Oldboy

 
  • Original-Titel: Oldeuboi
  •  
  • Regie: Chan-Wook Park
  • Land: Südkorea
  • Jahr: 2003
  • Darsteller:

    Min-Sik Choi (Dae-Su), Ji-Tae Yu (Woo-Jin), Hye-Jeong Kang (Mido), Dae-Han Ji, Dal-Su Oh, Byeong-Ok Kim, Su-Hyeon Kim


Vorwort

Oh Dae-Su trägt seinen Namen zu Unrecht – der bedeutet nämlich „Der gut mit Leuten zurechtkommt“, und das kann man von dem pathetischen Looser nun wirklich nicht behaupten. Sogar den Geburtstag seiner Tochter verbringt Dae-Su lieber betrunken und randalierend auf’m Polizeirevier. Kaum von seinem besten Freund ausgelöst, geht der Ärger auch schon weiter – er wird von unbekannter Hand entführt und findet sich in einem merkwürdigen Gefängnis eingesperrt wieder. Niemand sagt ihm, warum er hier ist oder wie lange er festgehalten werden soll. Einzig ein Fernseher leistet ihm Gesellschaft und von dem erfährt er auch nach einem Jahr, dass seine Frau ermordet wurde und er als Mörder gesucht wird. Dae-Su entwickelt ungeahnte Zielstrebigkeit und arbeitet an seiner Flucht – just, als er nach 14 Jahren (!) den entscheidenden Durchbruch erzielt, wird er von seinen Peinigern betäubt und freigelassen. Sein neues Lebensziel ist leicht zu erraten – er will wissen, wem er seine Gefangenschaft zu verdanken hat und vor allem warum. Ein Puzzlespiel beginnt – unterstützt von dem Mädchen Mido versucht Dae-Su, dem Geheimnis auf den Grund zu kommen. Wem ist er in seiner Vergangenheit so auf die Füße getreten, dass der zu solch perfiden Mitteln greift? Und kann er Mido trauen?


Inhalt

Die Vorab-Lobhudeleien über Oldboy waren so exorbitant zahlreich und vor allem extrem lobhudelnd, dass der südkoreanische Rachestreifen vom Sympathy for Mr. Vengeance-Regisseur Chan-Wook Park eigentlich der einzige schon Wochen vor FFF-Start feststehende Termin für den Doc war. Nach zwei Stunden Film (und dem beim Cinemaxx Potsdamer Platz mittlerweile schon gewohnten Chaos bei Großveranstaltungen – wenn man schon die Berlinale nicht gebacken bekommt, warum sollte es beim FFF besser klappen?) muss ich, zu meinem eigenen Leidwesen, feststellen: meinen zugegeben hohen Erwartungen ist der Film nicht gerecht geworden.

Tja, es tut mir ja in der Seele weh, ich wollte den Film wirklich super finden, alas, ich kann’s nicht, und das, obwohl der Streifen an alles appelliert, was ich grundsätzlich gut finde bis liebe. Die Atmosphäre und das ganze Grundsetting hat etwas von der Düsternis und fatalen Konsequenz der besten David-Fincher-Streifen (wobei’s einem manchmal so vorkommt, als würde man einer Hardcore-Ausgabe von The Game beiwohnen, und dass ich das Hardcore dabei nicht pornographisch meine, sollte klar sein), die gelegentlich fast dokumentarisch wirkende Kameraführung lässt ab und an an Lars von Trier denken, die Erzählstruktur könnte Tarantino gefallen (bzw. muss ihm gefallen haben, schließlich räumte der Streifen in Cannes einen Preis ab). Die schauspielerischen Leistungen sind durch die Bank hervorragend, wobei Dae-Su-Darsteller Min-Sik Choi noch gesondert deutlich herausgehoben werden muss – seine Performance ist stellenweise atemberaubend. So manche Szene für sich allein ist brillant – die (einzige) große Kampfszene zählt sicher zum filmisch aufregendsten, was in den letzten Jahren auf die Leinwand kam, der erste Akt, in dem Dae-Su in seinem Gefängnis hockt und vom Weichei zum harten Burschen mutiert, geht stark an die Nieren, der Showdown ist an Bösartigkeit kaum zu überbieten (wenngleich nicht immer logisch) und in meiner absoluten Lieblingsszene (SPOILER ALARM SPOILER ALARM SPOILER ALARM), in der Dae-Su auf der Suche nach dem Geheimnis sein „jüngeres Ich“ in einer wahren Escher-Gedächtnis-Tour über Gehirnwindungen zum Platzen bringende Treppen verfolgt, blieb mir wirklich die Spucke weg. Ganz großes Kino. Sogar die Dialoge, die nicht immer die Spezialdisziplin asiatischer Filmschaffender sind, sind meist intelligent und oft pfiffig. Auch die relativ lange Laufzeit von 119 Minuten stört nicht – der Film hat einen sehr schönen Rhythmus, einen ausgezeichneten Flow. Was die Härte angeht – die spielt sich mehr im Kopf des Zuschauers als auf der Leinwand ab – obwohl einiges an hartem Tobak aufgefahren wird, stellt man im Nachhinein fast schon erstaunt fest, dass wirklich explizites Blutgeschmoddere o.ä. kaum stattfindet. Park setzt richtigerweise darauf, dass die Einbildungskraft des Zuschauers gemeiner ist als der fieseste Splattereffekt, den er sich ausdenken könne (und bestätigt wurde ich dadurch allein schon durch die unmittelbaren Publikumsreaktionen. Ich sage nur: Hammer).

