Motown

 
  • Deutscher Titel: Motown
  • Original-Titel: Motown
  •  
  • Regie: Deutschland
  • Land: 2003
  • Jahr: Stefan Barth
  • Darsteller:

    Nicolas Wackerbarth (Duke), Doreen Jacobi (Diaz), Thorsten Grasshoff (Patrick), Steffen Groth (Vince), Oliver Petszokat (Olli), Anne Brendler (Ria), Yasmina Fiali (Pocahontas), Tatiani Katranzi


Vorwort

Nach einem Jahr US-Aufenthalt kehrt Duke zurück in seine Heimatstadt Erfurt und freut sich auf seine alte Clique – den temperamentvollen und sexuell vergnügungssüchtigen Vincente (den auch die Heirat mit der attraktiven Ria nicht daran hindert, am Wochenende alles zu bespringen, was nicht bei Drei auf’m Baum ist), den notorischen dauerbekifften Langzeitstudenten Olli (der wiederum sexuelle Erfüllung hauptsächlich bei Pornofilmen findet) und den zum erfolgsorientierten Yuppie mutierten Patrick – und der beabsichtigt, die schöne Diaz zum Traualter zu führen, und Duke möchte doch, bitteschön, den Trauzeugen spielen. Doch schon da beginnen die Komplikationen für die vier alten Kumpel, die ihre Abende und Wochenenden bevorzugt in der Kneipe „motown“ verbringen – für Duke stellt die Rückkehr in die Heimat nur eine Übergangsstation dar, denn er will für immer nach New Mexico auswandern, was seine Freude ihm leicht verübeln und, was das noch größere Problem darstellt, ohne es zu wollen, verknallt sich Duke Hals über Kopf in Diaz – und jeder, der mal in einer Clique gewesen ist, wird das ungeschriebene Gesetz ja kennen: man vergreift sich nicht an den Freundinnen der besten Freunde – und schon gar nicht, wenn man in ein paar Tagen eh die Flatter macht…


Inhalt

Es ist eine kleine Geschichte, die Drehbuchautor und Regiedebütant Steffen Barth mit „Motown“ auf die Beine gestellt hat, aber kleine Geschichten sind ja wahrlich nicht die schlechtesten. Wenn sich das DVD-Cover schon zu Vergleichen mit „Diner“ und „American Graffiti“ versteigt, die nicht völlig aus der Luft gegriffen sind, weil es sich, auch wenn die Protagonisten in „Motown“ allesamt schon mindestens Mitte 20 sind, letztlich um eine der beliebten „coming-of-age“-Geschichten handelt, möchte ich auch noch, wegen des Mikrokosmos Kneipe und der Beziehungsgeflechte auch noch den famosen, auch von der Stimmung her ähnlich zwischen Komödie und Drama pendelnden Buscemi-Film „Trees Lounge“ als Orientierungspunkt einwerfen. Im Kern der Geschichte steht die alte und offensichtlich nie zu gänzlicher Zufriedenheit von Filmemacher weltweit aufgeklärte Frage – Was ist wichtiger, über Jahre aufgebaute Freundschaft „für’s Leben“ oder die wankelmütige Liebe, die genauso schnell verschwunden sein kann wie sie kam? Natürlich hat auch „Motown“ auf dieses Dilemma keine Antwort, aber weniger als die Lösung dieses Problems interessiert hier als die Frage, wie die Protagonisten damit umgehen.

Da Barth erfreulicherweise nicht nur irgendwelche Schablonen-Charaktere ins Spiel bringt, sondern glaubhafte Personen mit Ecken und Kanten, die allesamt sympathische Züge tragen, aber auch ihre Macken, Laster und unangenehmen Seiten; aus diesen Charakterfacetten entwickelt sich die Geschichte fast wie von selbst, da braucht es nur noch minimalen äußeren Anschub und schon fügt sich das Ensemblestück beinahe automatisch zusammen.

