Casshern

 
  • Deutscher Titel: Casshern
  • Original-Titel: Casshern
  •  
  • Regie: Kazuaki Kiriya
  • Land: Japan
  • Jahr: 2004
  • Darsteller:

    Yusuke Iseya (Casshern/Tetsuya Azuma), Kumiko Aso (Luna Kozuki), Akira Terao (Kotaru Azuma), Kanako Higuchi (Midori Azuma), Fumiyo Kohinata (Kozuki), Hiroyuki Miyasako (Akubon), Jun Kaname (Barashin), Hidetoshi Nishijima (Lt. Col. Kamijo), Mitsuhiro Oikawa (Kaoru Naito), Toshiaki Karasawa (Burai)


Vorwort

Nach fünfzigjährigem Krieg hat die totalitäre Großasiatische Republik endlich die verfeindeten Europäer unterworfen und ein großes eurasisches Reich geschaffen. Von Frieden allerdings herrscht keine Spur, denn in „Zone 7“ leisten die Besetzten fleißig Widerstand. Tetsuya Azuma zieht in Erfüllung der vaterländischen Pflicht und gegen den Willen seines Vaters in den Krieg. Azuma senior forscht lieber an den „Neozellen“, die, wenn denn alles so klappen würde, wie der Herr Forschersmann sich das vorstellt, Gestalt und Funktion jeder beliebigen Körperzelle annehmen und damit das ideale organische Ersatzteillager darstellen würden. Hierfür interessiert sich begreiflicherweise das Militär, das seine Forschungen unterstützt. Just an dem Tag, an dem Tetsuyas Eltern (und seiner Jugendgeliebten Luna) kundgetan wird, dass Tetsuya heldenmäßig im Kampf den Löffel geworfen hat, schlägt ein mysteriöses blitzartiges Dingens in das Neozellen- Nährbecken ein und sorgt dafür, dass die dort bereits lagernden (aber nicht funktionierenden) diversen Organe und Körperteile sich zu menschlichen Wesen zusammensetzen und ihrem Brutbecken entsteigen. Das Militär schießt die „Neugeborenen“ zwar größtenteils zusammen, doch vier von ihnen (nebst Dr. Azumas Eheweib Midori, die zufällig in die ganze Ballerei hineingezogen wird) gelingt die entbehrungsreiche Flucht. In einem abgelegenen Schloss, praktischerweise mit allerhand Apparaten zur Herstellung titanischer Kampfmaschinen, errichten die „Neo-Menschen“ ihr Königreich und erklären den „Normalos“ den Krieg. Inzwischen hat aber der verzweifelte Azuma den angekarrten Leichnam seines Sohns ins Neozellen-Becken geworfen und ihn so reanimiert. Weil durch die Wurm-, äh, Frischzellenkur bei Tetsuya jetzt aber ordentlich Dampf auf’m Kessel ist und seine Haut den Druck unmöglich aushalten kann, braucht er eine von Azumas Kollegen Kozuki entworfene Rüstung, um nicht zu explodieren, die ihm nebenbei auch noch ein paar Superfähigkeiten (wie Fliegen können) verleiht. Als die Neos Kozukis Labor überfallen, um den Weißkittel ihrem zwangsrekrutierten Braintrust hinzufügen, wird der noch im Heiltank befindliche Tetsuya befreit und haut dem ein oder anderen Neumenschen schwer auf’s Haupt. Dann greift er sich Luna (Kozukis Tochter) und geht mit ihr stiften. Dieweil putscht Lt. Col. Kamijo, Sohn des altersschwachen (und auf Neozellengeneralüberholung hoffenden) Militärdiktators, gegen seinen alten Herrn und führt einen Zweifrontenkrieg gegen „Terroristen“ und Neos, die mit ihren Robotheeren eine Stadt nach der anderen platt machen. Im Zuge der Kampfhandlungen werden Tetsuya und Luna in ihrem Hideout, einer Flüchtlingssiedlung, von den Neos aufgespürt. Luna wird von Regierungstruppen gekäscht, während Tetsuya, der sich mittlerweile den Superheldennamen „Casshern“ zugelegt at, mit einem Neo kloppt. Luna wird zwischenzeitlich aber von einem anderen Neo aus unerfreulicher Lage (die Flüchtlinge, die die Regierung einsammelt, sollen in einem Vernichtungszug [wie Eisenbahn] massakriert werden) gerettet, so dass der arme Tetsuya nun überhaupt keinen Plan mehr hat, gegen wen er warum nun eigentlich kämpfen soll. Oder so ähnlich.


