Aftermath

 
  • Original-Titel: Aftermath
  •  
  • Regie: Nacho Cerda
  • Land: Spanien
  • Jahr: 1994
  • Darsteller:

    Xevi Collellmir
    Jordi Tarrida
    Ángel Tarris (Marta)
    Pep Tosar


Vorwort

Disclaimer: Was folgt, ist ein FSK18-Review, ist also für allfällige minderjährige Mitleser nicht geeignet. Geht solange lieber Tokio Hotel hören. (obwohl: dann doch lieber Gräuelfilme gucken…)

Von AFTERMATH habe ich das erste Mal durch eine nicht nur orthographisch eher bedenkliche Besprechung eines Reviewers, dessen Name ich hier nicht nennen möchte, erfahren. Es handelt sich dabei um einen halbstündigen Kurzfilm eines spanischen Filmemachers namens Nacho Cerdà (der demnächst mit dem Langspielfilm THE ABANDONED in die Kinos einschlagen wird), der sich in gewissen Kreisen einen gewissen Ruf erarbeitet zu haben scheint. Und als ich nach einiger Zeit auf eine Gelegenheit stiess, mir das Ding günstig anzusehen, griff ich zu (denn einem geschenkten Barsch schaut man nicht in den Arsch, ähem). Es geht dabei um irgendwas mit einer Autopsie und Nekrophilie und folglich soll der Streifen ganz fürchterlich krank sein (und folglich wurden die Splädda-Kiddies dieser Welt nicht müde, dem Streifen schon aus Prinzip einen Status als Meisterwerk zuzubilligen). Naja, nichts wird so heiss gegessen, wie es gekocht wird. Schauen wir mal…


Inhalt

In einem Anfall von künstlerischem Anspruch wird uns der Anfang, von einigen verwaschenen Reflexionen abgesehen, als Hörspiel dargebracht: Irgendwer steigt ins Auto, fährt los, fährt offensichtlich, äh, -hörlich zu schnell und steigt dann in heftig die Bremsen, während wir das Kreischen einer Frau und das Jaulen eines Hundes hören. In der nächsten Einstellung fährt die Kamera malerisch über eben diesen Köter, oder besser gesagt, über die traurigen, blutigen, zermantschten Überreste desselben. Es folgt der Titel.

Der Vorspann gestaltet sich wie folgt: Wir sehen, wie die Leiche einer jungen Frau auf eine Bahre gelegt und ins Leichenschauhaus gekarrt wird, was uns Gelegenheit gibt für eine Sightseeing-Tour durch den Handlungsort der folgenden Ereignisse (die Kameraarbeit ist übrigens ganz gut, nur der billige „Taschenlampen“-Effekt, der da einmal eingesetzt wird, will mir nicht gefallen). Unterbrochen wird diese immer wieder von den Credits, die sich auf schwarzem Hintergrund vom Zuschauer fortbewegen (und sich dabei von Weiss zu Rot färben). Etwas dick aufgetragen, finde ich; da hatte wohl jemand grosse Freude daran, seinen Namen auf dem Bildschirm zu sehen. (Das piepende EKG, das uns da auch noch gezeigt wird, hielt ich übrigens erst für das der toten jungen Frau, aber die ist ja schon tot, wie wir vorhin festgestellt haben…)

Während ein fleissiges Helferlein mit Kopfhörern auf den Ohren die Leiche in den Keller fährt, sie in Plastik einwickelt und in ein Kühlfach schiebt, bringt ein Arzt den trauernden Angehörigen (ein Mann und eine Frau, vielleicht die Eltern) die Halskette der Toten. Dazu gar trauriges (und ein bisschen billiges) Klaviergeklimpere von der Tonspur, es ist ja alles so tragisch.

