Das Messer im Wasser

 
  • Deutscher Titel: Das Messer im Wasser
  • Original-Titel: Nóz w wodzie
  • Alternative Titel: Knife in the Water |
  • Regie: Roman Polanski
  • Land: Polen
  • Jahr: 1962
  • Darsteller:

    Leon Niemczyk (Andrzej), Jolanta Umecka (Krystyna), Zygmunt Malanowicz (Junger Mann)


Vorwort

Auf dem Weg zu ihrem allwochenendlichen Segeltörn picken der erfolgreiche Sportreporter Andrzej (der sich im Polen des Jahres 1962 einen privaten ausländischen Wagen leisten kann) und seine attraktive Frau Krystyna einen frechen jungen Tramp auf. Einer Laune folgend lädt Andrzej den von ihm als flegelhaften nichtsnutzigen Lausejungen identifizierten Jungspund ein, sich der fröhlichen Segelpartie anzuschließen. Nicht ganz uneigennützig, denn Andrzej sucht offensichtlich ein Opfer für ein kleines Psychospielchen – in dem impulsiven jungen Mann findet er ein dankbares Opfer, das auf jede noch so nebensächliche Provokation bereitwillig anspringt, allein schon, um die von ihm wohlwollend beäugte Krystyna zu beeindrucken. Schnell überbieten sich die beiden Männer in Überlegenheitsritualen, selbst beim Mikadospielen – es kann ja gar nicht anders kommen, die Situation auf der beengten Jolle eskaliert im Streit über des Jungen einzigen wertvollen Besitz, ein Messer…


Inhalt

Über Roman Polanski muss man ja dem intelligenten Publikum auf diesen Seiten (schleim) ja hoffentlich nichts mehr erzählen. Das Messer im Wasser markiert gleichzeitig Polanskis ersten abendfüllenden Spielfilm (nach ein paar Kurzfilmen) und seine letzte Arbeit im heimatlichen Polen, danach verließ er das kommunistische Land, um im Westen sein Glück zu suchen, finden und letztlich auch wieder zu verlieren (ich muss jetzt hoffentlich nicht seine einflußreichen Filme aufzählen, auf die Manson-Morde und den Vergewaltigungsprozeß eingehen. Das sollte Allgemeinbildung sein…). Sein Debütlangfilm, der bei den polnischen Autoritäten wohl wegen der Darstellung einer per Definition im Kommunismus nicht existententen gehobenen Mittelschicht auf wenig Gegenliebe stieß, wurde immerhin postwendend für den Oscar als bester ausländischer Film nominiert. Und man kann durchaus verstehen, warum.

Polanskis kammerspielartiges Psychodrama kann (und muss man eigentlich) als direkten Vorfahren aller Psychoduelle auf hoher See (die Entwicklung dieses Sub-Sub-Genres kulminierte m.E. in Philip Noyces unerreichtem Megathriller Dead Calm) sehen. Vielleicht einzig die Tatsache, dass sich ausnahmsweise mal keiner der Protagonisten als blutrünstiger Psychopath entpuppt, sondern Polanski sich ausschließlich auf die tiefgründige psychologische Ebene verlässt und spekulative Elemente überhaupt nicht braucht, unterscheidet Messer im Wasser von der Anlage her von den zahlreichen legitimen und illegitimen Nachziehern.

Die eigentliche Story ist demzufolge relativ schlicht – wir haben drei Personen, alle mit ihren unterschiedlichen Macken (denn auch Krystyna trägt im Finale entscheidendes bei), die aufeinander losgelassen werden. Mehr nicht, mehr braucht’s nicht (ähnlich betrieb Polanski das auch Jahrzehnte später im unterschätzten Death and the Maiden). Für moderne Sehgewohnheiten macht das den Film recht unzugänglich – es passiert streng genommen nicht viel in den eineinhalb Stunden Laufzeit, das Tempo ist sehr betulich, Polanski legt Wert auf einen sehr sorgfältigen Spannungsaufbau – zwar ist uns von Anfang an klar (schon ab der ersten Einstellung des im Auto sitzenden Ehepaars, von außen gefilmt, so dass wir ihr „Gespräch“ nicht verfolgen können), dass wir es nicht mit ausgeglichen Charakteren zu tun haben, sondern mit solchen, die mit allerlei Psychosen ausgestattet sind, aber Polanski verzichtet darauf, die Entwicklungen zu überstürzen, baut vielmehr eine Atmosphäre des latenten Unwohlseins auf, bei der man als Zuschauer quasi jede Sekunde damit rechnet, dass „gleich“ etwas übles passieren wird (nur, um die Charaktere zumeist in „letzter Sekunde“ wieder zur Räson zu bringen). Was dem Film vergleichsweise schwer konsumierbar macht, ist der Verzicht auf eine klare Identifikationsfigur für das Publikum. Der Film arbeitet sehr schön heraus, dass Andrzej und der junge Mann quasi „charakterlich“ ein und die selbe Person sind (jetzt nicht physisch gemeint, sondern metaphorisch, if you catch my drift), die sich trotz des sichtbaren Alters- und vermeintlichen Mentalitätsunterschieds stärker ähneln, als ihnen jeweils bewußt ist. Und Krystyna tut wenig bis nichts dazu, um die Situation zu deeskalieren, sie ist sozusagen gleichzeitig Trophäe als auch Mitspielerin des Psychospiels der Männer (und das Ende lässt mit gewisser Berechtigung sogar noch eine gewagtere Interpretation zu, der ich mich zwar nicht unbedingt anschließen möchte, die aber nicht völlig von der Hand zu weisen ist: War das „Spiel“ vielleicht gar kein Zufall? Legte Andrzej und möglicherweise auch Krystyna es darauf an? War es nicht das erste dieser Art?).

