Only the Strong Survive

 
  • Deutscher Titel: Only the Strong Survive
  • Original-Titel: Only the Strong Survive
  •  
  • Regie: Chris Hedegus, D.A. Pennebaker
  • Land: USA
  • Jahr: 2002
  • Darsteller:

    Rufus Thomas, Isaac Hayes, Wilson Pickett, Mary Wilson, Ann Peebles, Carla Thomas, Sam Moore, Jerry Butler, The Chi-Lites, Roger Friedman


Vorwort

Vor vierzig Jahren dominierten sie die Charts – die großen Stars der klassischen und besten Soul-Phase – Wilson Pickett, Sam & Dave, die Supremes, die Chi-Lites. Sie konnten es an kommerziellem Erfolg mit den Beatles aufnehmen und rückten black music in den Blickpunkt der Öffentlichkeit; ihre Hits waren unsagbar wichtig für die Entwicklung der modernen Popmusik. Damals war Soul auch noch Soul und nicht das blankpolierte, uniforme Einheitsgedüdel der heutigen R’n’B-Interpreten. Erst mit der Mitte der 70er und dem Aufkommen von Disco, später Hip Hop, gerieten die Heroen der soulful sixties in Vergessenheit. Grund genug für die renommierten Dokumentarfilmer Hedegus und Pennebaker, auf die Suche nach den damaligen Superstars zu gehen – und sie fanden sie alive and very much kicking..


Inhalt

Es ist nicht schwer, die Vorbilder für diese Musik-Doku zu ermitteln – da ist einerseits natürlich „Buena Vista Social Club“, jener unglaublich erfolgreiche Wim-Wenders-Film, der die vergessenen kubanischen Son-Musiker zu Weltstars machte, andererseits „Standing in the Shades of Motown“, eine preisgekrönte Dokumentation über die legendären Studiomusiker der Motown-Soulschmiede, wobei „Only the Strong Survive“ formal eher nach dem Wenders-Film gerät. Ob dieser Film einen ähnlichen Hype entfachen kann wie „Buena Vista Social Club“, ist sicherlich eher skeptisch zu beurteilen, denn abgesehen mal davon, dass sicherlich die Kubaner um Compay Segundo selbst am überraschtesten über ihren Alterserfolg waren, ist der Film, obschon auch das Wenders-Vehikel für mich seine Schwächen hatte, kein Meisterstück.

Etwas problematisch ist schon mal die Struktur des Films – er springt zwischen seinen Protagonisten hin und her, ohne dabei einem einleuchtenden „Groove“ zu folgen. Gerade noch plaudern wir mit Wilson Pickett, da stehen wir schon wieder in irgendeinem Studio und wohnen dem Rehearsal von Mary Wilson bei, eine Szene weiter erzählt Sam Moore (von Sam & Dave) – erstaunlich freimütig – über seine Tage als Drogendealer. Dem Film fehlt so etwas wie ein roter Faden, er ist „all over the place“, wie der Anglophile zu sagen pflegt, wirkt eher willkürlich aneinandergereiht als bewußt in einen bestimmten, aussagekräftigen Narrative gesetzt. Die Interviewsequenzen schwanken zwischen amüsant (wenn die alten Herrschaften Anekdoten austauschen) und nichtssagen, zumal Interviewer Roger Friedman über den kompletten Film hinweg keine vernünftige Frage einfällt (sein Interviewstil besteht zumeist daraus, dass sein Gesprächspartner einen Schwank aus seinem Leben erzählt und Friedman darauf mit einem eloquenten „oh, really?“ eingeht. Vorbereitet scheint sich der Mann auf die Gespräche nicht zu haben). Der Unterhaltungswert dieser Gespräche ist also stark von der Laune der Interviewten abhängig – der gut aufgelegte Wilson Pickett sorgt für Spaß, Sam Moore gibt sich, wie gesagt, verblüfend offen über seine dunklen Tage, Mary Wilson (die auch musikalisch irgendwie nicht zum Restprogramm passt), kommt recht arrogant und blasiert rüber, Isaac Hayes ist cool wie immer und Rufus Thomas (der die Premiere des Films leider nicht mehr erlebte) fröhlich. Dazu gesellen sich etwas wahllos eingefügte Archivaufnahmen und, Zeus sei’s getrommelt und gepfiffen, zum Glück massenweise Live-Aufnahmen. Und die rüstigen Soul-Senioren legen dabei Klasse-Performances auf die Bretter, die die Welt bedeuten.

