen vor dem Weiterlesen wird ausdrücklich empfohlen… äh…)


Inhalt

Wir befinden uns in der fernen Zukunft des Jahres 1994, was bedeutet, daß ausnahmslos alles diesen gewissen Space-Look hat (d.h. es sieht so futuristisch aus, wie sich unsere Ur-Ur-Ur-Großväter 1980 die Zukunft vorgestellt haben, think Jetsons – die Klamotten (d.h. jeder läuft rum, als wäre er ein durchschnittliches Ensemblemitglied einer schwarzen Funk-Band der Mitt-80er, think Jonzun Crew o.ä., in silberglänzenden halben Raumanzügen), die Motorräder haben futuristische Verkleidungen und die Autos (lustigerweise, weil der Film scheinbar nicht wirklich viel Geld gekostet hat, vollkommen handelsübliche Automobile der zeitgenössischen Manufaktur) größere Heckspoiler als Schumis Weltmeisterferrari und mehr Blinklichter als eine Sternfahrt der Löschzüge sämtlicher deutscher Berufsfeuerwehren. Eine Menschenmenge sammelt sich vor dem ICC in Berlin (das, zugegebenermaßen, 1980 noch wirklich hyperfuturistisch aussah und architektonisch weltweites Aufsehen erregte), wo eine Musikveranstaltung zelebriert wird. Und auf der Bühne stehen BIM. BIM ist nicht nur ein grandios debiler Name für eine Popgruppe, sondern sogar der absolut passende für das Sammelsurium an abartig gekleideten und geschminkten Gestalten, die auf der Bühne rumhüpfen und den aus unerfindlichen Gründen beim Publikum Begeisterungsstürme auslösenden Megahit „Hey Hey Hey, Bim´s on the way“ darbieten, der, entsprechend des Outfits (Flash Gordon wäre auf die Bühnenklamotten sicherlich schwer neidisch) und des nur noch in Zentnern auszudrückenden Verbrauchs an Rouge, Augen-Make-up, Glitzerpailletten und ähnlichen entstellenden Krimskrams, aus hübsch geschmackloser End-70er-Disco-Mucke besteht – das Gesangsduo selbst setzt sich übrigens aus einem weißen Kerl und einer schwarzen Tussi zusammen. Man bewundere die ausschweifende Choreographie, die einer drittklassigen Las-Vegas-Revue keine Ehre machen würde und die gnadenlos dämlich in die Kameras gestikulierenden und grimmassierenden „Musiker“.

Mr. Boogalow (hint-hint, und sein Aussehen macht die, hüstel, Message auch nicht wirklich subtil, wie anhand beigefügten Bildmaterials überprüft werden kann), Agent und Manager von BIM, sitzt in der Regiezentrale der Veranstaltung und läßt sich von seinem Rechte-Hand-Mann (obwohl das nicht sooo sicher ist, der Kerl trägt mehr Make-up als der halbe Christopher Street Day zusammengerechnet) Snake die aktuellen Werte des Publikums durchgeben: Aufregung 90, Spannung 92, Pulsschlag 132, Herzschlag 138 (ja, Herzfrequenz und Pulsschlag sind wohl unterschiedliche Dinge – ich bin kein Mediziner, aber das ist mir neu. Aber Fernsehen bildet ja). BIM kommen dieweil am Höhepunkt ihrer Nummer , dem gnadenlosen „haha-hahahaha“-Mitsingteil an und prompt rast die Herzfrequenz des Publikums (ich will gar nicht mal drüber spekulieren, wie die gemessen wird) auf 150! (Die Sanitäter sind sicher schon mit ihren Tragen und Defilibratoren in Lauerstellung). Das ist offensichtlich ein absoluter Spitzenwert und Boogalow ergeht sich bereits in Merchandising-Plänen. „T-Shirts?“ schlägt einer seiner Assistenten vor. Also wirklich, Männe, wir haben 1994!!! T-Shirts, pffzz…

So, und jetzt erfahren wir auch, warum Boogalow und seine Entourage auf so glühenden Kohlen sitzen. Bei unserer Veranstaltung handelt es sich nicht etwa um ein x-beliebiges BIM-Konzert, sondern, festhalten, um den „World Song Contest“ (jaa, mein Traum wird wahr, endlich wird der „Grand Prix“ verfilmt – stehen wir mal drüber, daß wir Europäer in der Zukunft von 1994 auch Außerkontinentale mitmachen lassen, wir sind ja tolerant). Die nächsten Kandidaten stehen schon auf der Bühne, es handelt sich um das Duo mit dem Namen „Alphie & Bibi“ (gut, ja, ich würde ja unter dem Namen auch eher eine Clown- oder Bauchrednernummer für Kindergeburtstage oder Faschingssitzungen beim Hinterwinkler Karnevals-Kommittee vermuten, aber ich schätze, das ist symbolisch für irgendwas. Kann mir Herr Golan im Bedarfsfall mal auf ner Postkarte erklären). Alphie & Bibi sehen ungefähr so aus, als hätte man Nicole zu „Ein bißchen Frieden“-Zeiten (und das kommt ja einigermaßen hin) in Männlein und Weiblein aufgespaltet (aber dem Endprodukt trotzdem nur eine Akustikklampfe spendiert) und singen ihr Liedchen „Love is the Universal Melody“ – das könnte aber nu wirklich Siegel/Meinunger sein, denn die Nummer ist genau das, wonach es sich anhört – eine gruselig-kitschig-schöne 1-A-Klischee-Eurovisions-Nummer sein (Ihr wißt schon, die Sorte Song, die, wenn „wir“ sie einreichen, garantiert bei „Germany: No Points“ ankommt). Das Publikum, zumindest die Hardcore-BIM-Fans, reagieren ungefähr so wie das nicht von RTL eingekaufte Publikum bei Zlatkos Versuch, sich für den Song Contest zu qualifizieren, buht, pfeift und gröhlt „Do the BIM!“. Doch die BIM-Fans, komischerweise durch die Bank männlich, wird durch die jeweilig mitgebrachten Bettgefährtinnen zur Ordnung gerufen, denn die finden den Song mirakulöserweise schnuckelig. Das beunruhigt Mr. Boogalow, auch wenn Shake versucht, die Konkurrenz kleinzureden: „Das sind nur Kinder aus Moosejaw!“ „Moosewas?“ fragt der in kanadischer Geographie nicht bewanderte Boogalow begriffsstutzig nach (was den Auftakt zu einem versuchten Running Gag bildet, in dem Moosejaw immer wieder von den weltmännischen BIM-Leuten als „middle of nowhere“, „from the sticks“, „on the boondocks“ und ähnlich provinziellen Bezeichnungen klassifiziert wird) – aber, Boogalow merkt, was läuft: „Die sind GUT!“ (Im Vergleich zur Nummer seiner BIMs mag das sogar nicht ganz grundverkehrt sein, aber ich schätze, das meint er nicht so) „Die singen ein LIEBESLIED,“ entsetzt sich Shake, als würde sich „Gut“ und „Liebeslied“ grundsätzlich ausschließen (okay, für diese These gibt es sicher Unterstützer). Und in der Tat – die Herzfrequenz, und die scheint beim Schlagerfestival der Zukunft über Sieg und Platz zu entscheiden, rast auf 151! Panik! Boogalow muß die Geheimwaffe auspacken… das ROTE TAPE (zitter! bibber!). Dem Techniker, der das Band einspielen muß, läuft schon der Angstschweiß runter: „Was ist, wenn uns jemand erwischt?“ „Dann bist du sehr sehr tot,“ grinst Shake sardonisch und setzt damit doch eine gewisse Erwartungshaltung bei uns in Gang. Was mag auf dem ominösen Cassettchen drauf sein? Unterschwellige Botschaften, sich die Klamotten vom Leib zu reißen und den Nebenmann zu vergewaltigen? Ein Ultrahochfrequenzton, der die Köpfe der ersten drei Zuschauerreihen platzen läßt? Ein Lied von Roland Kaiser? Weit gefehlt… es sind ein paar simple Pfeif- und Düdelfröz-Töne, als hätte man ein paar Soundeffekte der alten „Enterprise“-Brücke mitgeschnitten. Da hat´s bei realen Song Contests durchaus schon schrillere Störgeräusche gegeben. Aber, es scheint den Zweck zu erfüllen, das Publikum beginnt zu toben, und zwar nicht vor Begeisterung (trotzdem geht die Herzfrequenz auf schlappe 90 runter), buht und brüllt nach Leibeskräften, bis Bibi, der weibliche Teil des braven Duos, entnervt von der Bühne rennt. Profi Alphie hält tapfer bis zum bitteren Ende durch, aber – der Contest ist verloren.

