My Dinner with Jimi

 
  • Deutscher Titel: My Dinner with Jimi
  • Original-Titel: My Dinner with Jimi
  •  
  • Regie: Bill Fishman
  • Land: USA
  • Jahr: 2003
  • Darsteller:

    Justin Henry (Howard), Jason Boggs (Mark), Royale Watkins (Jimi Hendrix), George Wendt (Bill Utley)


Vorwort

1967 – nach dem üblichen Tingeln durch die Clubs und ein paar kleineren Hits haben die „Turtles“ endlich das große Los gezogen: einen Nummer-1-Hit. „Happy Together“ bringt die Band zu Ruhm und Ehren – Teenie-Magazine interessieren sich für sie, Jimi Morrison spielt mit den Doors in ihrem Vorprogramm, ihr Manager bleibt knickrig, was die Unterbringung on tour angeht. Aber trotz des Erfolgs gibt’s auch Probleme – den Teenie-Heften sind die Musiker zu hässlich und außerdem wünscht sich die Armee die Beteiligung der Band-Chefs am Vietnam-Krieg. Zum Glück weiß Frank Zappa Rat und so kann die Einberufung, wenn auch gewissen drogenbedingten Opfern, vermieden werden. Schon steht das nächste Highlight auf dem Plan – ein Trip nach London, die hippste Metropole der Sechziger. Die provinziellen Amerikaner mit ihren altbackenen Outfits erleiden einen mittelschweren Kulturschock, doch Graham Nash von den Hollies und Donovan laden zum gemeinsamen Kiffen und Wasserpfeifenrauchen ein – und dann geht’s in den angesagtesten Club Londons, wo alle Rockgrößen abhängen. Die Begegnung mit den großen Idolen der Band, den Beatles, endet dank des ungebührlichen Betragens John Lennons in einem Desaster, doch für Leadsänger Howard geht der Abend erst richtig los, als Jimi Hendrix ihm zum Abendessen einlädt…


Inhalt

Auch wenn’s heute kaum einer zugeben will, waren die 60er Jahre für die moderne Rockmusik doch eine wichtige Dekade (verleugnet wird das gern von denjenigen, die meinen, Rock im heutigen Sinne beginnt frühestens mit Black Sabbath oder Led Zeppelin) – ohne die bedeutenden Werke der Beatles und der Beach Boys (bzw. Brian Wilson) und den psychedelischen Drogenrock der Spät-60er sähe die Rockszene heutzutage vermutlich heftig anders, und wohl auch deutlich trister aus. Diese Vorbemerkung hat mit dem zu besprechenden Film nicht wirklich was zu tun (bätsch), sondern soll so als eine Art Grundsatzstatement stehen bleiben (außerdem fürchte ich, dass dieses Review sonst zu kurz wird, und man muss ja Zeilen schinden, hihi). Ich hätt’s auch kürzer schreiben können: die 60er waren eine Zeit voller faszinierender, schillernder Persönlichkeiten.

„My Dinner with Jimi“ führt uns zurück in diese wilde Zeit des musikalischen Aufbruchs und beleuchtet hauptsächlich eine skurrile Episode aus der kurzen Karriere der amerikanischen Beatband „The Turtles“, deren „Happy Together“ ja in der Tat auch heute noch ein gern gehörter Golden Oldie ist. Das Drehbuch stammt aus der Feder des früheren Turtles-Leadsängers Howard Kaylan persönlich und ist, wenn man Kaylan glaubt, eine akkurate Wiedergabe der damaligen Geschehnisse (soweit das möglich ist. So manche Erinnerung dürfte aufgrund der seinerzeit eingenommenen Substanzen leicht getrübt sein…). Es ist eigentlich keine wirklich GROSSE Geschichte – die zwei Chef-Turtles lösen ihr Militär-Problem, die Band fliegt nach England und lernt dort allerhand Rock-Ikonen kennen (in Gastauftritten neben den bereits genannten Gestalten u.a. die Moody Blues, Brian Jones von den Stones, Mama Cass, Twiggy) und stellt fest, dass vermeintliche Götter wie John Lennon sich genauso assig-prollig benehmen können wie der nächste Penner von der Ecke, andere arrogante Säcke sind (die Moody Blues) und man tunlichst nicht mit Jimi Hendrix dinieren sollte, wenn man harten Alk und einen gemischten Drogencocktail nicht verträgt. Die Story hat keine echte Dramaturgie – vor allem in der zweiten, in London spielenden, Hälfte; in der ersten Hälfte hilft die Episodenhaftigkeit der Geschichte doch stark auf die Sprünge. Wenn man so will, ist das titlegebende Dinner mit Jimi eine echte Anti-Klimax – Hendrix und Kayman plaudern bei Scotch-Cola über die Musik, über das Stardasein und spirituelle Erleuchtung und (spoiler voraus) am Ende kotzt Kayman Hendrix den Anzug voll. Nicht gerade der Stoff, aus dem die großen Dramen sind – der vom Verleiher als Vergleich herangezogene „Almost Famous“ hatte da deutlich mehr Story (aber auch den Vorteil einer komplett fiktiven Geschichte).