Inhalt

Heiliger Strohsack, was’n, äh, „Film“…

Neben „Sky Captain and the World of Tomorrow“ und dem an dieser Stelle auch schon gewürdigten „Immortal“ ist „Casshern“ der dritte Streifen, der von sich behauptet, beinahe komplett digital per Greenscreen-Verfahren realisiert worden zu sein. Und wie seine diesbezüglichen Genossen ist auch „Casshern“ ein weiteres Exempel für die vom Doc oft und gern aufgestellte These „nur, weil ich etwas machen KANN, heißt das noch lang nicht, dass ich es machen MUSS“, oder, anders ausgedrückt, „style over content“ wäre eine verniedlichende Beschreibung der 142 Minuten, die man mit diesem Film verbringt.

Ähnlich wie bei „Immortal“, aber noch viel ausgeprägter, zeigt sich, dass Digital-Gurus bei der Produktion von voll digitalen Filmen ob aller durchaus angebrachter Begeisterung über den Augenschmaus, den sie auf Leinwand bzw. Fernsehschirm klatschen, immer wieder gern vergessen, so rein aus Spaß an der Freud noch eine plausible Geschichte zu erzählen. Dies Mißgeschick unterlief ja schon Enki Bilal bei seiner Mär (wobei er sich wenigstens noch bemühte, aus seinem komplexen Comic-Universum eine vergleichsweise „kleine“ Vignette zu schildern), aber Kazuaki Kiriya und seine Mitstreiter setzen da noch einen drauf. „Casshern“, basierend auf einer Anime-Serie aus den wilden 70ern, ist von vorn bis hinten eine undurchschaubare, zusammenhanglose Grütze, die man nicht mal begreifen könnte, wenn man sich während des Filmverlaufs eine Übersichtskarte malt. Irgendwo in dem ganzen Murks versteckt sich ansatzweise eine wenn schon nicht gute, dann aber wenigstens gut gemeinte Idee (auch wenn die dank der Holzhammer-Moral am Ende vermittelte „lasst uns alle einander liebhaben“-Predigt angesichts ausufernder Schlachtenszenen ein wenig, äh, kontraproduktiv erscheint). Kiriya und sein Team packen so viele unterschiedliche Ebenen, so viele Subplots, so viele Charakterbeziehungen ins Script, es ist einfach dem Zuschauer einfach nicht mehr möglich, das alles unter einen Hut zu bringen (zumal der Streifen sich kaum mal mit Exposition aufhält). Sinn- und verstandesfrei werden diverse Nazi-Allegorien in den unverdaulichen Eintopf geworfen, und zwar auf beiden Seiten (welche davon „gut“ oder „böse“ ist, bleibt ambivalent-offen, was zwar eine gute Idee ist, aber halt miserabel umgesetzt wird) – die Neo-Menschen kämpfen unter einem Swastika- ähnlichen Symbol für die Unterwerfung der „normalen“ Menschen, die wiederum selbst einer Untermenschen-Ideologie anhängen und auf Schienen rollende Vernichtungslager unterhalten. Wie dem Protagonisten fällt es auch dem Zuschauer schwer, sich emotional auf das Tohuwabohu einzulassen – optischer Overkill und konfuses Scriptwriting schlagen das Bemühen, aus „Casshern“ keinen bloßen Krawallfilm zu machen, sondern ernsthafte philosophisch-moralische Fragen (zentrale Frage ist, wenn man so will, die Definition von „richtig“ und „falsch“ im ethisch-moralischen Sinne) aufzuwerfen, in der ersten Runde k.o. geschlagen (und dass das Script im Finale die Notbremse ziehen muss und eigentlich alles, was man bisher gesehen und sich anhand dessen zusammengereimt hat, für Lötzinn erklärt und für die letzten fünf Minuten eine völlig neue Backstory postuliert, möchte man eigentlich nur noch nach Japan reisen und den Autoren eine scheuern).
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Trotz seiner zahlreichen Handlungsebenen ist „Casshern“ zu allem Überfluss auch noch deutlich zu lang. Der eigentliche „Plot“ kommt nach knapp 50 Minuten langsam in die Puschen, die langwierige Auftaktphase trägt kaum etwas zum Verständnis der diversen Charakterkonflikte bei, schon gar nicht zum Verständnis des „Universums“, in dem der Film spielt (wie auch sein Digital-Genosse „Sky Captain“ bedient sich „Casshern“ eines ausgesuchten Retro-Looks, indem Fahrzeuge aus den 40er Jahren bedient werden, gigantische Flugapparate von Rotoren betrieben werden etc.). Es ist nahezu unmöglich, zu den Charakteren eine Verbindung aufzubauen, weswegen man sich zwangsläufig auf die Schauwerte des Films zurückziehen muss.

