Calberlah

 
  • Deutscher Titel: Calberlah
  • Original-Titel: Calberlah
  •  
  • Regie: Hendrik Röhrs
  • Land: Deutschland
  • Jahr: 2006
  • Darsteller:

    Timo Wussow, Robert Alexander Koch, Fabia Döring, Steffen Alexander Röhrs


Vorwort

Abt. Was lange gärt, wird endlich Wut oder so…

Ich muss mal wieder Abbitte leisten, versprochen hatte ich dieses (Kurz-)Review schon vor Monaten, aber wie üblich kam alles mögliche dazwischen (zu guter Letzt besaß sogar noch die Verwandtschaft die Chuzpe, einfach so wegzusterben und mich dadurch abzulenken).

Egal. Back to business as usual, und wenn mir die Freunde von Transcendental ihr neuestes Werk nahebringen möchten, braucht´s dafür nicht viel Überzeugungsarbeit. Dass ich diese Schmiede nebst Umfeld für das momentan beste halte, was die deutsche Independent- Szene zu bieten hat, lässt sich an dieser Stelle mehrfach nachlesen.

Calberlah punktet schon mal mit einem angemessen mysteriösen Titel, der, wenn man wie ich nicht die geringste Ahnung hat, mit welcher Sorte Film man es zu tun hat, die ganze Bandbreite bis hin zu Cthulhu-mäßigen Monstereien offen lässt. Gut, „Große Alte“ oder sonstige dämonische Entitäten stellen sich in Calberlah nicht vor, aber ein interessanter Titel ist schon mal die halbe Miete. Und bevor ich für einen zehnminütigen Kurzfilm wieder neue Einleitungsweltrekorde aufstelle, fange ich dann doch lieber mit dem Film an.


Inhalt

„Calberlah“ könnte für die Transcendental-Crew, obwohl mit gerade etwas über 9 Minuten Laufzeit nicht gerade ein Epos, durchaus ein richtungsweisender Film sein. Kannte man von dieser Truppe bislang ambitionierte Genre-Beiträge wie Es war einmal… und Dunkel – Das erste Kapitel oder Experimetalfilme wie Splitter, so wagt sie sich nun an „seriöses“ Drama. Fraglos eine folgerichtige Entwicklung, denn wie schon des öfteren hier dargestellt, hat man die Möglichkeiten des Horror-/SF-/Fantasy-Genres mit den Mitteln des Independentfilms soweit irgend möglich ausgelotet (wobei ich immer noch meine im Dunkel- Review aufgestellte Aufforderung an finanzkräftige Produzenten aufrecht erhalte – gebt den Jungs ein solides Budget und wir bekämen vermutlich endlich großen deutschen Genre-Film, auf den wir seit Jahrzehnten warten), und wenn man nicht, wie die Kollegen Schnaas oder Taubert damit zufrieden ist, auf Jahre hinaus die selben infantilen Schmoddereien abzulichten und damit 1000 Kopien abzusetzen, muss man zwangsläufig früher oder später den Sprung ins „ernsthafte“ Fach wagen, um sich als Filmemacher weiterzuentwickeln.

„Calberlah“ ist zu diesem Zweck eine schöne Fingerübung, die beweist, dass man den Schrecken des Krieges und seine verheerende psychologische Wirkung auch in kleinem Rahmen adäquat darstellen kann, ohne den derben Ultra-Realismus eines Private Ryan und damit einhergehende Mensch- und Materialschlachten auffahren zu müssen. Dem lakonischen, beinahe dialogfreien Drehbuch, dem man die Erfahrung mit experimentielleren Stoffen wie Splitter anmerkt, gelingt es überraschend gut, in den nur neun Minuten ein glaubhaftes, berührendes Porträt des jungen Soldaten zu schaffen. Ewige Querulanten mögen vielleicht meckern, dass „Calberlah“ keine politische Stellung bezieht, mithin also nicht primär die bösen Nazis verurteilt, aber die übersehen dann geflissentlich, dass wir es erstens formal mit einem Kurzfilm zu tun haben, der nicht wirklich die Zeit dafür hat, große globalpolitische Statements zu treffen, und zweitens eben GERADE der namenlose „Schütze Arsch“ ist, der mit der großen Politik nichts zu schaffen hat, sondern nur versucht, irgendwie heil aus der ganzen Malaise rauszukommen (in die Falle, politisch korrekte Schwarz-Weiß-Malerei zu betreiben, fallen übrigens sehr viele der sogenannten „Antikriegsfilme“ inklusive des hochgelobten – und keinesfalls schlechten – Stone-Werks Platoon. Einer der ganz wenigen Antikriegsfilme, der seinen Namen *wirklich* verdient und auf plumpe Propaganda in die ein oder andere Richtung größtenteils verzichtet, ist übrigens der relativ unbekannte Streifen Bestie Krieg, der die Erlebnisse einer sowjetischen Panzerbesatzung im Afghanistan-Krieg schildert. Aber ich schweife ab).