Insgesamt pendelt die Story etwas uneinheitlich (okay, es sind wahre Geschichten, da kann man schlecht nachträglich mäkeln, dass die ausgerechnet so und nicht anders passiert sind) zwischen reinem Biopic-/Doku-Ansatz, Drama und Komödie. Am besten funktioniert der Film eindeutig in seinen komödiantischen Passagen (die Sequenz, in der die beiden Sänger der Band ihren Musterungstest absolvieren, ist eine Gottszene), knapp gefolgt von den dokumentarischen Einlagen, das Drama klappt nicht immer (und, again, ich weiß, dass ich das fast in jedem Absatz aufführe, da der Streifen mit zwanzig Minuten dialoglastigem Dramastuff endet, wirkt das entwas unglücklich strukturiert).

Filmisch ist der Streifen, inszeniert von Bill Fishman, der der Welt den semikultisch verehrten „Tapeheads“, „Wagen 54, bitte melden“ und „Reckless + Wild“ (mit Claudia Schiffer) bescherte, eine kuriose Mixtur aus Musik-Dokumentation, „Spinal-Tap“-mäßigem Mockumentary (wenn die dokumentarische Kamera Szenen beobachtet, die sie nie im Leben wirklich hätte beobachten können) und reinem Spielfilm; diese Mischung wird sogar soweit betrieben, dass die vor allem in der ersten Filmhälfte immer wieder eingebauten „TV“-Aufnahmen (wenn die Turtles in einer Show auftreten) in Fernseh-Vollbild präsentiert werden, die Spielfilmhandlung dagegen in 1.85:1-Widescreen gezeigt wird (das stellt, wie sich weiter unten noch herausstellen wird, den DVD-Publisher vor gewisse Probleme). Ein interessanter Ansatz, der allerdings nicht durchgehalten werden kann, weil die zweite Hälfte halt komplett im Spielfilmformat bestritten wird und keine Gelegenheit mehr für filmische Experimente bietet. Mir persönlich hätte es fast besser gefallen, der Film hätte zugunsten der dokumentarischen Anklänge den durchgängigen Narrative der zweiten Hälfte zurückgeschraubt – nach der Beatles-Konfrontation tut sich nicht mehr viel filmisches, und da kann Fishman auch nicht mehr arg viel mit handwerklichen Mitteln „retten“ (zuvor zeigt er ab und an sein visuelles Talent, speziell während einer Band-Live-Performance).

Etwas enttäuscht bin ich sogar über den recht geringen Musik-Anteil. Gewiss, die Film-Turtles performen drei Songs (der „TV-Auftritt“ mit „Happy Together“ ist eine Schau und eins der ganz großen Highlights des Films), aber ich hatte mir mehr Mucke und weniger Talk erhofft. Your mileage may vary, wie üblich, ich wollte nur darauf hinweisen, dass der Film kein, äh, Musical ist. Was an Musik angespielt wird, ist allerdings sehr gut.