Und, das muss man sagen, für ein rapportiertes Budget von 5 Mio. Dollar, für das sich ILM in Hollywood sicher nicht mal die kombinierten Schnürsenkel zubindet, ist „Casshern“ eine optisch Granate – in Punkto CGI-Künste müssen sich die Japaner bestimmt nicht hinter Hollywood und Europa verstecken (ich würde den Look von „Casshern“ auch über „Immortal“ stellen). Natürlich wildert „Casshern“ eifrig im Zitatenschatz der Filmgeschichte von „Metropolis“ (der Lang-Klassiker wird in der Klimax schon recht frech beklaut) bis „Matrix“, macht dies aber auf visuell einwandfreie Weise. Die Animationen sind ausgezeichnet, die Hintergründe größtenteils hervorragend (und wenn sie nicht „hervorragend“ sind, sind sie aus künstlerischen Gesichtspunkten „unrealistisch“), aus der Zeichentrick-Vergangenheit des Themas sind Gestaltungsmittel wie „Aktionslinien“ entliehen. Die Kameraführung ist dynamisch, die Farbgebung brillant und durchkonzipiert („Kriegsszenen“ sind z.B. grundsätzlich in s/w gehalten). Aber das hilft halt alles nichts, weil Kiriya der künstlichen Umgebung kein Leben einhauchen kann – hin und wieder bleibt dem Zuschauer zweifellos ob der fantastischen Ausgestaltung der Retro-Welt die Spucke weg, aber es bleibt bloßer „awww!“-Effekt, bloße Bewunderung des technischen Könnens der Beteiligten, ohne dass der Zuschauer dabei von der Story absorbiert würde (ich möchte allerdings beschwören, dass „Casshern“ auf großer Kinoleinwand zigfach stärker wirkt als auf dem heimischen Fernsehschirm, wo die Diskrepanz zwischen inhaltlicher Konfusion und optischer Wucht naturgemäß deutlicher zum Vorschein tritt). Spätestens ab der Halbzeitmarke löst sich jeglicher Narrative in eine lose Abfolge zusammenhangloser Szenen auf, wobei auch nicht hilft, dass die verschiedenen Handlungsebenen wirr ineinandergeschnitten (und von Dialogen aus einer der Ebenen überlagert) werden. Eye Candy feiert den Endsieg über den Inhalt.
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Die 16er-Freigabe geht dank einiger weniger Ruppigkeiten in Ordnung. Die musikalische Untermalung ist zwar angemessen symphonisch-eindrucksvoll, aber auf Dauer ermüdend und repetetiv, weil unvariierte Themen über endlose Minuten gnadenlos ausgewalzt werden.

