November

 
  • Deutscher Titel: November
  • Original-Titel: November
  •  
  • Regie: Greg Harrison
  • Land: USA
  • Jahr: 2004
  • Darsteller:

    Courteney Cox (Sophie Jacobs), James LeGros (Hugh), Michael Ealy (Jesse), Nora Dunn (Dr. Fayn), Nick Offerman (Officer Roberts), Anne Archer (Carol Jacobs), Matthew Carey (The Shooter), Robert Wu (Juhn), Constance Hsu (Wei), Brittany Ishibashi (Lim)


Vorwort

Für die Fotografin und Uni-Dozentin Sophie wird der 7. November zum verhängnisvollen Datum. Weil sie nach dem gemeinsamen China-Schmackofatz mit Lebensabschnittsgefährten Hugh, den sie im Zug einer leidenschaftlichen Affäre mit ihrem Kollegen Jesse betrügt, noch ein Heißhunger auf Süßes überfällt, pilgert Hugh treudoof in einen Mini-Markt und wird dort prompt von einem vorbeischneienden Räubersmann erschossen. Das legt sich begreiflicherweise auf Sophies empfindsame Psyche. Als wäre sie eh nicht schon nervlich angeschlagen genug, stören rätselhafte Ereignisse ihr Leben – ein ihrem Uni-Kurs taucht plötzlich ein Dia auf, das den Mini-Markt genau zum Tatzeitpunkt zeigt, natürlich aber von niemandem geschossen worden sein wil; auf ihrem Fernseher erscheinen Bilder der Überwachungskameras des Ladens. Als ihr der ermittelnde Polizist Roberts schlußendlich eröffnet, dass das fragliche Dia von ihr selbst zur Entwicklung gegeben wurde, bricht Sophie zusammen – es ist wieder der 7. November, doch die Ereignisse im Mini-Markt nehmen einen deutlich anderen Verlauf, aber nicht minder seelenfriedenstörend…


Inhalt

Oha, this one got „mindfuck“ written all over it. Mit seinem Mystery-Drama-Thriller „November“ wandelt Greg Harrison, und Regisseur des einigermaßen beachteten Rave-Films „Groove“ recht eindeutig auf den Pfaden eines David Lynch (was den deutschen Vertrieb umgehend zu „Mulholland Drive“-Vergleichen auf dem Cover nötigte). Mit einem für Hollywood-Verhältnisse mikrobenhaften Budget von 300.000 Dollar, 15 Tagen Drehzeit auf Mini-DV und immerhin anderthalb echten Stars im Cast realisierte Harrison einen der bizarreren Filme der jüngsten Zeit, den man noch dazu noch nicht mal richtig rezensieren kann, ohne den ultimaten Twist der Story beiläufig auszuplaudern. Na, das ist doch mal eine Herausforderung.

Erledigen wir halt zu Beginn einen anderen, sich aufdrängenden Vergleich – „Lola rennt“. Ähnlich wie im Tykwer-Werk werden wir insgesamt dreimal mit der in Grundzügen ähnlichen Geschichte behelligt, allerdings beackert Harrison in seinen „Kapiteln“ (die übrigens offiziell als solche eingeteilt sind und „Verleugnung“, „Verzweiflung“ und „Akzeptieren“ heißen) erstens einen längeren Zeitraum als das Quasi-Echtzeit-Abenteuer Lolas und geht insgesamt, scriptbedingt, etwas „freier“ mit seiner Geschichte um, d.h. er spinnt nicht von einer in allen Kapiteln identischen Prämisse aus, sondern er (bzw. sein Drehbuchautor, Debütant Benjamin Brand) variieren die Voraussetzungen (im quasi erklärenden dritten Kapitel ist der Ladenüberfall auch nicht, wie in den beiden vorangegangenen Chaptern, der Auftakt, sondern der Abschluß). Zum Inhalt selbst kann ich aus naheliegenden Gründen (ich würde die Pointe verraten, kann aber immerhin feststellen, dass es eine Auflösung GIBT, wenngleich ich einen ähnlichen Twist bereits gesehen habe) nicht wahnsinnig viel sagen.

Wenden wir uns daher lieber den filmischen Aspekten zu. Harrison hat das seinen Worten nach ziemlich fragmentarische Script sehr, hm, sagen wir mal koordiniert umgesetzt. Jede Episode hat ihr eigenes Farbschema, ihre eigene „Signatur“, die mit den von den Kapitelüberschriften gesetzten Stimmungen korrespondiert – die „Verleugnung“-Episode ist sehr kalt, neon-düster, die „Verzweiflung“ ist in erdigeren Tönen gehalten, lediglich die „Akzeptieren“-Episode (die man in gewisser Weise auch die „Erlösungs“-Episode nennen könnte) wird in realistischer Vielfarbigkeit erzählt. Der Film versucht also den psychischen Zustand seiner Protagonistin (und der Film ist quasi eine one-woman-show, in der Courteney Cox sicher in 90 Prozent der Szenen im Bild ist) umzusetzen und kommt damit visuell gut durch. Leider kann die Kameraführung nicht immer mit dem visuellen Gesamtkonzept mithalten – auf gute Ideen (wie Spiegelsymbolik) kommt leider in den dialoglastigen Szenen (und da gibt’s einige) viel Schuss-Gegenschuss zum Einsatz, und da die Story bewusst repetetiv angelegt ist, man sich also durch einige Szenarien rein optisch, bis auf die Farbgebung, quasi dreimal identisch durcharbeiten muss, ist ein leichter Ermüdungseffekt nicht zu vermeiden, zumal man auch böswillig sagen könnte, dass die erste Variante die interessanteste ist…

Dass der Director hauptamtlich normalerweise als Cutter seine Brötchen verdient, merkt man an größtenteils gut eingesetzter Montagetechnik (selbstverständlich gibt’s so einiges an Flashcuts) und auch die Gestaltung der Kapitelüberleitungen durch surreale Imagery verdient Lob, ebenso der gefühl- und wirkungsvoll eingesetzte Soundtrack.