Mr. Boogalow nimmt die interviewenden Huldigungen der Weltpresse entgegen und hat auf französisch, deutsch (auch in der Originalfassung), italienisch und englisch sein Wort zum Sonntag auf Lager: „Das beste Lied hat gewonnen. Gute Nacht!“ Dem amerikanischen Reporter Joe Pittman ist das nicht tiefschürfend genug, er konfrontiert, nachdem wir noch mit dem Tidbit versorgt werden, dass der BIM-Song zur Hymne der „Nationalen Fitness-Bewegung“ (selbstredend spielt der Streifen in den USA) ernannt wurde, den ekligen Manager mit der Tiefschlag-Frage, was er von den Gerüchten halte, der Wettbewerb sei manipuliert worden. „Sie könnten bald arbeitslos sein,“ droht der mächtige Musikmogul mit finsterem Blick, womit das Thema sichtlich gegessen ist.

Die Siegesfeier wird in der schicken tulpenartigen Turmkonstruktion, die die Steglitzer Einkaufsmeile Schloßstraße heute noch ziert (und in der sich im realen Leben ein teureres Restaurant befindet) abgehalten. Alphie und Bibi überlegen, ob sie der von Boogalow großzügig ausgesprochenen Einladung Folge leisten sollen – Bibi, die in Boogalow einen potentiellen Karriereförderer wittert, setzt sich mit ihrer Pro-Haltung durch. Auf der Fete läßt sich Boogalow gerade die neuesten BIM-Devotionalien vorführen – neben BIM-Gläsern und der BIMbam-Maschine (einem Automatenspiel, und BIMbam habe nicht ICH mir ausgedacht) findet vor allem die BIM-Mark (und das ist nicht der Nachfolger von D- oder Ostmark, sondern im Sinne von „Abzeichen“ gedacht) des Meistes Wohlgefallen – ein dreieckiges Glitzerdingens, das man sich auf die Stirn, ans Revers oder an den Hintern pinnen kann. „Von jetzt an werdet Ihr alle dieses Zeichen tragen,“ donnert Boogalow entschlossen und geht selbst mit gutem Beispiel voran (ich habe so eine gewisse Befürchtung, wohin sich das ganze entwickeln wird…). Da tauchen unsere lieben Kanadier auf und werden von Mr. Plattenmogul den BIMs vorgestellt – die heißen Dandi (der Knabe) und Pandi (das Girl) – naja, es ist besser als Hanni und Nanni, und vielleicht sogar knapp besser als Alphie und Bibi (make that: deutlich besser). Dandi macht Bibi gleich mal schöne Augen und komplimentiert ihre Performance: „Du warst super, nur der Song war Mist.“ Aber den hat doch Alphie eigenpfötig geschrieben! Wie gemein! Der Herr Songwriter hat gerade andere Sorgen, denn er muß Boogalow auseinandersetzen, dass er keinen Allohol zu sich nimmt (und sowas will ins Showgeschäft??? Am Ende ist der Kerl noch sexuell enthaltsam!). Bibi dagegen ist einer kleinen Champagner-Laune nicht abgeneigt und läßt sich von Dandi Boogalows Penthouse zeigen (so nennt man das heute, äh, in der Zukunft). „Ich war noch nie so hoch oben,“ staunt Bibi und meint dabei rein die Höhe über dem Erdboden (so hoch ist der Steglitzer Bierpinsel auch wieder nicht…), was Dandi natürlich lustigerweise mißversteht und ihr eine kleine Aufmunterung aus seinem Pillendöschen anbietet. Nach dem obligatorischen Provinz-Running-Gag verpaßt Dandi der verblüfften Bibi einen unbürokratischen Kuß und bricht danach, es war zu befürchten, in einen Song aus… schmalziger 50er-Jahre-Kitsch im Disco-Gewand inkl. „doowop-doowop-doowah“-Chor (und entsprechender Hintergrundchoreographie… das muss man sehen, das kann man nicht beschreiben)! „You´re made for me, you´ll be my woman,“ croont Dandi und scheint damit echte Wirkungstreffer zu erzielen (angesichts des guten Kilos Make-up, das er aufgetragen hat, wäre er bei Mary & Gordy allerdings besser aufgehoben). „Why do you do this to me?“ entsingtgegnet Bibi, „I don´t understand my feelings!“ Aber es kommt noch besser: „Your arms are so strong, you hold me so tight, I´m under your spell…“ Kinder, lasst es euch eine Warnung sein, sagt nein zu Drogen, sonst singt Ihr blöde LIeder und verliebt Euch in Drag Queens! „C´est l´ami, my friend,“ kommentiert Boogalow (ist das eine Mischpoke aus „c´est la vie“ und „c´est l´amour“?).

Auch die schönste Party geht mal zu Ende… aber Alphie und Bibi haben einen Termin bei Boogalow ergattert, der in einem mir sehr bekannt vorkommenden Berliner Bürohaus das Hauptquartier von „BOOGALOW INTERNATIONAL MUSIC“ (kurz BIM, wer hätte das gedacht?) aufgeschlagen hat. Alphie würde zu der angedachten Vertragsverhandlung doch lieber einen Anwalt hinzuziehen (ach, lass das, Junge, kommt nix gutes bei rum). Bibi andererseits hält das für unnötig: „Er ist nur ein Agent!“ – und vor allem ein kreuzbescheidener: „Er verlangt nur 50 Prozent!“ (Ich weiß ja, Frauen und Mathe, aber vielleicht sollte man dem Mädel doch mal eben veranschaulichen, dass 50 Prozent die HÄLFTE sind!) Alphie bleibt skeptisch: „Hast du jemals amerikanische Verträge gesehen?? Es könnte uns zerstören!“ „Oder groß rausbringen,“ kontert die karrieregeile Bibi. Vor die Vertragsgespräche hat des Moguls Vorzimmerdame aber die Warteschlange gesetzt – und in der befindet sich auch ein erlesenes Assortment an Freaks (von Clown bis Liliputaner ist da alles vertreten), die auf den großen Karriereschub hoffen. So auch Dick Diablo und sein Ballet 2000 (ja, ich hab ja mittlerweile begriffen, daß die simplifizierten Namen schwer symbolish sind, danke!). „Was?“ fragt der dem geistig nicht ganz folgen könnende Alphie leicht begriffsstutzig, was natürlich willkommenen Anlaß für die nächste musikalische Nummer bietet (wir hatten ja auch schon immerhin drei Minuten keine mehr). Das Ballett läßt sich nicht lumpen und den Gesang besorgt Mr. Boogalow (der nun wirklich nicht gerade eine Singstimme hat) persönlich… der Text ist die seinem charakter entsprechende Evil Capitalist TM-Ansprache: „Life is nothing but a business, the world´s a cabaret, we just live for our fortune!“. Singenderweise unterstützt wird Boogalow vom falsetto singenden Shake (oookay, der Typ ist also definitiv vom anderen Ufer, I get it) und der klassisch angehauchte Refrain paßt ungefähr so gut zu den Strophen (musikalisch-arrangementtechnisch gesehen), als würde man eine Black-Metal-Nummer mit einem deutschen Schlager kreuzen. Nicht fehlen darf an dieser Stelle auch eine Steptanzeinlage.

