Bullet

 
  • Deutscher Titel: Bullet
  • Original-Titel: Bullet
  •  
  • Regie: Julian Temple
  • Land: USA
  • Jahr: 1996
  • Darsteller:

    Mickey Rourke (Butch „Bullet“ Stein), John Enos III (Lester), Adrian Brody (Ruby), Tupac Shakur (Tank), Ted Levine (Louis), Matthew Powers (Paddy), Donnie Wahlberg (Big Balls), Suzanne Shepherd (Cookie Stein)


Vorwort

Nach dem erfolgreichen Verbüßen einer längeren Haftstrafe kehrt Gauner Butch „Bullet“ Stein wieder ins heimatliche Brooklyn zurück, aber heftigst ungeläutert. Kaum fünf Minuten auf freiem Fuß, macht er sich schon an einem Drogenkurier der lokalen Dealer-Größe Tank zu schaffen und sorgt dafür, dass der Tank-Untergebene in Zukunft keine Brille, sondern nur noch ein Monokel braucht. Tank schwört die übliche Blutrache und beabsichtigt, Bullet mit manipuliertem Heroin aus dem Verkehr zu ziehen, doch der Zufall, bzw. ein Überfall einer weiteren rivalisierenden Gang, rettet Bullet noch einmal den Hals. Aber das sind nicht die einzigen Sorgen, die Bullet hat – da gibt’s auch noch Freunde und Familie. Seinen besten Freund Lester, selbsternannter Frauenheld, z.B., den Bullet für latent schwul hält und die durchgeknallte Stein-Sippschaft: Vater Sol würde es liebend gern sehen, wenn Butch endlich eine bürgerlichen Existenz aufnehmen würde, Mamachen Cookie liebt ihren Butchikutchie abgöttisch, was zu Lasten von Butchens Brüdern geht: dem sensiblen Künstler Ruby, den Butch mit überschaubarem Erfolg versucht, von der harten Straße wegzuhalten und den völlig weggetretenen Armee-Veteranen Louis, der in seiner Freizeit Nachbarskindern das richtige Aufschlitzen von Kehlen beibringt. Sämtliche Subplots steuern auf ein kaum zu vermeidendes fatales Finale zu…


Inhalt

Hm, das ist ein sehr seltsamer Film, den uns Julien Temple, der in den 80ern Cineasten und Kritiker mit dem visuell überbordenden Musikfilm „Absolute Beginners“ begeisterte und später die charmant-spaßige Geena Davis/Jeff Goldblum-Komödie „Earth Girls Are Easy“ („Zebo, der Dritte aus der Sternenmitte“ bzw. „Mein Liebhaber vom andern Stern“) inszenierte, hier vorsetzt. „Bullet“, ko-geschrieben von Hauptdarsteller Mickey Rourke, stellt den ultimativ gescheiterten Versuch dar, ein toughes Gangsterdrama mit einer melodramatischen Familiengeschichte und einer Prise beinharter Action zu verbinden – eigentlich ein Spezialgebiet, das allenfalls Martin Scorcese und Abel Ferrara erfolgversprechend beackern könnten. Trotz der sicherlich verfolgten „guten“ Absicht ist das Endresultat, wie zu befürchten, nichts Halbes und nichts Ganzes.

Das liegt zum Teil in der verbesserungswürdigen Struktur der Story begründet, die die beiden hauptamtlichen Handlungsstränge Gangsterthriller/Familiendrama nicht wirklich parallel erzählt, sondern eher „blockweise“ arbeitet – mit der Folge, dass der Plot um Tanks Racheplan zwischendurch mal für’ne lockere Dreiviertelstunde vollkommen aus dem Fokus verschwindet, so dass sich der geneigte Zuschauer fragen mag, ob der überhaupt noch mal auftauchen wird. Ganz allgemein wirkt die Erzählweise des Films relativ konfus, es gibt viel zu viele Charaktere, alles ist reichlich unübersichtlich. Besonders nervig sind die teilweise überschmalzigen Dialoge – okay, es ist irgendwie der, naja, Punkt des Films, dass Bullet ein Tunichtgut mit Gutem Herzen (TM) ist, aber tränenreiche Geständnisse wie „Mama… ich liebe dich“ sind eher stimmungstötend und andere Momente, in denen Bullet entweder philosophiert oder nach Art des Amateur-Seelenklempners seine Freunde analysiert, wirken schlicht und ergreifend deplaziert und unglaubwürdig. Einige der Nebencharaktere sind zwar recht pfiffig und die skurrile Familiengeschichte wäre, ohne den umgebenden Gangsterschmu, vielleicht ein ganz nett-abseitiges Ensemblestück geworden, aber das ist eben die Krux – der Film pendelt zu uneinheitlich zwischen Familiendrama und Gangsterthriller hin und her, ohne auch nur eins der beiden Themen befriedigend zu beleuchten.

Die durchaus vorhandenen (und die FSK-18-Freigabe durchaus rechtfertigenden) Härten wirken aufgesetzt und selbstzweckhaft – sie passen irgendwie nicht in den Filmablauf und tragen nicht, wie vermutlich gewünscht, zum „gritty“ Realismus bei, sondern erwecken eher den Eindruck, damit die Gorehounds bei Laune halten zu wollen. Visuell kann der Streifen, wie bei einem versierten Musikvideo-Regisseur wie Temple, durchaus überzeugen, ohne die Wucht und die spektakulären Bilder, wie sie z.B. „Absolute Beginners“ auszeichneten, zu erzeugen (wobei der opening shot, über den der Vorspann gelegt ist, phänomenal ist und durchaus noch Remineszenzen an vergangene Großtaten des Regisseurs weckt).Ihm gelingen einige nette Kontraste zwischen dem schmutzigen Straßenleben und dem Glitter der Nachtclubs, aber auch hier besteht das Grundsatzproblem, dass der Streifen trotz und auch wegen dieser Kontraste nicht rund, nicht einheitlich wirkt.

