Ratatouille

 
  • Original-Titel: Ratatouille
  •  
  • Regie: Brad Bird
  • Land: USA
  • Jahr: 2007
  • Darsteller:

    Drehbuch: Brad Bird, Jim Capobianco, Jan Pinkava

    Darsteller: Patton Oswalt/Axel Malzacher (Rémy), Lou Romano/Stefan Günther (Linguini), Ian Holm/Gudo Hoegel (Skinner), Janeane Garofalo/Elisabeth von Koch (Colette), Brian Dennehy/Harald Dietl (Django), Peter Sohn/Manuel Straube (Emile), Peter O’Toole/Jürgen Thormann (Anton Ego), Brad Garrett/Donald Arthuer (Auguste Gusteau), Will Arnett/Tim Mälzer (Horst) u.a.


Vorwort

Auf einem gemütlichen Hof in der französischen Provinz: Die Ratte Rémy ist nicht nur mit einem ausgesprochen feinen Geruchssinn ausgestattet, sondern hängt auch einer grossen Leidenschaft für gutes Essen nach, womit er bei seinen müllfressenden Artgenossen allerdings auf wenig Verständnis stösst. (Mit seinen Fähigkeiten als Rattengift-Aufspürer können sie schon eher was anfangen.) Schlussendlich bringt er es durch kulinarisch bedingte Sorglosigkeit sogar fertig, dass sein gesamter Clan auffliegt und durchs Abwassersystem flüchten muss, wobei er von Familie und Freunden getrennt wird und nun gänzlich alleine auf der Welt umher irrt.

Doch das Schicksal ist ihm hold: Er landet zufällig in Paris und dort im Restaurant von Auguste Gusteau, dem Meisterkoch, den er seit jeher über alles bewundert hat. Dieser ist allerdings kürzlich verstorben; um das Erbe kümmert sich der zwielichtige Skinner, welcher Gusteau als Maskottchen für eine Palette von Tiefkühlgerichten missbrauchen will. Neu in dem Laden ist auch Linguini, Sohn einer ehemaligen Flamme des grossen Kochs, der als Tellerwäscher und Mädchen für alles anfängt. Infolge eines kleinen Arbeitsunfalls ruiniert er einen Topf mit Suppe, doch da greift Rémy mit seinem kulinarischen Geschick ein und rettet das Gericht – wird dann aber eingefangen, während der ungeschickte Küchenjunge mit „seiner“ neuen, die Kritik begeisternden Suppe als Held des Tages dasteht.

Statt den Nager wie befohlen im Fluss zu versenken, arrangiert Linguini sich mit ihm und so wird aus den beiden ein erfolgreiches Gespann, dass Gusteaus Restaurant zu alten Höhen zurückführt. Das Glück ist perfekt, als Linguini die hübsche Colette für sich gewinnt und zudem rauskommt, dass er der uneheliche Sohn von Gustau und somit der rechtmässige Besitzer des Restaurants ist.

Wäre also alles eitel Sonnenschein – würde Linguini der Ruhm nicht zu Kopf steigen, worunter Rémy zu leiden hat. Ausserdem lässt sich Skinner nicht so ohne weiteres aus dem Geschäft drängen und da ist ja noch Anton Ego, ein gefürchteter Restaurantkritiker, dem es nur so in den Fingern juckt, den Newcomer nach allen Regeln der Kunst zu verreissen…


Inhalt

Schon unglaublich, wie weit die Animationskunst aus der Rechenkiste inzwischen gekommen ist und was Pixar da so zusammen-gerendert hat. „Ratatouille“ wirkt oft beinahe schon wieder wie ein Realfilm und bei einigen Einstellungen von Paris fragt man sich durchaus, ob da nicht echte Aufnahmen dazwischengeschnitten wurden… Auch sonst sieht die Stadt der Liebe hier fantastisch aus, erst recht bei Nacht, und auf dem herbstlichen Bauernhof zu Filmanfang möchte ich sogleich wohnhaft werden. Anblicke von überwältigender Schönheit in gar heimeligen Farbtönen werden einem da geboten, wenn ich mal etwas sülzen darf. Aber auch die Figuren wirken verblüffend lebensecht, seien es nun die Ratten oder die menschlichen Protagonisten. (Die Konkurrenz von DreamWorks Animation hat da letztens mit „Shrek the Third“ weitaus weniger überzeugt.)

