Gacy

 
  • Deutscher Titel: Gacy
  • Original-Titel: Gacy
  •  
  • Regie: Clive Saunders
  • Land: USA
  • Jahr: 2003
  • Darsteller:

    Mark Holton (John Wayne Gacy), Adam Baldwin (John Gacy sr.), Tom Waldman (Hal), Charlie Weber (Tom), Allison Lange (Gretchen), Joleen Lutz (Kara Gacy), Edith Jefferson (Mutter Gacy), Scott Allen Henry (Gacy als Kind), Kenneth Swartz (Dave)


Vorwort

John Wayne Gacy lebt vordergründig ein wahres Familienidyll in einem sauberen Mittelklasse-Vorort von Chicago und gilt als verlässlicher Stützpfeiler der Gemeinde. Auch wenn er nur junge Männer ohne Ausbildung in seinem Handwerksbetrieb einstellt und es aus dem Keller seines Hauses bestialisch stinkt, ahnt niemand, dass Gacy ein dunkles Doppelleben führt – verdrängte homosexuelle Neigungen zwingen ihn dazu, Jungen zu entführen, zu foltern und nicht immer, aber immer öfter zu töten. Doch das Ende seiner mörderischen Laufbahn ist abzusehen – seine Frau findet, hüstel, Männermagazine, Handschellen und ein geheimes „Liebesnest“ und verlässt ihn, eines seiner überlebenden Stricher-Opfer faßt sich ein Herz und meldet sich bei der Polizei, wo er tatsächlich Gehör findet. Von nun an steht Gacy unter Beobachtung – noch macht sich Gacy keine Sorgen, verspottet seine Überwacher und bearbeitet seinen neuesten „Zögling“ Tom, den er sogar als Untermieter in sein Haus gelotst hat, doch die Schlinge um den Hals des Massenmörders zieht sich zu – schließlich ist nicht mal mehr Platz für neue Leichen im Keller…


Inhalt

Amerika entdeckt seine Psychopathen wieder. Daraus könnte ich jetzt ein nettes bösartiges politisches Statement stricken, überlasse das dann doch lieber anderen Kommentatoren. Worauf ich hinaus will – in letzter Zeit drängen verstärkt Biopics über real existierende Massenmörder auf den Markt, quasi als Zugabe zum „gewöhnlichen“ Horror, der sich, wie „Texas Chainsaw Massacre“ z.B., lose an „echten“ Vorbildern wie Ed Gein orientiert. Neben dem Leben von Jeffrey Dahmer (demnächst auch an dieser Stelle) so u.a. die Biographie des mindestens dreiunddreißigfachen Mörders John Wayne Gacy, der 1994 hingerichtet wurde. „Gacy“ passt übrigens auch schön in einen anderen langanhaltenden Trend, nämlich die Dekonstruktion des scheinbar perfekten Heile-Welt-Mikrokosmos amerikanischer Vorstädte, wo sich hinter ordentlichen Vorgärten und sauberen Fassaden Abgründe auftun.

Regisseur und Co-Autor Clive Saunders bemüht sich um eine unspekulative Erzählweise und konzentriert sich mehr auf den Menschen Gacy als auf dessen Untaten, begeht dabei aber den ein oder anderen strategischen Fehler. Bis auf einen Prolog in Gacys Kindheit, der ansatzweise seinen Wahn erklären soll, bleibt er uns einen wirklichen Einblick in die Psyche des Mörders schuldig und auch die Tatsache, dass die eigentliche Handlung relativ kurz vor seiner Enttarnung einsetzt, hilft nicht wirklich, Gacy zu „verstehen“, die Beweggründe, die ihn zu seinen Taten trieben, zu begreifen. Im Gegenteil, die gewählte Erzählweise trägt vielmehr dazu bei, mit Gacy zu sympathisieren, da er primär wie ein gemütlicher, netter Brummbär wirkt. Der Film und seine Story blenden die dunkle Seite Gacys lange ziemlich aus, ergehen sich in Andeutungen und schrecken ein wenig vor der eigenen Courage zurück – „lediglich“ zweieinhalbmal geht der Streifen aus sich heraus und erlaubt sich offenkundige Gewaltdarstellungen, die aber dennoch recht zahm bleiben und mich, angesichts der KJ-Freigabe, einmal mehr an der Urteilskraft der FSK zweifeln lässt (in diesem Falle wüßte ich nämlich wirklich fast kein Argument, dass dem Streifen eine FSK 16 verbieten würde, insbesondere, wenn ich mal wieder eine Splatterorgie wie „Wrong Turn“ heranziehe).

Obgleich das Bemühen um eine unplakative, seriöse Inszenierung prinzipiell anerkennenswert ist, so ist „Gacy“ doch einer der seltenen Fälle, in denen „mehr“ einmal tatsächlich „mehr“ gewesen wäre. Dadurch, dass „Gacy“ summa summarum recht wenig Zeit mit den eigentlichen Mordtaten verbringt, gleichzeitig aber den Charakter Gacys nicht tiefgründig genug hinterfragt, will sich rechte Spannung nicht einfinden, macht den Film aber auch als „Biographie“ des Killers insgesamt eher untauglich, da für die erste Kategorie, den Thriller/Spannungsfilm zu wenig passiert, was nicht vorhersehbar wäre (schließlich ist der Ausgang der Geschichte ja wohlbekannt), für den „Biographie“-Part aber der Ausschnitt aus Gacys Leben zu kurz gewählt ist, um den Menschen Gacy zu deuten und seinen Wahnsinn zu bewerten.