Dieweil der Streifen, was echte Härten angeht, bis auf ein paar recht drastische Einschüsse (zumeist aus zweiter Hand in Fotoform), recht handzahm bleibt, dürften zartbesaitete Gemüter an einer zwar un-exploitativ in Szene gesetzten, nichtsdestotrotz ziemlich ekligen Sequenz, in der Courteney Cox sich mit einem Q-Tip blutig im Ohr rumwühlt, doch erfreuen.

Stichwort Courteney Cox – der „Friends“- und „Scream“-Superstar war willig, an dieser Mini-Produktion teilzunehmen, weil sie hier konsequent gegen ihr Image anspielen kann. Sie trägt größtenteils Outfits, die man nur als „hideous“ bezeichnen kann („Mut zur Hässlichkeit“ wäre vielleicht etwas zu stark gesprochen, aber es zeigt die Richtung an) und beweist, dass sie durchaus auch dramatische Rollen meistern kann. Dafür muss man sicher noch keinen Oscar rausrücken, aber ihr gelingt die anspruchsvolle Aufgabe, den Film schauspielerisch im Alleingang zu tragen, erstaunlich souverän. Ihr nomineller Co-Star ist der vielbeschäftigte James LeGros (seinerzeit grandios als Brad-Pitt-Abziehbild Chad Palomino in „Living in Oblivion“, hierzulande möglicherweise am bekanntesten durch zwei Seasons bei „Ally McBeal“), der allerdings viel zu farblos bleibt (bei ihm erkennt man kaum einen Unterschied in seinen verschiedenen Emotionslagen, die er drehbuchgemäß zeigen muss). Michael Ealy („2 Fast 2 Furious“) hat als Cox‘ „Affäre“ kaum Gelegenheit, sich auszuzeichnen, Nora Dunn („Saturday Night Live“-Comedienne) und die Oscar-Nominentin Anne Archer (Eine verhängnisvolle Affäre) holen aus ihren kleinen Rollen den maximalen Effekt.

Abschließend sei noch abgemerkt, dass der Streifen, der nach seiner Sundance-Premiere vom Regisseur noch umbearbeitet wurde (die Kapiteleinteilung kam hinzu, dito eine neue Vorspann-Sequenz), verdammt kurz ausgefallen ist – auf seine mageren 79 Minuten Laufzeit hievt sich der Film nur durch einen über neunminütigen Abspann…

Bildqualität: Low-Budget-Mini-DV-Filme sind selten Kandidaten für herausragende Bildqualität, und da macht „November“ keine Ausnahme. Der anamorphe 1.85:1-Widescreen- Transfer ist aber passabel ausgefallen. Die medienbedingte Grobkörnigkeit fällt am normalen Fernsehgerät kaum auf (dafür aber doch am PC-Monitor um so deutlicher), der Print ist störungs- und verschmutzungsfrei und liefert solide Schärfe- und Kontrastwerte. Leider machen sich ein paar Nachzieher bemerkbar, was bei 79 Minuten plus Bonusmaterial auf einer DVD-9 nicht unbedingt sein müsste.

Tonqualität: Sunfilm liefert die üblichen verdächtigen drei Tonspuren, Dolby Digital 5.1 in Deutsch und Englisch sowie deutschen dts-Track. Ich habe mich wie üblich auf die O-Ton- Spur konzentriert (deutschte Untertitel werden mitgeliefert, aber Vicomedia kann sich den üblichen großen Hau nicht verkneifen und verwechselt einmal den Sinn des Wortes „shooting“… wobei man im Englischen „shooting“ im allgemeinen nicht für eine Foto-Session verwendet, das ist einfach ein „shoot“). Die ist manchmal etwas leise und im Dialogton nicht immer völlig überzeugend – kann aber auch ein Problem des preiswerten Quellmaterials gewesen sein.

Extras: Für eine „kleinere“ Veröffentlichung doch ein gerüttelt Maß – zwei Audiokommentare von Greg Harrison, einmal in Begleitung der Kamerafrau, einmal mit dem Scriptwriter, die alternative, ursprüngliche Vorspannsequenz, eine Fotogalerie und eine Featurette über die digitale Post-Produktion und die visuelle Gestaltung des Films, kommentiert von Harrison und Designer/Komponist Lew Baldwin. Dazu noch der Originaltrailer und die obligate Trailershow, das Package passt.

Fazit: Ein neuer Konkurrent von David Lynch ist mit Greg Harrison noch nicht erwachsen – „November“ ist aber ein netter kleiner Bizarro-Snack, wenn man für die Abseitigkeiten des Großmeisters des mindfuck-movies keinen Nerv hat; immerhin offeriert „November“ für seine Twists und Turns eine echte Auflösung (auch, wenn die einerseits nicht ganz neu und andererseits sowas wie das „Totschlagargument“ in Filmen dieser Art ist), visuell interessant konzeptioniert und mit einer erstaunlich gut agierenden Hauptdarstellerin gesegnet. Wem „Lost Highway“ zu schwer verdaulich war, könnte hier auf seine Kosten kommen. Die Sunfilm-DVD holt aus dem Material das wohl maximal erreichbare heraus.

3/5
(c) 2005 Dr. Acula


mm
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