Auch die schönste Songeinlage hat ein Ende und endlich sind Alphie und Bibi in Boogalows Büro vorgedrungen und erhalten dort vom Meister und seinem Heer britisch akzentuierender Anwälte die ausformulierten Verträge in die Pfoten gedrückt. Alphies ungewöhnlicher Wunsch, das Vertragswerk vor Unterschrift mal lesen zu dürfen, trifft auf allgemeine Verblüffung, aber Boogalows Verständnis – allerdings möge er sich doch bitte ein bißchen beeilen, denn in 20 Minuten haben die neuesten Pferde in BIMs Stall schon einen Termin bei der Modeschöpferin Ingrid Stockinger zwecks outfittechnischer Generalüberholung und Alphies Alternativvorschlag, den Kontrakt dann vielleicht morgen oder erst nächste Woche zu paraphieren, ist auch wenig praktikabel, schließlich sei man schon dabei, ihr erstes Album zu verkaufen (selbst Bibi fällt dabei ein und auf, daß sie ja noch nicht mal eins aufgenommen hätten… aber 1994 ist das so, da wird erst verkauft und dann gearbeitet. Fast wie bei DSDS) und für die nächste Woche ist bereits die große US-Tournee terminiert. Alphie geht das alles ein bisserl zu schnell. Plötzlich ereignet sich ein Erdbeben! (Ich schwöre einmal mehr – ich dichte NICHTS dazu!) Panik, Chaos, Aufruhr… aber nur in Alphies Fantasie, es war nur eine prophetische Vision. „Unterschreib! Unterschreib!“ drängt des Bösmanns Truppe, aber Alphie gleitet schon in die nächste Wahnvorstellung – der Himmel verdunkelt sich, ein ominöses Gewitter bricht aus und die Pappmache-Skyline vor Boogalows Bürofenster beginnt zu brennen… was die perfekte Überleitung in die nächste Song-and-Dance-Nummer ermöglicht… bis jetzt war der Film ja noch, hüstel, subtil, aber jetzt wird der große Holzhammer, Schlagfläche zwanzig Quadratmeter, rausgeholt (beim Notizenmachen war mich mir an dieser Stelle auch echt nicht mehr sicher, wie ich das sinnvoll nacherzählen soll). Okay, das ganze ist jetzt offensichtlich wieder oder immer noch eine Vision von Alphie und findet offenbar in der Hölle statt – klar, Boogalow ist eine mephistophelesische (puuh, ist das ein Wort??) Figur, hab ich ja auch schon verstanden, jaja, aber jetzt hat man ihm sogar noch die Andeutung von Hörnern verpaßt. Bibi ist in ein knackiges enganliegendes Trikot gehüllt, während Alphie nur mehr ein Feigenblatt vor dem Gemächte trägt. Dandi, den Satanas Boogalow als seinen Sohn vorstellt, reicht Bibi … den… Apfel!! (Nein, und Boogalows Gebrabbel von wegen „oder möchtest du zurück ins Paradies“ hätte es nun nicht wirklich noch zusätzlich gebraucht). „Taste it,“ fordert die chorus line und Dandi singt vom magischen, heiligen, Voodoo- usw. -Apfel. „Take a little bite, spend a splendid night!“ Dazu fährt die Hölle die ganze Bandbreite an Vampiren, Werebern, Hexen und fröhlich an ihren Galgenstricken zappelnden und mitsingenden Gehenkten auf. Ich bin in Bizarro-World gelandet und frage mich nicht zum ersten, aber ganz bestimmt nicht zum letzten Mal, ob die Produzenten dieses Films ihre LSD-Dosen sattelschlepperweise geliefert bekamen. Wer so eine Szene drogenfrei erdenkt, kann eigentlich nur in einer gut sortierten Gummizelle sein Dasein fristen (am rätselhaftesten bleibt mir allerdings die letzte Zeile des Songs, die mysteriöserweise „drink a pint“ lautet. Das erschließt sich mir nicht. Aber vielleicht bin ich auch nicht high genug).

Alphie beamt sich zurück in die Realität, knallt Boogalow den Vertrag auf den Schreibtisch und ist hier raus. Bibi, die ihren Servus unglückseligerweise schon unter den Kontrakt gesetzt hat, will ihm hinterherhecheln, aber Dandi und Pandi halten sie auf. „Er kann dir nicht mehr sagen, was du tun sollst und was nicht,“ erklärt Dandi und Pandi setzt noch einen drauf: „Du bist jetzt ein Mitglied der BIM-Familie. Ob es dir gefällt oder nicht!“ (Den Teil muss Moses Pelham gesehen haben, als er auf die Idee seiner 3P-Family kam. Der Naidoos Xaver kann ein soulig Lied davon knödeln. Oder besser nicht). Womit es Zeit für die nächste Musical-Nummer wäre (das ist rekordverdächtig, ungefähr dreißig Sekunden…) und die ist … ein Reggae! Ey man, bring out the bong… Zuständig für die Sangeseinlage ist erneut Mr. Boogalow persönlich, der uns versichert: „I know how to be the … MASTER!“ Dazu spielt sich eine gar entzückende Montage ab – Bibi im Studio, Bibi im Fitness-Studio, Bibi beim Tanzunterricht, Bibi beim Total-Makeover. Zack – und schon, noch vor ihrem ersten sangestechnischen Soloauftritt, ist Bibi ein Supermegastar (und zwar einer „von Amerikas beliebtesten“… das geht wirklich schnell da drüben, selbst hierzulande muss man wenigstens noch andeutungsweise so etwas wie einen Auftritt hingelegt haben, wird von Pressefritzen vor dem Studio interviewt und, huchelchen, wie indiskret, nach ihren Planungen bezüglich Ehe gefragt. „Sie ist bereits verheiratet,“ überrascht Boogalow, „und zwar mit BIM!“ (Und Ehrensache, dass Bibi längst die BIMmark trägt). Wieder dauert es keine Minute bis zur nächsten Musical-Einlage (wir wollen ja das werte Publikum nicht mit zu viel Story überfordern, gelle?), nämlich Bibis erstem Auftritt. Zu einer hochnotpeinlichen Biker-Choreographie, die den Village People alle Ehre machen würde, gibt Bibi in sexy outfit (gut, das steht ihr zumindest besser als es Nicole seinerzeit gestanden hätte, hüstel). Im Hintergrund steht die US-Flagge überdimensional rum und im Text lässt´s Bibi mit lyrischen Gemmen wie „America, land of the free“ und „I need spe-ee-ee-ee-heee-ee-heee-eeed“ richtig krachen. Pickelharter Powersound, tät´ mein alter Freund Michael sagen.