Die knapp zwei Stunden Laufzeit gehen in der Inszenierung von Regisseur Brad Bird („Der Gigant aus dem All“, „The Incredibles“) und Co-Regisseur Jan Pinkava weitgehend ohne Hänger vorbei, unterhalten mit der einen oder anderen Actionszene (z.B. eine Verfolgungsjagd mit Skinner und Rémy durch Paris) und versprühen eine Menge Humor, der von Slapstick bis hin zu subtilen Anspielungen reicht; wobei alles absolut familienfreundlich, harmonie-orientiert und harmlos bleibt. Etwas mehr Biss wäre mir durchaus recht gewesen, dafür etwas weniger vom Pathos und von der hier teils doch recht aufdringlich wirkenden „du kannst alles schaffen, wenn du nur an dich glaubst“-Attitüde – hält doch nur den Betrieb auf und sorgt für einige eher zähe Charaktermomente. Ist alles in allem aber noch erträglich. Immer wieder sehr schön und grösster Pluspunkt des Filmes sind Gestik und Minenspiel der wunderbar gestalteten Figuren. Mein Liebling ist dabei der böse, böse Kritiker Anton Ego, der eine Schreibmaschine hat, die an einen Totenkopf erinnert, in einem Arbeitszimmer hockt, dass den Grundriss eines Sargs hat, und selbst (sicher nicht zufällig) stark an Max Schreck erinnert. Grandios.

Nomineller Bösewicht der Handlung ist aber der hyperaktive Giftzwerg Skinner. Äusserst sympathisch hingegen Rémy als kochverrückte Ratte, die stets von einem imaginären Gusteau begleitet wird (okay, dieser verzapft vielleicht ein bisschen zu oft kitschige Durchhalteparolen, aber die Idee ist doch ganz witzig) und der leicht trottelige Linguini. Sehr amüsant die resolute Carlotte.

Die deutschen Synchronsprecher (hab den Film im Rahmen eines Familienausflugs gesehen, englische Tonspur lag da nicht drin) machen ihre Sache gut (wobei ich schon alleine wegen Peter O’Toole [„Lawrence of Arabia“, „Phantoms“] als Ego gerne mal die Originalfassung hören möchte), äusserst irritierend ist jedoch, dass zwar alle Charaktere Franzosen sind (mal von ein oder zwei Ausnahmen abgesehen), aber einige einen französischen Dialekt haben (z.B. Colette), während andere (z.B. Rémy und Linguini) lupenreines Hochdeutsch sprechen. Was zur Hölle…? Möchte mal wissen, wie das im Original aussieht. Eben so sinnlos übrigens auch, dass die Sprache in Zeitungsartikeln, Briefen oder Werbeplakaten munter zwischen Französisch und Englisch hin und her pendelt. (In der teutonischen Fassung gibt’s dann noch so schöne Sachen wie deutsche Überschriften zu englischen Artikeln.) Eine Sprachverwirrung beinahe schon babylonischen Ausmasses ist das…

Ganz hörenswert ist der mit jazzigen Einsprengseln versehene Score von Michael Giacchino („The Incredibles“, „Mission: Impossible III“). Der mehrmals angespielte Song „Le Festin“ wird von der französischen Sängerin Camille performt.

Obwohl das Kochen ein zentrales Element der Handlung ist (wer hätte das gedacht), erfährt man wenig wirklich Konkretes darüber, die Thematik wird eher oberflächlich abgehandelt: Ein paar Details aus dem Arbeitsalltag werden angesprochen – z.B. wie man am Herd stehen muss, ohne dass die Ärmel dreckig werden –, ansonsten erfährt man nicht viel mehr, als dass sich „aus der Kombination herkömmlicher Geschmäcker ganz neue entwickeln lassen“. Das alles lässt die Faszination Rémys für dieses Gebiet nicht so richtig nacherlebbar werden, aber es gibt immerhin einige interessante Experimente, die Geschmackserlebnisse optisch darzustellen; das hätte man ruhig weiter verfolgen können. Wobei man von einem Kinderfilm, der zudem neben der Kocherei noch eine Story zu erzählen hat, wohl keine tiefgründigen Philosophischen Abhandlungen über das Kochen erwarten kann.