Auch rein filmisch ist Das Messer im Wasser durchaus beeindruckend – es ist sicherlich nicht gerade die leichteste Aufgabe, die man sich stellen kann, einen abendfüllenden Spielfilm praktisch ausschließlich auf und im unmittelbaren Umkreis um eine vielleicht fünf Meter lange Segelyacht zu drehen, aber Polanski löst sie mit Bravour. Die Kameraführung ist nie zu intim, nie zu aufdringlich, aber dennoch nah dran am Geschehen (wobei der Streifen sicher im vorliegenden Schwarz-Weiß besser wirkt als in einer eventuellen Farbfassung). Eine klitzekleine Nacktszene hat Schelm Polanski auch eingebaut.

Die Beschränkung auf drei Personen und quasi eine Location gereicht dem Film insgesamt zum Vorteil – als Zuschauer ist man stets mitten im Geschehen, wird nicht durch Nebenschauplätze oder Subplots abgelenkt und kann sich der eigentümlichen, latent bedrohlichen Atmosphäre des Streifens ergeben. Das ist kein Hochspannungsthrillkino, aber, wenn man sich drauf einlässt, eine sehr lohnende und fesselnde Erfahrung.

Die darstellerischen Leistungen sind dabei durchaus angemessen. Der polnische Veteran Leon Niemczyk, der in den 70er Jahren auch ab und zu für die DEFA tätig war (Apachen, Polizeiruf 110), agiert souverän als Andrzej und Zygmunt Malanowicz steht ihm prinzipiell in nicht viel nach, auch wenn ich ihn persönlich etwas zu alt für die Rolle finde. In der polnischen Originalfassung spricht übrigens Polanski selbst die Rolle – er wollte den Part ursprünglich komplett selbst spielen, was ihm aber verwehrt wurde. Nachsynchronisiert in der polnischen Fassung wurde übrigens auch Jolanta Umecka, der eine größere Filmkarriere versagt blieb.

Bildqualität: Natürlich muss man bei einem vierzig Jahre alten Schwarz-Weiß-Film gewisse Abstriche in der Bildqualität machen, aber das, was mcOne im Rahmen seiner „Classic Edition“ vorlegt, ist so schlecht nicht – der Film liegt im Original-Aspect-Ratio 1.33:1 (4:3) vor – der verwendete Print ist für das Alter des Streifens sehr sauber und ordentlich scharf und kontrastreich, die Kompression könnte ein wenig besser sein. Allerdings wird man den Film „schöner“ wohl kaum mehr erleben können. Geht also schon schwer in Ordnung.

Tonqualität: Erfreulicherweise wurde publisherseits darauf verzichtet, den zeitgenössischen Mono-Tracks mit einem überflüssigen Dolby-Upmix auf die vermeintlichen Sprünge zu helfen. Sowohl die deutsche Synchronfassung als auch die polnische Originalversion liegen in Dolby 2.0 Mono vor (optionale deutsche Untertitel, die manchmal etwas knapp gehalten sind, verstehen sich von selbst). Beide Tonspuren sind für das Alter des Films ausgezeichnet, besonders, wenn die jazzige Musik einsetzt, wobei die deutsche Fassung zwar die etwas klarere Sprachqualität aufzuweisen scheint, dafür aber einen Tick verrauschter ist. Letztendlich kann man aber mit beiden Tonfassungen ausgezeichnet leben.

Extras: Etwas rügen muss man mcOne sicherlich bei der Ausstattung. Außer Biographien für Polanski und die drei Darsteller sowie einer Fotogalerie (die erfreulicherweise auch ein bissl Plakatartwork und Aushangfotos beinhaltet) gibt’s nämlich nur noch eine Trailershow (die allerdings wuppt mit satten 20 Titeln). Schade deswegen, weil zum US-Release des Films u.a. eine Dokumentation erstellt wurde, die Polanskis Werdegang bis einschließlich Messer im Wasser beleuchtete, und die hätte dieser Scheibe, die sich ja als Teil einer Sammleredition versteht, gut getan (ersatzweise wäre natürlich auch der ein oder andere Studenten-Kurzfilm Polanskis, die in den USA ebenfalls als Teil einer Werkedition erhältlich sind, willkommen gewesen). Allerdings ist es natürlich schön genug, dass ein kleiner Klassiker wie dieser endlich auf DVD vorliegt.

Fazit: Bei Polanski ist das so ’ne Sache – man kann eigentlich nie ganz sicher sein, in welcher Güteklasse der Meister seine Filme ablegt. Absoluten Klassikern wie Ekel, Tanz der Vampire oder Rosemaries Baby steht Mittelmass wie Tess oder Frantic und vollkommen Vergessenswertes wie Piraten oder die verquaste Altmännerphantasie Bitter Moon gegenüber. Das Messer im Wasser zählt zweifellos zu Polanskis besseren Arbeiten und ist schon deshalb bemerkenswert, weil sich einige den Regisseur auch später immer wieder beschäftigende Themen hier bereits andeuten. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei dem Streifen um einen Film für Cineasten und kein Mainstream-Publikum, letzterem wird der Streifen zu aktionslos, zu statisch und zu langsam sein. Wer aber ein Faible für intensive Psychodramen hat (oder sich dafür interessiert, wo einige Archetypen modernen Thrillerkinos herkommen), kommt an dem Film kaum vorbei. Schade, dass die DVD, die zwar gute Bild- und Tonqualität liefert, aber mau ausgestattet ist, nicht wirklich billig vertickt wird.

4/5
(c) 2006 Dr. Acula


mm
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