Nun begegnen wir zwei Gerichtsmedizinern, die im Autopsieraum fleissig bei der Arbeit sind, stilecht gekleidet in Operationskittel, Gummihandschuhe und Gesichtsmasken. Gerichtsmediziner 1 zieht gerade „seiner“ Leiche Ringe ab und Kleider aus, schnetzelt am Kopf des Toten rum (wobei das Gummi, aus welchem die Leiche besteht, ins Zittern gerät – wird noch einige Male passieren) und nimmt dann eine kleine Rundsäge zur Hand, während sein Kollege wiederum dem Toten, der vor ihm liegt, mit einer Spritze ins Auge sticht (wird nicht explizit gezeigt). Das Helferlein von vorhin kommt zufällig vorbei, wird von der Neugierde übermannt, riskiert einen Blick in den Saal und kriegt gerade mit, wie Gerichtsmediziner 1 seinem Toten mit einer grossen Zange an der Birne herumfuhrwerkelt. Gerichtsmediziner 2 entdeckt den Spanner, guckt ihn gaaanz grimmig an und röchelt sich eins (gewöhnt euch schon mal daran), da kriegt’s der unwillkommene Gast mit der Angst zu tun und haut ab. (Hm, ich bin mir nicht sicher, ob an der Stelle nicht etwas zu krampfhaft versucht wird, auf Dialoge zu verzichten.) Mich deucht, Gerichtsmediziner 2 ist etwas komisch drauf.

Der erste Kollege hat davon nicht viel mitgekriegt, sondern seinem Untersuchungsexemplar das Hirn entnommen und stopft diesem dafür nun einen Lumpen in den freigewordenen Hohlraum. Danach schneidet er der Leiche mit einem grossen Messer den Bauch auf und knackt (ohne dass der Film explizit würde) mit der Zange die Rippen auf, während Gerichtsmediziner 2 endlich auch seinen eigenen Toten entkleidet.

Gerichtsmediziner 1 wäscht das entnommene Herz und verstaut dieses in einem Behälter mit Formalin (oder was auch immer die hier verwenden). Danach sammelt er das übrige Gekröse ein, verstaut dieses nebst dem vorhin entfernten Hirn im Bauch der Leiche und näht das Ganze zu. Sein röchelnder Kollege sägt inzwischen am Kopf seines Exemplars herum und veranstaltet dabei eine Riesensauerei. Nach getaner Näharbeit wäscht Gerichtsmediziner 1 die von ihm bearbeitete Leiche (allerdings nicht besonders sauber), legt sie vom Operationstisch auf eine Bahre, verstaut sie in einem weissen Leichensack, legt irgendwelche Dokumente hinzu und schiebt den Toten dann aus dem Raum. Sein immer noch schwer röchelnder (erkältet?) und nunmehr allein gelassener Kollege schneidert weiter an seinem Toten herum.

Eine Weissblende später hat auch Röchelheini seinen Job hinter sich gebracht und liest ein Kranken-(naja, wohl eher Toten-)Blatt, das sein Interesse zu wecken scheint und ihn zu hastiger Aktivität motiviert: Eilends holt er die Leiche von Marta (so heisst die verstorbene junge Frau vom Anfang nämlich), packt sie aus und legt sie auf den Autopsietisch (das Gummi wackelt wieder). Der Tatsache, dass er sie wild befingert und dann vorsorglich die Türe abschliesst, entnehme ich, dass das Hauptprogramm beginnen kann…

Erst einmal müssen BH und Minirock weg (für den BH braucht unser Gerichtsmediziner die Schere – ja, die Dinger sind schwierig aufzukriegen, kennt man als Mann ja), dann natürlich auch das Höschen (insert expliziten Einblick in die primären Geschlechtsorgane des Opfers). Als nächstes muss die Schädeldecke dran glauben (da schwenkt die Kamera allerdings weg und fährt rätselhafterweise in den Abfluss des Autopsietisches), damit unser Röchler das Hirn auf die Waage legen kann.