Es scheint einige Zeit ins Land zu ziehen. Wir befinden uns in Kreuzberg (oder Neukölln, aber dafür ist es zu sauber, höhö), äh, einem amerikanischen Arme-Leute-Viertel, wo eine ältere Dame mit ihren Einkaufstüten durch die Gegend wackelt, von einem Polizisten aufgehalten wird und ein Strafmandat aufgebrummt bekommt. Dabei hat sie nicht mal in der Einbahnstraße geraucht, sondern (ich würde ja sagen „festhalten“, wenn ich das nicht alle zwei Sätze sagen müßte) – sie trägt nicht das gesetzlich vorgeschriebene (!!) BIM-Abzeichen (!!!) – BIM hat also sichtlich mittlerweile die Weltherrschaft angetreten (oh Gott, zeigt diesen Film bitte NIE Dieter Bohlen! Der kommt noch auf Ideen!). Die ältere Lady, die sich keines Namens befleißigt, ist Alphies jüdische (oha) Hauswirtin/Oma/fürsorgliche Pflegerin/whatever. Alphie selbst liegt noch in den Federn (fauler Sack), wird rabiat geweckt (schließlich ist die Miete fällig), aber er hat einen neuen Song komponiert (welch´ Glanzleistung!). „Warum schreibst du nicht einfach die Scheiße, die die Leute hören wollen, und zahlst die Miete?“ fragt die Landlady nicht ganz unberechtigterweise (der Film war etwas zu optimistisch… 1994 war die Popmusik zwar auch nicht so gut wie 1984, aber immerhin noch nicht ganz die Kacke, aber noch nicht der hirnverbrannte Unsinn, den sie anno 2004 darstellt – den Film zehn Jahre später angesiedelt, und wenigstens der Plotpunkt käme hin). Alphie kann jedoch von seiner künstlerischen Integrität nicht lassen und, seufz, eigentlich ist das der Dame auch ganz recht so, denn ihr hat sein neues Liebeslied, mit dem er ihr die Nachtruhe versaut hat, ganz gut gefallen. So gut, dass er spontan zu seiner Akustikklampfe greift und es in die Kamera trällert: „Where has the love gone?“ (ooch, der arme Kerl hat Liebeskummer… er leidet mir aber tut!) Nun, den Song müssen wir uns zwar ganz anhören, aber nicht seine Vermieterinnen-Performance betrachten, denn uns Held läuft zu den Klängen des Songs durch Berlin (am Kanal entlang, und ich finde die Kinderwägen des Jahres 1994 ganz entzückend… das sind mit Goldfolie umwickelte Pappquader auf Rädern mit Glaskuppeldächern. Tres cool). Geschickt zieht der Film Nutzen aus einer der von jedem Touristen damals gern genutzten Sehenswürdigkeit der Berliner Magnetbahn (die so zukunfts- und richtungsweisend war, dass sie nie über eine Drei-Haltestellen-Strecke hinauskam und schon vor Jahren abgewrackt wurde, was ich persönlich als Fan des Dings hochgradig schade fand… naja, aber vermutlich hatte die Tatsache, dass dieses skurrile Bestandteil des Berliner ÖPNV eines weniger schönen Tages seine Endhaltestelle verfehlte, was mit der Abschaffung zu tun). Mit der Bahn fährt Alphie in ein Studio und flötet sein hübsches Lied einigen Produzenten vor – mit den zu erwartenden „rufen sie nicht uns an, wir rufen sie an“-Resultaten und dem gut gemeinten Ratschlag, als nicht untalentierter Komponist und Sänger solle Alphie sich doch mal umhören, was momentan gefragt sei, dann klappt´s vielleicht auch mal mit´nem Vertrag. Frustriert tritt Alphie den Heimweg an und bekommt wegen Nichttragen des BIM-Stickers einen Strafzettel, den er entschlossen zerreißt (boah, jetzt hast du´s dem System gegeben, Junge!). Aber es kommt noch schlimmer (vor allem für den eh schon am Daumen lutschenden Zuschauer), denn es droht die „Nationale BIM-Stunde“, jeden Tag um 4 Uhr nachmittags, und die wird countdownzählenderweise eingeläutet. Jedermann hat zur BIM-Stunde der „Nationalen Fitness-Bewegung“ sofort alles stehen, liegen oder fahren zu lassen, jegliche Arbeitsleistung einzustellen und zu den Klängen von „BIM´s on the way“ Aerobic zu betreiben (aaargh, in der Zukunft begehe ich Selbstmord!). D.h. der Verkehr kommt zum Erliegen, weil alle Autofahrer aussteigen müssen (es ist absolute gesetzliche Verpflichtung und wird vermutlich bei Todesstrafe überwacht), die Feuerwehr muß die Brandbekämpfung einstellen und sogar die Ärzte im OP ihren aufgeschnippelten Patienten liegen lassen (macht aber nix, der Patient zuckt fleißig mit im Takt). Komischerweise scheint die komplette Bevölkerung das absolut okay zu finden und zieht enthusiastisch-begeistert mit. Das BIM-Theme singen aber mittlerweile nicht mehr Dandi und Pandi, sondern Bibi! (Und glaubt mir, dass ich mir absolut doof vorkomme, inflationär Namen wie „Alphie“, „Dandi“ und „Bibi“ zu tippen. Aber immerhin, bis jetzt hab ich mir „Bibi Blocksberg“-Witze verkniffen. Kann aber nicht garantieren, dass ich das durchhalte). Alphie stolpert vor ein Bibi-Billboard und ist wenig begeistert, wird aber, bevor er darüber in eine Sangeseinlage ausbrechen kann, von einer Horde kreischender Fans überrannt – die wollen nix von ihm, versteht sich, sondern von den BIMs, die gerade das Studio verlassen. Dandi und Pandi geben ein paar Autogramme, aber als Bibi auftaucht, stehen die Ex-Stars plötzlich recht allein und verlassen rum… ich würde sagen, die sind OUT! Bibi erspäht Alphie inmitten der Menge, aber, sie können zueinander nicht kommen, die Bodyguards (die aus Gründen mir sich nicht ganz erschließender Symbolik offenbar ausschließlich über zwei untere Schneidezähne verfügen) lassen es nicht zu. Alphie greift sich ersatzweise Dandi und versucht, ihn ein wenig zu verprügeln, aber die BIM-Gorillas zeigen unserem Gutmenschen schnell, wo´s in Punkto Schlägeverteilung lang geht. „Du lernst aber nie dazu,“ kopfschüttelt Shake den in jeder Hinsicht Niedergeschlagenen an.

Alas, Bibi ist einerseits sauer auf die Bodyguards und andererseits ernsthaft erkenntnisgerührt – ergo: insert sad ballad here. „Alphie, where are you now? Will I ever see your face again? Your love was no match for their evil, I wish that I was dead,“ herzschmerzt sie in die regnerische Nacht hinaus. „You were my only hope, cry for me!“ (Jammern auf hohem Niveau, nennt man das wohl). Alphie, der als begossener Pudel durch die Nacht nach Hause schleicht, stimmt in die traurige Nummer ein (und er hat wenigstens Grund dazu, deprimiert zu sein): „Bibi, can you hear me now? They got my back against the wall, I have no place to turn to now…“ (mir kullert die einsame Träne des Mitleids die Wange runter, newa). Es ist ergreifend, es ist dramatisch, es ist herzerweichend.