Dabei inszeniert Saunders den Streifen handwerklich perfekt und deutet in einigen Szenen an, dass in dem Stoff erheblich mehr Potential steckt als letztendlich aus ihm herausgeholt wurde. Die Stellen in Gacys Kriechkeller sind angemessen unheimlich (und dank der Präsenz possierlicher Maden, Würmer und Käfer, die einer Dschungelcamp-Aufgabe alle Ehre machen würden, auch hübsch eklig anzusehen) und wenn Gacy scriptbedingt mal aus sich heraus gehen darf und die Kamera nicht wegblendet, sind auch diese Momente sehr intensiv, es sind halt jedoch zu wenige solche mitreißenden Momente, um den Film konsequent packend zu gestalten – trotz seiner relativ kurzen Laufzeit von nur 85 Minuten offenbart der Streifen einige Längen, trotz sehr guter und stellenweise gewitzter Kameraführung.

Keinen Einwand hege ich gegen die Darstellkunst von Mark Holton („Leprechaun“, „Rumpelstiltskin“, „Rocky & Bullwinkle“) als John Wayne Gacy, der auch optisch dem realen Vorbild recht nahe kommt und, wie gesagt, fast zu erfolgreich darin ist, Gacy als Sympathieträger zu zeichnen; jedenfalls steht und fällt das Filmprojekt mit der Kompetenz seines beinahe ständig im Bild befindlichen Hauptdarstellers und Holton löst die Aufgabe recht souverän. Kurz, aber prägnant sind die Auftritte von Joleen Kraft als Gacys Ehefrau, mindestens solide agieren auch Charlie Weber als Tom, Edith Jefferson als Gacys Mutter und Tom Waldman als Gacys bester Freund Hal. In einer Nebenrolle ist der vielbeschäftigte B-Film-Mime Rick Dean zu sehen und als Gacys Vater im Prolog ist Adam Baldwin zu entdecken.

Bildqualität: e-m-s legt „Gacy“ in schönem 1.78:1-Widescreen-Format (anamorph) vor, ein Transfer, der wenig Wünsche offen lässt. Das Bild ist gestochen scharf und auch der Kontrast weiß zu gefallen, allerdings kommt’s mir insgesamt etwas zu hell vor (die Farben könnten jedenfalls kräftiger wirken). Bildstörungen und/oder – verschmutzungen sind nicht zu verzeichnen, erwähnt aber sei, dass mein United-Player sich beim Layerwechsel verabschiedete. Der Scott-Player kam allerdings mühelos mit der Scheibe zurecht.

Tonqualität: Geboten werden drei Tonspuren, wobei sowohl deutsche Synchro als auch englische Originalfassung im Dolby-2.0-Format vorliegen, die deutsche Fassung zusätzlich in einem 5.1er-Mix. Leider werden keine Untertitel mitgeliefert. Die (primär) getestete deutsche 5.1er-Spur ist solide gelungen – sehr gute Sprachqualität, kein Rauschen, aber auch keine große Dynamik (was der Film, sein Score und seine Soundeffekte aber auch nicht unbedingt hergeben).

Extras: Die Zusatzausstattung besteht aus dem Originaltrailer in deutscher und englischer Fassung, einer interessanten John-Wayne-Gacy-Fotogalerie (von Tatortfotos bis zu von Gacy verfaßten Weihnachtskarten ist alles, natürlich nichts graphisches, dabei) nebst Biographie, einer Production-Stills-Fotogalerie (beide Slideshows sind selbstablaufend) und Filmographien für drei (in zwei Fällen aber eher nebensächlicher) Darsteller.

Fazit: „Gacy“ ist sicher kein Horrorfilm, wird von e-m-s auch unter „Thriller“ eingestuft, und ist trotzdem auch kein spektakulärer Spannungsfilm. Den Filmemachern ging es um eine seriöse Auseinandersetzung mit dem Menschen Gacy, sie scheitern aber an ihrem eigenen Anspruch. Anstatt den Zuschauer begreifen zu machen, wie Gacy tickte, in seine Psyche einzutauchen, bleiben sie zu sehr an der Oberfläche kleben, ergehen sich in der Schilderung des netten Biedermannes und verwenden, wenn man so will, zu wenig Zeit auf seine Taten. Das lässt den gut gespielten und handwerklich ausgezeichneten Film letztlich weder als spannenden Thriller noch als erhellende Psychostudio befriedigend gut funktionieren. Uninteressant ist der Streifen deswegen jedoch nicht – besonders „Fans“ realer Serienmörder werden sicher auf ihre Kosten kommen, sofern sie kein spekulatives Blutbad, sondern eine realistische Auseinandersetzung mit dem Thema erwarten. Die DVD von e-m-s ist technisch recht gut gelungen.

2,5/5
(c) 2005 Dr. Acula


mm
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