Apropos Story: So richtig logisch durchdacht ist diese nicht gerade. Das fängt damit an, dass Rémy mithilfe reinen Zufalls nicht nur in Paris, sondern auch noch gleich im richtigen Restaurant landet und wird so richtig störend mit dem unsinnigen Einfall, dass er Linguini wie eine Marionette steuert, indem er auf dessen Kopf hockt und ihn an den jeweils richtigen Haaren zieht. (So kann er ihn sogar durch die Gegend führen, als der junge Möchtegernkoch tief und fest schläft.) Klar, Zeichentrickfilm für Kinder und so, aber das ist nun wirklich nicht besonders plausibel – ausser, Linguini ist ein Mutant, bei dem die Muskeln in den Haarspitzen enden. Da hätte man sich lieber irgendeine Zeichenfolge oder etwas in der Art überlegt, mittels deren Rémy Linguini seine Anweisungen übermittelt. Notfalls hätte er ihm ja auch einfach die Rezepte aufschreiben können. (Rémy kann schliesslich lesen, Schreiben dürfte also auch kein Problem sein.)

Überhaupt bereitet die Kommunikation zwischen Nager und Mensch (respektive die Problemlosigkeit derselben), so, wie sie in diesem Film dargestellt wird, bei genauerem Hinschauen Probleme (wie schon Forumsmitglied Pontifex erkannt hat): Die Ratten sind den Menschen offensichtlich an Intelligenz absolut ebenbürtig. Wieso nehmen sie es einfach hin, mit Gift und Fallen niedergemetzelt zu werden? Warum versuchen sie nicht, mit den Menschen zu reden? (Die Rattensprache bleibt in den Ohren von Menschen unverständliches Gequietsche, aber das setzt der Kommunikation zwischen Rémy und Linguini ja auch keine unüberwindlichen Grenzen.) Oder setzen sich gar zur Wehr? (Der Film zeigt ja auch, wie sie zwei Menschen ohne grössere Probleme ausser Gefecht setzen… Wieso töten sie sie bei der Gelegenheit eigentlich nicht gleich? Ist umgekehrt ja auch nicht anders. Sie könnten auch die Tatsache ausnutzen, dass sich Menschen hier anscheinend über ihre Haare steuern lassen…)

Weshalb haben die Menschen innerhalb mehrerer Jahrtausende nicht gemerkt, dass Ratten genau so intelligent sind wie sie? (Auch zum Ende des Filmes wissen übrigens nur wenige Eingeweihte darüber bescheid.) Klar, die Nager hier halten sich geflissentlich von Menschen fern, aber Rémy hat schliesslich keine grosse Überwindungen gebraucht, sich Linguini anzuvertrauen, und weshalb sollte er in all der Zeit die einzige Ratte sein, die so was macht? Wieso eigentlich fällt Linguini Angesichts dieser im Grunde wirklich sensationellen Entdeckung nicht mehr ein, als Rémy als Kochlehrer in Anspruch zu nehmen? (Würde ich plötzlich feststellen, dass meine Katze mit mir „reden“ kann, wäre diese Tatsache an sich erschütternd genug, ihre Kochkünste wären in meinen Augen eher zweitrangig.) Und was ist eigentlich mit der Intelligenz anderer Tiere, z.B. allfälliger Schweine, welche Rémy zu Mahlzeiten verarbeitet? Waah! Ja, ich weiss, wahrscheinlich mache ich mir einfach zu viele Gedanken… Andererseits gibt es eine ganze Reihe von Filmen mit „intelligenten“ Tieren, in denen diese Thematik besser durchdacht wurde. (Siehe „Felidae“, „Mrs. Brisby und das Geheimnis von Nimh“, „Bambi“, etc.)

Ansonsten verläuft der Plot nach bekannten Mustern der „Aussenseiter schafft es nach oben“-Thematik und ist öfters mal vorhersehbar (als die Köche Linguini im Stich lassen, ist sofort klar, wer da einspringen wird…). Auffällig ist, dass es für unsere Protagonisten nie so richtig eng wird: Selbst als Rémy von Skinner entführt wird, löst sich die Situation sehr schnell in Wohlgefallen auf; Linguini kriegt nicht einmal gross was davon mit. So’n richtiger Bösewicht fehlt hier halt, selbst Anton Ego… nein, ich will nicht spoilern!

Als Vorfilm läuft „Lifted“, ein kurzer, sehr witziger Streifen um einen jungen Ausserirdischen, der über seine erste Entführung menschlicher Versuchsobjekte geprüft wird.

Fazit: „Ratatouille“, ein Wohlfühl-Streifen durch und durch, unterhält gut, ist fantastisch animiert und lebt von seinen Charakteren. Klar, er tendiert ein bisschen zur „Moral von der Geschichte“ und die Story hätte einige Überarbeitungen vertragen, aber dieser Film ist und bleibt empfehlenswerter Kinospass für die ganze Familie.

6/10

(c) 2007 Gregor Schenker (manhunter)


mm
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