Alphie schleppt sich in seine Bude, wo er von der mieteinnahmenerwartenden Dame erwartet wird, die ob des Anblicks des Vermöbelten entsetzt ist: „Wenn du dich umbringen willst, spring von einer Brücke. Ich will nicht den Bullen erklären müssen, dass ich dich nicht der Miete wegen umgebracht habe!“ Aber, wir ahnen es ja längst, die Vermieterin ist´ne Gute mit dem Fleck am rechten Herzen, äh, umgekehrt, pflegt des gestrauchelten Helden Wunden und füttert ihn mit Hühnersuppe. „Ihr jungen Leute seid doch alle meschugge,“ meint sie und ich kann ihr nicht widersprechen. Und sie hat wirklich den Durchblick, hat sie doch kapiert, dass Alphie liebeskummertechnischen Trübsinn bläst. „Ruf doch du SIE an“, schlägt sie vor, aber Alphie ist sich sicher, dass das knallharte BIM-Management das nicht zulassen wird. „Dann schwing deinen Hintern in Bewegung und FINDE SIE!“ Klar, auf einen solch raffinierten Plan kann uns Alphie schwerlich von selber kommen, da braucht man schon ein Superhirn.

Alphie sucht daher Boogalows Wohnstube (den schon erwähnten Bierpinsel, da möcht´ ich auch mal wohnen können) auf, wo Shake ihn in bester Partystimme freundlich hereinbittet. Natürlich ist in der Tat eine Feier angesagt, allerdings nach erster kurzer Umschau scheint Shake der Organisator zu sein, denn es handelt sich um einen erstklassigen Tuntenball. Pandi greift sich den mit der Situation überforderten Alphie, bevor er zum Opfer einiger Transvestiten wird und schleppt ihn an die Bar, wo Alphie seinem Antialkoholismus untreu wird und Joe Pittman (you remember him) als Barkeeper arbeitet. „Ihn haben sie also auch gekauft,“ brummt Alphie, während er am von Pandi bestellten Spezialdrink nuckelt. „Ich habe seine Zeitung gekauft,“ lächelt Boogalow vielsagend. Wo er Mr. BIM schon mal persönlich vor der Flinte hat, fällt Alphie auch sein eigentliches Anliegen wieder ein – er möchte, dass Boogalow Bibi aus dem Vertrag entläßt. „Hast du sie vielleicht schon mal gefragt, ob sie das will?“ entgegnet Boogalow diabolisch (obwohl er streng genommen ja völlig Recht hat). Würde Alphie ja gern machen, wenn er wüßte, wo sein Mädel ist. Pandi bietet sich selbstlos an, mit ihm auf die Suche zu gehen – und ein wenig moralischen Beistand hat Alphie auch wirklich nötig, denn Pandis Spezialdrink hat´ne ganz üble Wirkung auf den Geisteszustand unseres Helden und seine sensorische Wahrnehmung. Erste Disco-Töne (mit einer Bassline, die mich an Nick Strakers „A walk in the park“ erinnert… leider weiß ich nicht auswendig, von wann der Klassiker stammt) auf dem Soundtrack kündigen die nächste musikalische Einlage an, während Alphie von Tunte zu Tunte stolpert und von Pandi unauffällig in ihr eigenes Schlafgemach gelotst wird, wo sie sich und ihn aus den Klamotten schält und ihn zwecks jugendfreier Sexszene ins Bettchen zerrt – der Disco-Soundtrack fiedelt Gestöhne wie zu besten Donna-Summer-Zeiten ein, Alphies Widerstand hält sich in Grenzen, dazu hat er Visionen von Synchron-Beischlaf-Orgien, in deren Mittelpunkt latürnich Bibi steht und die in einem zehnfach gestöhnten Simultan-Orgasmus „Aiiiiiiaaaahhh!“ enden. Sick stuff. Alphie rappelt sich aus und stürzt sich durch eine Glastür in eine reichlich grüne Kemenate (Farbfilter rult), in der es Bibi gerade mit Dandi treibt und ihren Ex-Sangespartner leicht deliriös mit „Wer bist du? Geh weg!“ schockiert. Alphie ist moralisch am Boden zerstört und nächtigt auf einer Parkbank (im Tiergarten).

Wo Alphie am nächsten Morgen von einem zotteligen, vollbärtigen und generell ungepflegt wirkenden Rübezahl älteren Baujahrs aufgespürt wird. Rübezahl erkennt auf den erste Blick, dass es sich bei Alphie um eine verlorene Seele handelt und nimmt ihn unter seine Fittiche, was sich darin äußert, dass er ihn zu seinen Leuten bringt. Die hocken ungefähr hundert Mann stark Händchen haltend auf einer Lichtung, begrüßen den Neuankömmling mit dem Peace-Zeichen und werden von Rübezahl als „Flüchtlinge aus den 60er Jahren“ identifiziert, oder, wie man sie gemeinhin beziechnet „Hippies“. Ja, eine Kommune, freie Liebe, Woodstock und so… Rübezahl weist Alphie gleich mal das Mädel Lotosblüte als Begleiterin zu.

Im Hauptquartier von Evil Inc., äh, BIM, versucht Shake etwas out-of-character Bibi zum gemeinsamen Saunieren zu überreden. Bibi erzählt aber lieber Pandi von ihrem seltsamen Traum, Alphie sei am letzten Abend hiergewesen. „Das kommt, weil Alphie gestern abend hier war,“ bringt Pandi Bibi auf den neuesten Stand und verblüfft uns und die Kollegin damit, wissenschaftlich ermittelt zu haben, dass Alphie Bibi immer noch liebe. „Geh und finde ihn,“ empfiehlt die spontan zur Gutmenschin Konvertierte (oder vielleicht macht sie sich ja auch nur Hoffnungen, den Top Spot als Publikumsliebling wieder übernehmen zu können). Shake glaubt, nicht richtig zu hören, aber nein, Pandi meint´s ernst: „Ich bringe dich hier raus!“

Währenddessen löst eine Polizeistreife das gemütliche Hippie-Sit-in auf. „Wenn du uns suchst, findest du uns in den Höhlen unter der Brücke,“ flüstert Rübezahl Alphie ins Ohr (hoffentlich hat jemand dem armen Alphie erzählt, dass Berlin mehr Brücken als Venedig hat. Kann er lange suchen, hehe). Bei den Bösen stellt sich Bodyguard Bulldog der ausreisewilligen Bibi in den Weg, aber hochgradig seltsamerweise befiehlt Shake, sie passieren zu lassen. „Geh, für mich ist es zu spät!“, drängt Pandi melodramatisch (nachdem sie sich von Shake eine saftige Watschn eingefangen hat), „und komm nie zurück!“ Bibi haut ab, Pandi bekommt noch eine gescheuert und kann dann ihre große Solonummer anstimmen (woha, ZWEI traurige Balladen, jetzt wird aber auf die Tränendrüse gedrückt). „Something happened to me,“ heult Pandi, „I´m not the same anymore, I was so empty, now I´m full of feelings again…“ Ja, Pandi hat (durch Sex mit Alphie? Der Junge muß wirklich entweder ´ne Oberniete oder ´ne Rakete im Bett sein) ihre persönliche Katharsis und Läuterung erfahren. Bibi irrt durch die Stadt (und wenn wir schon eine Magnetbahn in selbiger haben, können wir die ja auch noch mal dekorativ verwenden) und findet sich schließlich in Alphies Bude ein – aber Alphie doesn´t live here no more (mit EXAKT diesen Worten klärt die Vermieterin die Verhältnisse), doch, Zeus sei´s getrommelt und gepfiffen, die Landlady hat was läuten hören, dass Alphie jetzt mit den „alten Pennern unter der Brücke“ abhängt (wie schon gesagt, in Berlin gibt´s sprichwörtlich trölfzigtausendionen Brücken, und unter den meisten residieren Obdachlose). Bibi stimmt in Pandis immer noch im Hintergrund dudelnden Song ein: „I´ve seen the light, healing me, revealing me… I found me!“ Naja, erst mal findet Bibi die bewußte Brücke und Rübezahl, der genau weiß, wen sie sucht und sich bereit erklärt, sie zu Alphie zu führen – in die Höhlen (okay, jetzt bin ich überfragt – ob´s solche gigantischen Höhlen tatsächlich unter irgendwelchen Berliner Brücken gibt, hab ich noch nicht herausgefunden. Ich werde das von nun an bei jeder von mir über- oder unterquerten Brücke prüfen). Bibi ist von den steinzeitlichen Verhältnissen, in denen die Hippie-Kommune lebt, entsetzt. „Diese Leute mögen kein Fernsehen,“ erklärt Rübezahl, dafür aber wird auf der Sitar gezupft und, nein, Rübezahl fängt an zu singen… seine große Nummer hat aber gottlob nur eine Textzeile namens „Child of love“ und ist mehr ein meditativer Chant. Herzergreifende Wiedersehensszene – Alphie rupft in einem schweren Akt der Symbolik (oder in einem Akt der schweren Symbolik, sucht´s Euch aus) Bibi die BIMmark von der Stirn, und dann kann umarmt werden.