Die Schauspieler mühen sich redlich, entfalten aber aus nachvollziehbaren Gründen keine Wirkung. Wenn nie klar wird, wer eigentlich warum gerade was macht, kann man auch Robert De Niro, Meryl Streep und Al Pacino in einen Film stecken und das Talent verschwenden. Yusuke Iseya scheitert daran, die inneren Konflikte seiner Heldengestalt adäquat verkörpern zu können (und übrigens erinnert mich seine Casshern-Montur stark an die Guyver-Einheit, aber da die japanischen Mangas und Animes sich ja bei jeder Gelegenheit gegenseitig, eh, inspirieren, geht das erstens in Ordnung und ist zweitens vermutlich eher umgekehrt). Kumiko Aso („Zebraman“) kämpft mit einem Charakter, der für den eigentlichen Plot (whatever it is) nichts zur Sache tut und beschränkt sich darauf, reizend auszusehen. Akira Terao („Into the Sun“) holzt seinen Azuma senior eindimensional und im Steven-Seagal-Gedächtnismodus runter (passt ja irgendwie, dass sein nächster Film eben der Seagal-Heuler „Into the Sun“ war). Fumiyo Kohinata sah man in Hideo Nakatas „Dark Water“, Hidethoshi Nishijima (als der jüngere Kamijo einer derjenigen, der noch vom Script am wenigsten im Stich gelassen wird) brillierte bei Kitano in „Dolls“.
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Bildqualität: Die DVD von i-on new media wurde von mir per amazon.de-Verleih leihweise unter die Lupen genommen (da 2-DVD-Set nur die „Hauptfilmscheibe“. Der anamorphe 2.35:1-Transfer ist hervorragend und macht der visuellen Grandezza des Films alle Ehre. Grund zur Kritik findet sich kaum (gut, meine beiden Standalone-Player machten mal wieder zum Layerwechsel schlapp) – keine Störungen, keine Artefakte, keine Verschmutzungen, sehr gute Kontrastwerte und eine angenehme Kompression, die auch in den Action-Szenen nicht einknickt. Man könnte sich allenfalls etwas bessere Kantenschärfe wünschen, das ist da und dort auf der etwas soften Seite.

Tonqualität: Geboten wird deutscher und japanischer Ton (deutsch und japanisch in Dolby 5.1, zusätzlich eine deutsche dts-Spur), wobei es sich beinahe anbietet, die deutsche Synchro PLUS deutsche Untertitel laufen zu lassen, weil einem sonst die ein oder andere Information durch die Lappen geht (und wir haben ja schon ergründet, dass der Film nicht gerade leicht zu durchschauen ist). Die Dolby-Tonspuren wummen in den lauten Momenten ordentlich, sind dabei aber sehr klar und differenziert.

Extras: Konnten mangels Vorliegen der Extra-DVD nicht beurteilt werden.

Fazit: Himmelherrgott. Wann wird man es, speziell in Japan, endlich begreifen, dass zu einem Film auch ein verdammtes DREHBUCH gehört? Es mag ja wundervoll gemeint sein, aus „Casshern“ nicht nur einen vordergründigen Radaufilm zu machen, sondern die ein oder andere moralische Frage in den Raum zu stellen, aber das sollte ich dann tunlichst nicht in einem Film machen, der nunmal zu nichts anderem gut ist, als seine CGI-Gutzis formatfüllend zu präsentieren. Alles, was „Casshern“ an humanistischer Botschaft mitbringt, geht in der überbordenden digitalen Optik unter, und was eventuell tatsächlich noch den visuellen Overkill überlebt, versumpft in einem von A bis Z vermurksten Script. Zur Sicherheit – ich brauche nicht alles vorgekaut und ausformuliert wie in einem typischen Hollywood-Sommerblockbuster, aber ich hätte gern, wenn’s nicht zu viel verlangt ist, eine nachvollziehbare Geschichte, die einigermaßen einem schlüssigen Narrative folgt und die man sich wenigstens im Nachhinein noch zusammenreimen kann. „Casshern“, so leid’s mir tut, ist leider nur ein zweieinviertelstündiger CGI-Werbeclip, der herzlich gerne tiefgründig sein möchte, aber nur so „tief“ ist, wie’s die Software erlaubt. Nö, von der Sorte braucht’s wirklich nicht mehr…

2/5
(c) 2006 Dr. Acula


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