Der insgesamt gut aufgelegte Cast setzt sich aus wenig bekannten Akteuren zusammen. Justin Henry, der Howard Kaylan mimt, erledigt seinen Job zwar sympathisch-souverän, ist mir mit seinen 32 Lenzen zum Drehzeitpunkt (die man ihm auch ansieht), deutlich zu alt für die Rolle des neunzehnjährigen (!) Sängers. Henry begann seine Karriere als Kinderdarsteller in „Kramer vs. Kramer“ und spielt hier seine erste echte Hauptrolle. Spaßig ist die Darbietung von Jason Boggs als zweitem Sänger der Turtles – für Boggs ist es die erste wirklich bemerkenswerte Rolle überhaupt und er deutet hier komödiantisches Talent an. Jimi Hendrix wird von Royale Watkins verkörpert (ziemlich überzeugend, wenn man mich fragt). Wir sahen ihn bereits in einer kleinen Rolle in „Speed 2“ und in Takeshi Kitanos fulminantem „Brother“. Die Celebrity-Lookalikes sind durch die Bank gut getroffen – ob das nun die Beatles sind (besonders Quinton Flynn, der sein Geld normalerweise als Voice-Actor für Zeichentrickfilme und Videospiele verdient, als Paul McCartney ist erstaunlich) oder Jim Morrison, der von Bret Roberts (eben noch Serienkiller Richard Ramirez in „Nightstalker“) brillant-komisch und doch nicht respektlos dargestellt wird. Sitcom-Star George Wendt („Cheers“, „Frasier“) sorgt als geiziger Bandmanager für einige humorige Momente.

Bildqualität: Wieder einmal ist Sunfilm für die DVD-Präsentation verantwortlich und hat hierbei mit dem grundsätzlichen „Problem“ der bewußt eingesetzten unterschiedlichen Bildformate Vollbild und Widescreen zu kämpfen. Eine anamorphe Abtastung hat sich so also ganz einfach von der technischen Seite erledigt, es bleibt dem Publisher nichts übrig, als den Film komplett im 4:3-Format zu veröffentlichen. Die Bildqualität ist dabei Sunfilm-gewohnt sehr gut – besonders die Farben wissen zu überzeugen, die Schärfewerte sind ebenfalls im grünen Bereich (es könnte vielleicht ein kleines bissl kantenschärfer gehen, aber auf handelsüblichem TV-Equipment ist das völlig zu vernachlässigen), der Kontrast ist gut, Abzüge gibt’s für die mittelmäßige Kompression und die Tatsache, dass die Scheibe im DVD-ROM verweigerte. Es sei darauf hingewiesen, dass aufgrund der als Stilmittel eingesetzten unterschiedlichen technischen Formate die Bildqualität schwankt – die auf „Doku“ getrimmten Aufnahmen sind grobkörniger als die reinen Spielfilmszenen.

Tonqualität: Der Konsument kann zwischen deutscher Synchro und englischsprachigem O-Ton in jeweils Dolby 5.1 wählen. Aus Gründen der Authenzitität ist hier der O-Ton einmal mehr deutlich vorzuziehen. Die Sprachqualität ist ausgezeichnet, die Tonspur völlig rauschfrei, der Musik-Mix kann durchaus überzeugen, hätte aber für meinen Geschmack (immerhin ist’s ja ein Musikfilm) etwas satter sein können. Untertitel, die offenbar an der manchmal leicht entschärften deutschen Synchro orientiert sind, werden mitgeliefert, überdecken aber gelegentlich Einblendungen im Film (das hätte nicht sein müssen).

Extras: Leider ist das Bonusmaterial sehr mager ausgefallen. Außer dem Originaltrailer gibt’s nur noch die Geschichte der „Turtles“ auf mehreren Texttafeln sowie eine Trailershow. Kaum vorstellbar, dass es zu diesem Film nicht passendes Zusatzmaterial gegeben hätte, sei es Making-of, Interviews, ein Audiokommentar oder, ganz verwegene Idee, vielleicht eine begleitende Dokumentation oder Musikvideos.

Fazit: „My Dinner with Jimi“ gestaltet sich insgesamt als recht vergnügliche Zeitreise in die wilde Ära von 1967, den summer of love, den musikalischen Aufbruch von Beat über Flower Power hin zu dem, was man heutzutage als moderne Rockmusik versteht, wobei sich der Film, dank einerseits seiner recht kuriosen Machart, der Mischung von dokumentarischen und Spielfilm-Elementen, andererseits aufgrund der wenig ausgefeilten Dramaturgie, eher für Fans der Zeit und der Musik als für Filmfreunde empfiehlt. Wer ein Faible für 60er-Musik hat und vor der ein oder anderen kleinen Heiligenschändung nicht abgeschreckt wird, kann mit dem Film seinen Spaß haben, wer aber hauptsächlich interessiert ist, eine Komödie zu kucken, sollte, wenn sie denn schon rock-musikalisch sein soll, zum mainstreamgeschmackkomptabileren „Almost Famous“ greifen. Von Bild und Ton her ist die Sunfilm-Scheibe auf einem guten Standard, die Ausstattung ist aber etwas mau.

3/5
(c) 2005 Dr. Acula


mm
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