In einer besseren Welt wäre der Film jetzt zu Ende (oder hätte gar nicht erst angefangen), aber Menahem Golan setzt noch einen drauf… ein knappes Jahr später. Die Hippies hängen fröhlich im Tiergarten, äh, Park, rum und freuen sich ihres Lebens. Alphie hat sich einen Bart stehen lassen und Bibi ein Kind gemacht. Doch es naht Unheil – das Geräusch von Schlagstöcken auf Polizeischilder… die Staatsmacht greift an (Logo #1: Die Polizeischilde sind dreieckig und tragen das BIM-Emblem; Logo#2: Polizeioffiziere tragen Gestapo-Uniformen). „Keine Panik,“ rülpst Rübezahl, während er und seine Hippiemeute nach bewährter Berliner Polizeitaktik eingekesselt werden. Im Schlepptau hat die Polizeistreitmacht Boogalow und seine Anwälte und sie wollen… BIBI! (Argh! Doch schon nach einem Jahr). Alphie will erst den Helden spielen, aber Bibi tritt freiwillig vor. Boogalow fordert von Bibi schlappe 10 Millionen Dollar (vermutlich Vertragsstrafe, tja, kommt davon, wenn man das Kleingedruckte nicht liest). „Das ist alles?“ fragt Rübezahl und fast hätte ich vermutet, er würde jetzt locker sein Scheckbuch aus der Brusttasche ziehen und eine 1 mit vielen Nullen auf´s Papier malen, aber statt dessen macht er nix weiter und läßt sich mitsamt seiner kompletten Kommune widerstandslos verhaften (Ghandi, elender!).

An dieser Stelle hielt ich zwei mögliche „Finales“ für möglich – Variante A) Die ganzen Hippies werden von der Polizeistreitmacht an Ort und Stelle exekutiert, fahren in den Himmel auf und feiern dort eine großkalibrige Song- und Dance-Nummer oder Variante B) Die Polizeistreitmacht karrt die ganzen Hippies in ein KZ und sie feiern DORT eine großkalibrige Song- und Dance-Nummer. Alas, ich wurde enttäuscht, denn Menahem Golan hat noch eine viel viel abgefahrenere Variante C auf Lager, auch wenn die, und das zieht mir nun wirklich die Wurst vom Teller, KEINE Song- und Dance-Nummer beinhaltet. Wie soll ich das überleben? Kein Song mehr! Argh!

Während der Polizeikordon die Kommunarden abführt, wispert Alphie seinem besorgten Schatzi ins Ohr, dass keinerlei Grund zu Veranlassung bestehe, Mr. Topps werde schon noch kommen, da sei er ganz sicher. Während Bibi und ich einsamer Zuschauer, der bis hierhin durchgehalten hat, uns noch fragen, wer zum Geier denn Mr. Topps nun wieder ist (nett von Alphie, dass er dieses Geheimnis, in das er selbst von Rübezahl offenbar schon am ersten Tag eingeweiht wurde, ein ganzes Jahr lang vor seiner Holden bewahrt hat), kommt der auch schon angerauscht, und zwar (und falls Ihr glaubtet, bisher wäre dieser Streifen faaaar out gewesen, solltet Ihr Euch besser noch mal vergewissern, ob Ihr gut und sicher sitzt) in einem goldenen Rolls-Royce vom Himmel hoch (mittels eines schäbigen Spezialeffekts, der bei Roger Corman anno 1960 nicht in den Endschnitt gekommen wäre). Die Lichtgestalt Mr. Topps beamt sich auf die Erde (und ich hoffe, ich muß Euch keinen Nachhilfeunterricht in Punkto Symbolik geben… Mr. TOPps, Mr. BoogaLOW… klingelts? Klingelts? – Ich weiß, ganze Glockenspiele…). Die Staatsmacht möchte Topps umgehend festgenommen wissen (hm, wegen Falschparken kann´s nicht sein, der Rolls hängt immer noch halbtransparent in 20 m lichter Höhe), doch der ausführende Beamte klagt plötzlich über paralysierte Beine. Topps fordert Alphie auf, samt Weib und Kind mit ihm zu kommen und schnippt dem protestierenden Boogalow noch den Haftbefehl für Bibi aus der Hand. Und nicht nur Alphie und seine Family sind eingeladen, auch alle anderen Hippies. Die lassen sich nicht zweimal bitten und laufen umgehend direkt in den Himmel (die Spezialeffekte spotten jeglicher Beschreibung) – spontan schließt sich auch Pandi an (ooooohhhhh! Das ist aber lieb! Aber was machte die Schickse eigentlich bei der Verhaftung?) „Wohin bringst du sie?“ erkundigt sich Boogalow bei Dem-von-da-oben, „auf einen neuen Planeten?“ (!!) „Vielleicht,“ sinniert Topps. „Also fangen wir wieder ganz von vorne an,“ stellt Boogalow fest und richtet sich mental wohl schon einen neuen Fünf-Millionen-Jahres-Plan ein. „Ja, aber ohne dich,“ rückt Topps die Verhältnisse gerade. Der Bösewicht ist schockiert: „Aber es funktioniert nicht ohne mich!“ Topps ist aber experimentierfreudig: „Wir können´s ja mal versuchen…“. Sprachs, schwingt sich in seinen himmlischen Gold-Rolls und fährt auf in die elysischen Gestade, während die Bösewichter allein zurückbleiben … Ende. Ich bin baff.
Bewertung

Tag 1 nach The Apple (nein, die Analyse konnte ich unmöglich noch am gleichen Tag machen), my life will never be the same. Ich kann mich nur wiederholen: was für ein Kraut haben Menahem Golan und seine Komplizen geraucht, bevor und während sie diesen Film realisierten? Und vor allem, wie kamen sie auf die Idee, The Apple könnte ein Publikumsinteresse erweckender Titel für eine fetziges Musical sein?

Dieser Film ist so bizarr, so seltsam, so ausgeflippt, so unnachvollziehbar, wie ich es kaum mit einem anderen Streifen vergleichen könnte. The Apple steht so über dem Feld von mitkonkurrierenden üblen Musicals wie Xanadu oder Can´t Stop The Music wie Der Pate über allen anderen Mafiafilmen und Apocalypse Now über allen Vietnamepen. Das ist eine Liga vor sich allein.