Die aus verschiedenen Veranstaltungen zusammengestückelten Auftritte sind zwar von unterschiedlicher Güte (Mary Wilsons Solo-Variante eines späten Supremes-Heulers ist ziemlich daneben, und die Chi-Lites haben bei „Have you seen her“ sicher auch schon mal die Töne besser getroffen), aber die Highlights gehen hervorragend ins Ohr: Wilson Pickett, Ann Peebles, Rufus Thomas und, allen voran, Sam Moore mit einer starken Darbietungen des spätestens von den Blues Brothers unvergeßlich gemachten „Soul Man“ und des großen Klassikers „Land of 1000 Dances“.

Erstaunlicherweise ist die Dokumentation filmisch ziemlich schwach – billiger Videolook, der kaum vermuten lässt, dass der Streifen tatsächlich für einen Kinoeinsatz gedreht wurde (und selbigen auch bekam), und insgesamt auf der einfallslosen Seite. Weder die Interview- noch die Live-Aufnahmen lassen vermuten, dass Hegedus und Pennebaker speziell auf dem Gebiet der Musik-Dokumentation Experten sind und u.a. das in Fankreisen legendäre Depeche-Mode-Doku „101“, diverse Jimi-Hendrix-Konzertfilme, den Westernhagen-Tourfilm „Keine Zeit“ und, was Pennebaker angeht, sogar David Bowies „Ziggy Stardust and the Spiders of Mars“ auf dem Kerbholz haben (Hegedus war solo auch für den ein oder anderen feministischen Sachfilm verantwortlich und beide zusammen feierten einen Kritikererfolg mit der dotcom-Doku „startup.com“). Dafür, dass sich dieses Team seit über drei Jahrzehnten der filmischen Aufbereitung von Konzerten und Pop-/Rockmusik im allgemeinen widmet, enttäuscht die filmische Umsetzung dieses doch ziemlich ergiebigen Themas schon – formal und auch inhaltlich, denn der Informationswert ist eher gering.

Aber was zählt, ist die Musik, und selbst als nicht unbedingt eingefleischter classic-soul-Fan kann man sich der Energie dieser Songs und ihrer Interpreten kaum entziehen.

Bildqualität: Der von Miramax produzierte Film wird hierzulande von Sunfilm vertrieben und im 1.33:1-Format (4:3) präsentiert. Die Bildqualität ist so, wie man sie von einer modernen Video-Dokumentation erwarten kann – klar als Video erkennbar, mit guten Farben, gutem Kontrast und frei von Defekten und Störungen. Allerdings ist die Bildqualität leicht schwankend – bei manchen Konzertaufnahmen wird’s etwas matschiger (weil die Filmemacher aus größerer Entfernung filmen mussten und nicht auf der Bühne stören durften), andere sind dagegen gestochen scharf.

Tonqualität: Erfreulicherweise widerstand man der Versuchung, einen deutsch übersprochenen Audiotrack auf die Scheibe zu bannen und beließ es bei englischem Dolby 5.1-Ton mit optionalen deutschen Untertiteln. Die Tonqualität selbst ist gut, Dialoge sind gut verständlich, die Musik ist laut zum Abfeiern (leider werden einige Tracks durch Kommentare und Interviewschnipsel unterbrochen) und gut abgemischt.

Extras: Außer dem Originaltrailer nur Filmographien der Filmemacher und Produktionsnotizen (mit teilweise redundanten Informationen) auf Texttafeln.

Fazit: „Only the Strong Survive“ hinterlässt insgesamt einen zwiespältigen Eindruck. Die Qualität der Musik und der Interpreten ist (größtenteils) völlig außerhalb jeder Diskussion, die filmische Umsetzung ist allerdings arg larifari – es fehlt an einer wirklichen Konzeption und am Willen (denn das Vermögen sollte wohl da sein) der Regisseure, dem Streifen optisch-filmtechnisch ein angemessenes Kleid zu verpassen. Es wirkt zu sehr nach einem simplen Fanfilm denn einer ernsthaften Dokumentation. Soulfans werden sich von den filmischen Schwächen der Doku der Musik wegen sicher kaum abschrecken lassen, haben aber im Zweifel sicher mehr vom Soundtrack (der zumindest in den USA auch als CD erschienen ist). Die Qualität der Sunfilm-DVD ist okay, aber auch nichts besonderes.

2/5
(c) 2004 Dr. Acula


mm
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