Die Story selbst ist lässig erzählt, flott genug, um nicht langweilig zu werden, aber auch nicht zu oberflächlich, um nicht auch ein paar tiefere Passagen zu beinhalten, die aber, rein was die ansonsten sehr natürlichen, wenngleich manchmal etwas zu platten Dialoge (diesseits eines Hardcorepornos gibt’s die Wörter „ficken“, „wichsen“ und ähnliche ergreifende Vokabeln der deutschen Sprache wohl kaum zu hören), leider auch die schwächsten Momente sind, weil dem Autor und Regisseur für meine Begriffe an diesen Stellen die Natürlichkeit ausgeht und er um die üblichen Klischees nicht herumkommt („da war so was wie Elektrizität zwischen uns“… So redet doch kein Mensch, zumindest keiner, den ich kenne). In diesen intimen (intim nicht im Sinne von „sexuell intim“, gelle) Momente der Zweisamkeit verlässt auch die Schauspieler zeitweilig ihr Können – es sind zugegeben wohl die schwierigisten Szenen, die man einem Schauspieler vor die Nase setzen kann, aber besonders wenn Doreen Jacobi und Nicolas Wackerbarth ihre „Schlüsselszenen“ haben, wirkt’s ihr Spiel nicht mehr so natürlich-frisch wie in den Szenen, die sie mit ihren Ensemblekollegen teilen, sondern zu künstlich. Auch wenn diese etwas schwächer gelungenen Szenen nach dem Willen des Scripts die „Schlüsselmomente“ sind, so sind sie erfreulicherweise gegenüber den teilweise herrlichen Szenen mit dem „kompletten“ Ensemble in der Minderzahl. Wenn Duke & Co. in ihrer Kneipe sitzen und über Gott und die Welt (d.h. hauptsächlich „geile Frauen“) ratschen, so ist dies zwar hauptsächlich handlungsirrelevantes „Gelabere“, aber solches der unterhaltsamen Sorte, weil die Dialoge, wie oben geschildert, zwar sprachlich eher drastisch sind, aber dennoch/deswegen ungekünstelte, ungescriptete Authenzität ausstrahlen (einen eher peinlichen Tarantino-Gedächtnisdialog zwischen Duke und Diaz über „The Wild Bunch“ hätte sich Barth aber schenken sollen).

Der Look des Films ist bewußt eher klein, intim und dank Mini-DV-Kamerasystems „schmutzig“ geraten. Das mag der geschilderten Authenzität dienlich sein, die Grobkörnigkeit des Filmmaterials und die technischen Unzulänglichkeiten dieser Art des Filmemachens (speziell, was die Beleuchtung angeht – einige Szenen wirken wirklich wie überbelichtete Familienfilme) können allerdings auch anstrengen. Da es sich nicht um „Großes Kino“ im Wortsinne handelt, ersparen sich Kameraführung und Schnitt (bis auf einige kleinere Montagen) keine Experimente. Großartig unterstützt wird die Stimmung des Films vom ausgezeichneten Soundtrack (erwartungsgemäß auf der Deutschrockschiene, jedoch ohne wirkliche „Namen“, die Songs beisteuern. Bekannteste Kapelle auf dem Soundtrack sind zweifellos die verlässlichen „Die Schröders“).

Wie bereits erwähnt besitzen die Schauspieler in der Tat die angemessene Natürlichkeit – die (bis auf eine Ausnahme) eher unbekannten Gesichter (es sei denn, man sieht wirklich jeden deutschen Fernsehfilm auf den Privatsendern und die einschlägigen Vorabendserien) erledigen ihre Aufgabe größtenteils gut, wobei schwächstes Glied in der Kette ironischerweise Hauptdarsteller Nicolas Wackerbarth (Duke) ist, der allerdings manchmal auch vom Script (das ihm einige der läßlichsten Dialoge in den Mund legt) im Stich gelassen wird. Doreen Jacobi als Diaz (wie kömmt’s wohl zu dem Rollennamen…) lässt ihren natürlichen Charme spielen, Thorsten Grashoff („Swimming Pool – Der Tod feiert mit“) verkörpert sehr überzeugend den materialistischen Yuppie-Schnösel, der gar nicht mitbekommt, wie sehr ihm seine Beziehung entgleitet und Steffen Groth bekommt den italienischen Schwerenöter Vince auch sehr gut hin, doch die große schauspielerische Offenbarung bietet (mögen mir die Finger beim Schreiben abfaulen) niemand anderes als Ex-„GZSZ“-Ikone und Musikkanal-Verschmutzer „Oli P.“ alias Oliver Petszokat als bekiffter Pornofan Olli. Da klappe ich mein sprichwörtliches „Respekt“-Schild hoch und revidiere das ein oder andere Vorurteil – solange er nicht „rappt“, ist Oli P. vielleicht doch zu was zu gebrauchen…