Wo fangen wir an? Oder besser, wie fangen wir an? Wie kann man überhaupt versuchen, ein paar rational klingende Worte über diese einzige Orgie des aus sehnervsprengenden Klamotten, gnadenlos-schaurig-schönen Gesangsnummern und glitzernder Las-Vegas-Choreographie zu verlieren? Ich weiß es nicht. Versuchen wir es einfach mal mit der „Story“ – wie die besten Musicals bemüht sich The Apple, seine Story durch die Songs zu erzählen, was einerseits klappt (der Zuschauer, so er nicht sicherheitshalber geistig auf Durchzug geschaltet hat, was man durchaus verstehen könnte, kapiert die Geschichte problemlos, aber er würde sie vermutlich auch verstehen, wenn die Songs auf Suaheli dargeboten würden, so subtil wird hier aufgetragen), andererseits aber auch eben nicht, weil die Story eben *so* simpel ist – immerhin, die gute alte „Unschuld-vom-Lande-kommt-in-die-große-Stadt-und-Glitzerwelt-hat-Erfolg-aber-wird-dadurch-unglücklich“-Geschichte so unverschämt-offensichtlich mit religiösen „Adam-Eva-Paradies-Schlange-Apfel“-Motiven zu verbinden, verdient den ein oder anderen Anerkenntnispunkt für Frechheit (die zentrale und eben diesen Plotpunkt vermittelnde Songnummer, in der Bibi den Apfel gereicht bekommt, sollte unvorbereitete Gemüter zu spontaner Selbstentzündung veranlassen können). Ich kann mich rein spontan nur an einen ähnlich gelagerten Film, allerdings mit deutlich messianischeren (also neutestamentarischen) Zügen erinnern, Adriano Celentanos ebenfalls kurioses, aber ungleich ernsthafteres moderenes „Jesus“-Musical Joan Lui, der auch seine Momente gepflegten Irrsinns aufzuweisen hat, aber in Punkto Abgespacedheit natürlich nicht mal eine 60-m-Sprintstrecke mit The Apple mithalten kann (dafür aber etwas geschmackvollere Musik zu bieten hat, teilweise, zumindest).

Wir wollen aber nicht über Joan Lui reden, sondern über The Apple. Seine Botschaft vermittelt der Streifen nicht mit dem Holzhammer, sondern mit der Dampfwalze – wobei kurios ist, dass der Film ersichtlich seine Message mit den Mitteln zu verbreiten sucht, die er eigentlich anzuprangern gedenkt. Discomusic ist des Teufels (verdammt, jetzt müssen aber Tausende von Black-Metal-Bands schleunigist umsatteln… das Umdenken in der Satanistenszene wird gigantsich sein) und Drogen sind´ne schlimme Sache. Und das in einem Film, der zu 90 % Discomucke präsentiert und nur auf Droge überhaupt so etwas wie einen Sinn ergeben kann. Und um in den Himmel aufzufahren (oder auf einen anderen Planeten, ist ja eigentlich auch nicht wurscht), brauchen wir uns nur nicht mehr zu waschen oder zu rasieren, halten im Park Händchen (sofern wir uns nicht gerade in einen Hundehaufen setzen) und wohnen unter Brücken. Na danke, ich glaub, da bleib ich doch lieber in meiner Wohnung mit Kabelanschluß und Badewanne. Die üblichen Verdächtigen an nebensächlichen Plotelementen darf nicht fehlen – ich finde es allerdings schon etwas erstaunlich, dass ein israelischer Filmemacher wie Menahem Golan, der sich in seiner späteren Regiekarriere auch durchaus seriös in seinen Arthouse-Dramen mit dem Holocaust auseinandergesetzt hat, so leichtfertig (oder meinte er das am Ende auch noch ERNST? Das, Freunde, wäre allerdings wirklich ein erschreckender Gedanke) mit faschistischen Parallelen (totalitäres Regime, ein „Symbol“ der entsprechenden politischen Umgebung, die Uniformierung der Offiziere, und, das ist ein ganz kleines Nebenbeichen, aber es fällt mir auf, die jüdische Vermieterin) spielt – nicht falsch verstehen, ich selbst hab damit in einem Unterhaltungsfilm keine Probleme, es wundert mich einfach nur (sicherlich unterstreicht es die sehr schwerhändige Symbolik, I understand that).

Das Ende ist natürlich dann ein echter Bringer – wenn mit absolut unspeziellen Spezialeffekten, die ungefähr auf dem Niveau der späten Stummfilmzeit liegen, die wahrhaft Gläubigen (also Nicht-Disco-Tänzer) in den Himmel auffahren, dann liegt das geneigte Publikum, soweit es bis dahin durchgehalten hat, entweder ungläubig staunend oder hysterisch gröhlend auf dem Saalboden und wälzt sich in Zuckungen… Man kann sagen, was man will – es ist nicht vorherzusehen, kommt vollkommen überraschend und kassiert jegliche, wie auch immer geartete Seriösität (bis dahin ist der Streifen zwar ausgesprochen, eh, originell, könnte aber immer noch als grandios fehlgeschlagene, aber vielleicht mal gut gemeinte als Unterhaltungsfilm getarnte Anti-Kommerz-Message verstanden werden – insofern wäre das auch wieder lustig, weil Cannon sich in der Folgezeit zur wirklich reinen Kommerzfabrik entwickeln sollte) ein und hebt den Film in völlig neue Sphären – wäre The Apple mit Bibis und Alphies Wiedersehen zu Ende, könnte sich kein badmovie-Freak beschweren, das wäre auch so schon ein ultimativer Klassiker, aber mit diesem Finale (auch wenn ich es wirklich übelnehme, dass kein großes Song- und Tanz-Spektakel den Streifen abschließt… das wußten sogar die Filipinos, die Batman und Robin musicalisierten) macht sich der Film endgültig und vermutlich unerreichbarerweise konkurrenzlos. Hat man noch nicht gesehen, wird man nie wieder sehen…

Für mich als (zugereisten, zugegeben) Berliner ist es natürlich auch reizvoll, die Locations wiederzuerkennen – Golan versucht sich mit eher mäßigem Erfolg an einer Reproduktion des Erfolgsrezepts von Norman Jewisons Rollerball – Jewison drehte seine sportliche Sozialsatire in den „futuristischen“ Bauten Münchens, wobei Olympiahalle, BMW-Hochhaus und ähnliche Späße aber doch noch eine deutliche Ecke spaciger sind als die Berliner Bauten (ICC und Bierpinsel vielleicht mal ausgenommen, aber die BIM-Zentrale ist ein relativ handelsübliches Bürohaus, das auch 1980 keine Bäume ausgerissen haben dürfte… und an den Anblick von Rolltreppen dürfte sich das gemeine Publikum in dieser grauen Vorzeit auch schon gewohnt haben). Lustig ist die Magnetbahn (schnüff, sie möge in Frieden ruhen) und ob Kreuzberger Seitenstraßen, selbst anno 1980, so täuschend ähnlich wie New Yorker Ghettos aussehen, wage ich dezent zu bezweifeln. Immerhin gelingt es Menahem Golan, einen hübschen Berlin-Film zu drehen, auch wenn er in den USA spielen soll (übrigens nahmen die deutschen Mitproduzenten nach Ansicht des fertigen Produkts wissenderweise von einem Kinostart Abstand und verhökerten den Streifen unauffällig an die Videobranche).