Das Interessanteste an“Bullet“ ist zweifellos die Besetzung. Mickey Rourke hat sich eigentlich einen Parade-Charakter auf den Leib schreiben lassen und spielt den auch recht ansehnlich (wenn man von seinen Ausflügen ins Philosophische und seine tränenreichen Familien-Diskursen absieht) und hat auch nicht vergessen, sich einen recht harschen Boxkampf ins Script schreiben zu lassen. Adrian Brody (später in Polanskis WWII-Drama „The Pianist“ in der Titelrolle und jetziges Hollywood-Darling) kommt als Bullets sensibler Künstler-Bruder etwas zu kurz. Tupac Shakur, von allen Rappern, die sich im Schauspielfach versuchten, sicher mit derjenige, der sich im Filmmetier eine große Karriere hätte aufbauen können (da er nämlich im Gegensatz zu einigen seiner Kollegen wie Ja Rule, DMX und wie sie alle heißen, auch Talent hatte), hätte er sich nicht kurz nach dem „Bullet“-Dreh erschießen lassen, absolviert leider nur eine Art erweiterten Cameo, hat aber einige passable Szenen. Schauspielerisches Highlight ist allerdings Ted Levine („The Mangler“, „Schweigen der Lämmer“) als völlig wahnsinniger Armee-Veteran (mit der besten Dialogzeile des Films: Mama fragt: „Soll ich dir was spezielles zu Essen kochen?“ Antwort Louis: „Neinnein, die Putskis haben ihre Katze draußen gelassen, das wird wohl reichen!“ Gröhl!) liefert eine wahre Tour-de-Force ab (die ich allerdings um Himmels Willen nie in der englischen Fassung hören möchte – Levine nuschel im Normalzustand schon nahezu unverständlichen Wortbrei, aber hier hat er 80 % seiner Dialoge ohne Zähne zu sprechen) – umwerfend, spektakulär und eigentlich einen eigenen Film wert… Cameos von Willy DeVille und Donnie Wahlberg bleiben vom Zuschauer nahezu unbemerkt.

Bildqualität: Mit „Bullet“ stellt sich erstmals (ich weiß, ich hinke der Zeit mal wieder hinterher) eine Veröffentlichung von Planet Media vor. Und mit dem, was die Middle-Budget-Konkurrenz so auf den Markt schmeißt, kann Planet durchaus mithalten. Der Vollbildtransfer reißt keine Bäume aus, beleidigt aber durch seine Existenz auch nicht gerade das Trägermedium. Die Farben sind okay, ebenso die Schärfe- und Kontrastwerte, die Kompression ist recht gut ausgefallen. Ein Transfer für den Hausgebrauch.

Tonqualität: Hier läßt Planet uns die Wahl zwischen einer deutschen 5.1- und einer deutschen 2.0-Spur. Letztere ist enorm leise ausgefallen, so dass nicht nur aus Surround-Gesichtspunkten der kräftigere 5.1-Track deutlich zu bevorzugen ist. Auch mit dem reizt man seine Anlage nicht gerade aus, aber er ist zumindest rauschfrei, gut verständlich und vernünftig abgemischt.

Extras: Lob und Tadel gibt es erst einmal für die Menügestaltung. Lob dahingehend, dass die Gestaltung des Hauptmenüs als „Kinosaal“ recht pfiffig ist, Tadel dafür, dass auch Planet zu den Publishern gehört, die zur „Einleitung“ des Hauptmenüs den halben Film abspulen (ich hasse das). An eigentlichen Extras gibt’s außer dem Trailer, einer Fotogalerie mit 10 Filmbildern und einer Trailershow noch zwei Texttafeln mit knappen Informationen zu Mickey Rourke und Tupac Shakur.

Fazit: Ich kann mir ganz gut vorstellen, dass Mickey Rourke dieses Projekt ziemlich gut gefallen hat. Seine Titelrolle ist so ziemlich der essentielle Mickey Rourke mit all seinen Facetten „Arschloch vom Dienst“, „Boxer“ und gelegentlichem „Gefühlsmensch“, und prinzipiell wäre auch die Grundidee, auch wenn viele Entwicklungen der Story arg vorhersehbar sind, gar nicht mal so schlecht (ich allerdings hätte mich wegen des größeren Potentials für eine Aufwertung der Familiengeschichte entschieden). Die Uneinheitlichkeit des Scripts läßt allerdings nicht zu, dass sich einer der beiden Storyangle wirklich großartig entwickelt, die Geschichte verstrickt sich in ermüdender Episodenhaftigkeit und versucht nur, durch die plakativen Gewaltausbrüche wieder in Fahrt zu kommen, ansonsten bewegt sich der Streifen trotz der gelegentlich ansprechenden visuellen Arbeit von Regisseur Temple zu sehr im Bereich mediokrer Langeweile. Einzige Ausnahme ist der wirklich glänzend aufgelegte Ted Levine, von dem man gern mehr sehen würde. Die DVD von Planet kann von ihrer technischen Umsetzung her durchaus in ähnlichen Preissegmenten operierenden Konkurrenten wie VCL, Highlight oder e-m-s mithalten.

2/5
(c) 2006 Dr. Acula


mm
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