Große Drehbuchanalysen kann ich mir sparen – der Film macht seine Message deutlich, ohne den Holzhammer zu bemühen. Mein einziges kleines Kritteln begründet sich in dem etwas verwirrend eingesetzten ersten „Datums“-Insert „Frühjahr 1943“, das auch die Interpretation möglich macht, der Part in Calberlah wäre eine Rückblende, da dieser auf „Februar“ und die Frontrückkehr auf „März“ datiert wird (wenn das tatsächlich so gewollt ist, misinterpretiere ich den Film ganz einfach nach meinem Gusto. Ich darf das, ich bin Doc. Eine solche Sichtweise würde sich aber m.E. in der internen Continuity damit beißen, dass der Soldat seine Beinverletzung dann bereits VOR den im Film dargestellten Ereignissen erlitten hätte und nicht während der Auftakt-Szene an der Front).
Aufheben! In 60 Jahren zahlen Idioten für ein gut erhaltenes Eisernes Kreuz richtig Asche…

Insgesamt aber zum Thema Script: ja, das ist gut, das beweist, dass man sich hier durchaus vor Drehbeginn hinsetzt und sich ÜBERLEGT, was man eigentlich filmen will und nicht, wie manch anderer Konsorte, mit der Kamera in den Wald zieht und dann fröhlich vor sich hinimprovisiert (und dann meistens beim Jason- Nachhampeln endet…).

Auch filmisch erweisen sich die Transcendental-Mannen, ausführender Regisseur einmal mehr Henrik Röhrs, den allermeisten ihrer einheimischen Indie-Kollegen erneut weit überlegen. In den „Actionszenen“ zu Beginn des Films schafft beherzter hektischer Handkameraeinsatz ein authentisches, realistisches Feeling, für das Spielberg noch den HD-DV-Look brauchte, danach, im „zweiten“ und „dritten“ Akt (sogar einen zehnminütigen Kurzfilm, erkennen wir begeistert, kann man, wenn man will, in klassischer Dreiaktstruktur aufbauen), wird´s ruhig, beinahe lyrisch, mit langen, statischen Einstellungen, die hier, im Gegensatz zum üblichen Amateurfilmsyndrom „hier steht die Kamera und da bleibt sie“, sinnvoll eingesetzt werden (wie schon bei Splitter beeindruckt mich die ausgezeichnete Bildkomposition, die deutlich macht, dass man sich hier wirklich Gedanken macht, wohin und wie die Kamera gestellt wird, um maximale visuelle Wirkung zu entfalten).

Positive Erwähnung finden müssen die Ausstattung (den „Küchen“-Set hat man wohl bei einem lokalen Theater geborgt und die Dampflok spendierte eine Nostalgie-Bahnlinie) und die, auch hier kann ich mich getrost zu früheren Reviews wiederholen, ausgezeichnete Musik von Steffen Alexander Röhrs.

Schauspielerisch bietet Timo Wussow in der zentralen Rolle des jungen Heimaturlaubers eine beachtliche Vorstellung – eine echte Wohltat, wenn man sich vor Augen hält, was andere unabhängige Filmemacher dem Publikum an unterirdischen darstellerischen Leistungen zumuten. Wussow gelingt es, den Film als „one-man-piece“ im Alleingang zu tragen.

Gesichtet wurde eine mir per Download zugänglich gemachte Version des Streifens (weswegen ich die minderwertige Screenshot-Qualität zu entschuldigen bitte. Liegt nicht am Film, sondern nur daran, dass mein einziger Software-Player, mit dem ich problemlos screenshotten kann, sich nicht ganz mit der Datei anfreunden möchte und die Widescreen-Codierung in ein gezerrtes 4:3 umwandelte). Interessenten können sich den Film (knapp 48 MB) auf der Transcendental Pictures Website selbstpersönlich downloaden.
Insert your own „warum verkauft Schnaas mehr als wir“-Joke here…

Fazit: Ich komme mir zwar ein wenig vor wie der einsame Rufer in der Wüste, aber irgendwann muss ich doch mal erhört werden. Das Talent, das hier schlummert und leider von den typischen Konsumenten der hiesigen Indie-Szene aufgrund der konsequenten Weiterentwicklung von bloßem Amateur-Horror hin zu ernsthaften, kapablen Filmemachern nicht ansatzweise die verdiente Würdigung erhält, harrt immer noch seiner sprichwörtlichen Entdeckung. Liebe Produzenten, hier ist das „new talent“, das der deutsche Film händeringend sucht und braucht. Calberlah ist ein hervorragendes demo reel für die Tatsache, dass Transcendental mittlerweile bereit ist, auch nicht-phantastische Stoffe anzupacken und mit der angebrachten Seriösität und Detailbeflissenheit umzusetzen in der Lage ist. Es ist eigentlich wie immer: ich kann nur sämtliche Daumen nach oben recken und sie gleichzeitig drücken, dass jemand diesem Team mal ein richtiges Budget in die Hand drückt (hey, wenn eine renommierte Firma wie RatPack Herrn Schnaas 50.000 Euro für Nikos gibt…). Sicher riecht das alles für manch einen sicherlich verdächtig nach „Arthouse“ (und das ist in einschlägigen Kreisen ja ein Totschlagargument contra einen Film) und sicher nicht nach Partyspaß, ich persönlich bin sehr froh, dass es junge, ambitionierte Filmemacher gibt, die nicht im frühkindlichen Blutspritzstadium hängen bleiben, sondern auch im „ernsten Fach“ ihre Fähigkeiten erproben!

(c) 2007 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 3

BIER-Skala: 6


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