Damit sind wir auch schon bei den technischen Aspekten. Die Ausstattung des Streifens ist schwankend aufwendig – während an Kostümen und Make-up sicher kein Dollar zweimal umgedreht wurde, sondern eine absolute anything goes-attitude, je ausgeflippter, je besser, umgesetzt wurde, hält sich der futuristische Look ansonsten in Grenzen – „futuristische Autos“ sind, wie erwähnt, handelsübliche Kaleschen mit angepichelten Pappmache-Gadgets und Plastikspoilern, ansonsten bemüht sich der Film nicht wirklich um SF-Elemente (für ´nen, allerdings unkommentierten, Eintrag bei Hahn/Jensen hat´s allerdings gereicht). Kameraführung und Schnitt können mit der inhaltlichen Insanity auch nicht Schritt halten – der Streifen wird relativ konventionell abgefilmt, nur einige wenige Male müht sich der Editor um einen vorwitzigeren Schnitt in den Musiknummern – ist aber vielleicht auch ganz gut so, denn zusätzlich zum Content jetzt auch noch innovativer, ausgeflippter Style, das würde selbst den aufgeschlossensten und zugekifftesten Konsumenten schwer überfordern (man stelle sich den Film, nur mal für fünf Sekunden, MTV-mäßig geschnitten vor… da müßte man wirklich die Männer mit den weißen Jacken in Bereitschaft halten). Als Komponist stellt sich übrigens George S. Clinton vor, der später zahlreiche Cannon-Klopfer wie American Ninja vertonte – also, üble Disco-Mucke kann er schreiben…

Kommen wir zu den Songs. Eine gewisse Affinität zur bewährt-geschmacklosen Disco-Mucke der End-70er ist schwer anzuraten, wenn man aber aus eigener Erfahrung weiß, dass man ein Medley aus Silver Convention, Baccara und Donna Summer überleben kann, ist man auch in der Lage, sich dem Soundtrack von The Apple auszusetzen. Etliche der Songs sind auf eine perverse Art und Weise quite catchy („BIM´s on the Way“, „I know how to be the Master“) – nicht im entferntesten mit „guter Musik“ zu verwechseln, aber von dieser bizarr-abartig-kranken Anti-Qualität, die einen Song schon wieder zum echten Hinhörer machen können. Ob die Darsteller selbst singen (bis auf Boogalow, der mehr spricht als singt, und den Hippie-Führer sind die Vokalisten gar nicht mal so schlecht), konnte ich nicht eruieren – nur bezüglich Catherine Mary Stewart (Bibi) kreditiert der Abspann eine Sängerin. Gelegentlich ist das ganze von den Lippenbewegungen her nicht synchron, aber das hat man auch anderswo schon gesehen und wird von mir dem Film nicht zum Strick gedreht.

Darstellerische Leistungen: Die schon erwähnte Catherine Mary Stewart feierte mit diesem Film ihr Debüt, und entweder haben manche Hollywood-Produzenten mehr Humor als man denkt oder Catherine verschwieg dieses Werk in ihrer Bewerbungsmappe, denn sie machte in den 80ern eine kurze, aber recht heftige Karriere mit einprägsamen Auftritten in The Last Starfighter, Dudes, Nightflyers und Weekend at Bernie´s – keine absoluten A-Projekte, aber immerhin Sachen, die erfolgreich genug waren, dass man sie heute noch kennt und (zumindest was Starfighter und Bernie´s angeht, semikultisch verehrt). Natürlich hat sie in The Apple nicht mehr zu tun, als sexy auszusehen, was ihr mühelos gelingt.

Filmpartner George Gilmour (Alphie) war weder vor- noch nachher jemals wieder vor der Kamera zu sehen, was auch für „Pandi“ Grace Kennedy gilt. Ob The Apple hier der Karrierekiller war oder die beiden schlichtweg keine Lust hatten (was man nach einer Erfahrung wie diesem Film auch wieder verstehen könnte), ist mir unbekannt – Gilmour ist sicher nicht der überragende Darsteller, aber auch hier hat man schon schlimmeres gesehen und – das muß einfach mal gesagt werden – Musicals sind per se nicht gerade Schauspielerkino, und wenn man dann noch eins von dem hier verschossenen Kaliber zu spielen hat… wer schafft es, da heil rauszukommen?

Für „Dandi“ Alan Love (Typ eher talentfreier Schönling) kreditiert die IMDB immerhin noch zwei mir vollkommen unbekannte Filme namens Gregory´s Girl und That Sinking Feeling (das hatte Love sicher nach dem Apple-Dreh hinsichtlich seiner Karriere). Ray Shell (Shake) scheint dem Vernehmen nach ein Bühnen-Musical-Darsteller zu sein (wohl immerhin gut genug, um für Andrew Lloyd Webber auf der Bühne zu stehen) und staubte 1998 eine Rolle in Velvet Goldmine ab – eine solch exaltierte Tuntigkeit, wie er sie hier an den Tag legt, eh, kann man die spielen?

Was den Hauptdarstellern an filmischer Qualifikation abgeht, erfüllen die Chefs der Gut- und Böse-Fraktionen. „Boogalow“ Vladek Sheybal war sogar schon in From Russia with Love zu sehen und entwickelte sich zum vielgefragten character player, der praktisch überall auf der Welt im Einsatz war – unmittelbar vor The Apple spielte er in Shogun, danach z.B. noch in Red Dawn. Sheybal, ein gebürtiger Pole, hat den diabolischen Mephisto-Look ganz gut drauf, aber es mangelt ihm ein wenig an Ausstrahlung, aus einer ganz netten Performance eine GROSSE (d.h. Oliver-Reed- oder Donald-Pleasence-mäßige) Performacne zu machen. Seinen Widerpart Topps (und den Hippie-Leader) gibt der Veteran Joss Ackland, der 1950 debütierte, in den 60ern hauptsächlich für´s britische Fernsehen drehte und in den 70ern auch viele Kinorollen übernahm, so z.B. in Royal Flash, One of our Dinosaurs is Missing, Who is Killing the Great Chefs of Europe?. In den späten 80ern rief Hollywood und Ackland gab in etlichen größeren Filmen gerne mal den Russen, so in Hunt for Red October oder K-19: Widowmaker, aber auch Bill und Teds Feind DeNomolus in Bill & Ted´s Bogus Journey. Außerdem war er in Disneys Mighty Ducks-Reihe und in Shadowchaser am Start – ein breites Publikum kennt ihn vielleicht auch aus dem Pet Shop Boys-Video Always on my Mind („I´m a bilinguist – I can´t read in two languages“). Jetzt hab ich über den Kerl mehr geschrieben, als er angesichts seiner Screentime und seiner darstellerischen Leistung in The Apple verdient…

Erstaunlicherweise scheint sich The Apple in den USA mit leichter Verspätung zu einem Rocky-Horror-ähnlichen Kultphänomen zu entwickeln. Die-Hard-Apple-Fans brachten den Streifen 2003 erstmals wieder ins Kino, mit so beachtlichem Erfolg, dass MGM, bekanntlich Inhaber des Cannon-Rechte-Stamms, sich bemüßigt fühlte, einen neue vorzeigbare 35-mm-Kopie für den Kinoeinsatz zu erstellen. Dann kann´s bis zur Widescreen-Special-Edition-DVD mit Audiokommentar, seperater Soundtrack-Spur, Making-of und Interviews doch eigentlich nicht mehr lange dauern und, Leute, dann bin ich SO da…

Fazit: The Apple ist lustiger als Schindler´s Liste, spannender als eine bayerische Landtagswahl, bunter als Derek Jarmans Blue, musikalischer als Daniel Kübelböcks Greatest-Hits-Album, intelligenter als ein Ninja-Film von Joseph Lai und bekiffter als die Hanfparade – so what´s not to like? Der Doc hat jedenfalls einen neuen Film gefunden, der zum Pflichtprogramm für jedes Forumstreffen werden wird (har-har) – wer irgendwie die Möglichkeit hat, an den Film ranzukommen, sollte es tun – es ist eine wirklich bewußtseinserweiternde Erfahrung, mit nichts zu vergleichen. Ein Wahnsinns-Trip, den man genießen sollte… Pflichtprogramm!

(c) 2003 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 8

BIER-Skala: 9


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