Klingt also doch alles prima, so what the fuck went wrong? Der Minor Quibble vorab – die musikalische Untermalung schwankt von fulminant bis hanebüchen, da findet sich kein durchgängiger Stil, aber auch keine durchgängige Stillosigkeit (im Sinne von Tarantino-Soundtracks). Das ist aber, wie erwähnt, das kleinere Problem, das größere liegt im Script. Kann denn keiner diesen Japanern/Koreanern/Chinesen mal ein amtliches Drehbuch hinzimmern? Yep, ich weiß, der Gag an Oldboy liegt daran, dass seine Geschichte sich wirklich erst mit den letzten Minuten erschließt und, ja, im Zweifel gehe ich davon aus, dass Chan-Wook Park und seinen Co-Autoren eine schlüssige Auflösung im Vergleich zu einem „coolen“ Film eher vernachlässigenswert erschien, aber, liebe Freunde, das muss einfach mal gesagt werden – die Lösung des Rätsels ist einfach nur billig (und dann, leider Gottes, nicht halb so clever und überraschend, wie der Film sich das wohl vorstellt). Normalerweise würde ich jetzt lösen und aussprechen, was speziell mich an der Auflösung stört, aber da der Film seinen regulären Kinoeinsatz ja erst noch bekommen wird und ich um Himmels Willen niemandem bei einer aktuellen Kinoproduktion den Spaß verderben will (das hebe ich mir für DVD- und Videoreleases auf, hehe), lasse ich es bei folgenden Worten bewenden: ich fühlte mich schon ein wenig beschummelt, denn die Methode, mit der der Streifen seine verschiedenen Twists und Turns erklärt, halte ich für Spielverderberei. Mit solchen Kunstgriffen konnte man vielleicht in den 40er Jahren in einem Bela-Lugosi-Kintopp-Klopper kommen, aber heutzutage wirkt das ein bissl sehr nach „deus ex machina“ a la „knallen wir dem Publikum mal schnell was um die Ohren, was halbwegs plausibel klingen könnte, so lang man nicht drüber nachdenkt“, und das ist mir für einen Film dieses Kalibers, der ersichtlich mehr sein will als bloßes Entertainmentkino, sondern auch eine gallige Parabel auf Verantwortungslosigkeit, falschen Hass und die Sinnlosigkeit der Rache (ich würde jetzt gern einen entscheidenden Plotpunkt spoilern, der mir sehr gefiel, spoilern. Naja, mach ich’s halt per ROT13, wird ja jeder, den’s interessiert, mühelos dechiffrieren können: Mir gefiel sehr gut die Pointe, qnff qvr Enpurtrfpuvpugr zrue bqre jravtre va hztrqerugre Xbafgryyngvba shaxgvbavreg, nyf zna hefceüatyvpu zrvara zöpugr), halt doch zu wenig (es ist ein bissl der „chickenish way out“ und, um beim oben angesprochenen Vergleich zu bleiben, etwas, was Fincher vermeiden würde).

Also, im Klartext – Oldboy ist durchaus ein sehenswerter Film, vor allem dank seines überragenden Hauptdarstellers und für sich alleine stehend genialer Sequenzen. Der Überhammer, der teilweise kolportiert wurde, ist der Streifen aber nicht. Park ist zweifellos ein großes Regietalent, aber, wie so viele seiner talentierten Kollegen aus dem asiatischen Raum, was der Kerl braucht, ist ein anständiger Schreiberling, der ihm eine amtliche Plotte zum Verfilmen vorsetzt – eine schlüssige, logische und den Zuschauer am Ende nicht mit einem „Was? DAS war der Kniff? Bäääh…“-Gefühl zurücklässt.


mm
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