Bild Zunächst mal stellt sich mir die Frage, warum man als Renommier-Label wie mcOne sich Ende 2004 noch die Blöße gibt, eine Neuerscheinung mit nicht anamorphem Bild auf den Markt zu bringen – „Motown“ ist lediglich im 4:3-Letterbox-Format (1.85:1) erschienen. Gut, es mag sich bei „Motown“ nicht um die Sorte Film handeln, mit der man sich auf dem Heimvideomarkt die goldene Nase verdient, aber bei mcOne sollte 16:9-Optimierung eigentlich zum Standard gehören. Die Bildqualität selbst ist aufgrund der Drehweise mit Mini-DV auch nicht gerade beamerfreundlich. Das Quellmaterial an sich ist bereits sehr grobkörnig und teilweise (bewußt?) unglücklich ausgeleuchtet. Daher bleibt’s natürlich auch in der DVD-Umsetzung bei einem recht rauen, groben Look. Detail- und Kantenschärfe bewegen sich wie der Kontrast quellmaterialbedingt auf durchschnittlichem Niveau, die Kompression verrichtet ihren Dienst klaglos unauffällig.

Ton: Die einzige Tonspur, die mcOne anbietet, legt den deutschen Ton im Dolby-Surround-2.0-Format vor. Auch hier ist aufgrund der Beschränkungen des Quellmaterials kein Klangfestival zu erwarten – der Ton ist zweckmäßig, nicht mehr, nicht weniger, die Dialoge sind klar verständlich und die Musik angenehm beigemischt.

Extras: An Zusatzmaterial findet sich neben deutschen Untertiteln für Hörgeschädigte, der üblichen Trailershow und Biographien für die vier wesentlichen Darsteller ein recht launiges, gut 13 Minuten langes Making-of, das allerdings auf der üblichen selbstlobhudelnden Seite liegt, dennoch aber den Beteiligten (es kommen alle wesentlichen Darsteller, der Kameramann sowie Regisseur und Produzent zu Wort) auch ein paar interessante Tidbits aus der Nase lockt.

Fazit: „Motown“ in den Rang eines „German Graffiti“ zu erheben, wäre sicherlich übertrieben – dafür hat der Film doch einige Schwächen, wenn’s an die dramatischen Aspekte der Geschichte geht. Der komödiantische Part der Story funktioniert dagegen, auch dank der in diesen Szenen überzeugend-natürlichen Darsteller, sehr gut. Auch wenn „Motown“ schlußendlich an seinen Ambitionen knapp scheitert, vermittelt er doch einen ziemlich unterhaltsamen Einblick in die Welt der „twentysomethings“, die noch nicht wissen, in welche Richtung sich ihr Leben weiterentwickeln wird. Und recht erfrischend empfand ich auch, dass ich endlich mal einen „im Osten“ gedrehten Film sehen durfte, der diese Tatsache nicht breittritt (es geht doch – man muss nicht aus jedem Stoff ein Ost-/West-Drama machen). Oli P.s schauspielerische Leistung ist (es fällt mir immer noch schwer) jedenfalls bemerkenswert. Insgesamt bescheinige ich Regieneuling Stefan Barth gerne ein gutes, unterhaltsames Debüt mit kleinen Schönheitsfehlern. mcOnes DVD hält, nicht zuletzt allerdings aufgrund der Herkunft des Films aus dem Low-Budget-Bereich, technisch nicht den Standard sonstiger Veröffentlichungen aus diesem Hause.

3/5
(c) 2004 Dr. Acula


mm
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