Anschliessend nimmt er sich ein grosses Messer und fährt damit über den Körper der Toten, vor und zurück, vor und zurück, etc. Macht durchaus den Eindruck der pervertierten Version eines Geschlechtsaktes, was dann auch folgerichtig darin gipfelt, dass Röchelheini das Messer mehrmals mit Gewalt in die Vagina seines Opfers rammt. (Nanu, sind wir hier bei Bethmann? Obwohl, der würde die Penetration auch ausführlich zeigen.) Das Messer lässt er schlussendlich fallen und fingert stattdessen in den Innereien der offenen Leiche und an ihren Brüsten rum, während er sich mit der einen (dreckigen!) Hand unter dem Kittel einen runterholt und schliesslich so heftig kommt, dass er auf die Knie fällt. Ähem, ja, so ist das…

Nun kommt eine Fotokamera ins Spiel, mit welcher Röchelheini fleissig Bilder von seinem Opfer knipst (damit er auch später noch was davon hat). Hm, erinnert irgendwie an den Anfang von THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE… Einerlei. Eine Idee materialisiert sich in des Nekrophilen Hirn: Er stellt die Kamera in einem günstigen Winkel auf, tut sich Vaseline (oder was auch immer das ist) auf die Handschuhe, stellt beim Fotoapparat den Selbstauslöser ein, zieht die Hosen runter und besteigt die Leiche. Während die Kamera Foto um Foto macht, fickt Röchelheini das Opfer in den offenen Bauch, was allerdings so seine Zeit dauert. Und dauert. Und dauert. Aber schliesslich kommt er doch noch zum Schuss, womit wir den Hauptteil hinter uns gebracht hätten.

Anschliessend ist Aufräumen angesagt. Das Herz packt Röchelheini in einen durchsichtigen Plastikbeutel (auch für später, nehm ich mal an), der Rest der Sauerei wird im Bauchraum der Toten verstaut, alles schön zugemacht und die Leiche in einen Leichensack gepackt. Dann wird das ganze Blut weggeputzt, die dreckige Arbeitskleidung in den Wäschekorb verräumt, das Herz in den Aktenkoffer. Licht löschen und ab nach Hause!

Eben dort püriert unser Lieblings-Gerichtsmediziner das geklaute Organ im Mixer, gibt die Sosse in eine Schüssel und seinem Hund zum Fressen. (Hm, wieso muss er das Ding für seinen Hund zerkleinern? Der könnte das Ding sicher auch alleine kauen…) Während Bello es sich schmecken lässt, lümmelt der Gerichtsmediziner sich vor dem Fernsehgerät auf seinem Sofa rum, legt gemütlich die Füsse hoch und zappt durch die Kanäle. Inzwischen fährt die Kamera auf die Zeitungen unter des Hundes Futterschüssel: Die Todesanzeigen sind aufgeschlagen und darunter befindet sich auch diejenige von einer gewissen Marta Arnau Marí… Boah!

Naja, was soll man davon halten. Es heisst irgendwo, Leute, denen dieser Film gefalle, seien entweder Idioten oder hätten ernsthafte Probleme. Natürlich schreien das die üblichen Verdächtigen, also die selbsternannten Moralapostel und Wächter des guten Geschmacks, bei jedem Film, in dem es etwas ruppiger zugeht (und oft genug, ohne den fraglichen Streifen jemals gesehen zu haben – siehe letztens wieder bei SALÒ ODER DIE 120 TAGE VON SODOM, der in Zürich hätte laufen sollen). So einfach, alle Fans des Streifens zu Irrenhäuslern zu degradieren, wollen wir es uns nicht machen.

Erst einmal ist anzumerken, dass der Film sooo wahnsinnig krank nun auch wieder nicht ist (da hatte ich im Vorfeld eigentlich Schmutzigeres erwartet), bei den gaaanz schlimmen Sachen (wie z.B. beim Leichenfick oder – lustigerweise – beim Öffnen von Martas Schädel) hält man sich einigermassen zurück (will sagen, wir kriegen nicht JEDES Detail zu sehen). Kommt hinzu, dass man als erfahrener Gorehound ähnliches schon Zuhauf gesehen hat und die Effekte, so gut sie insgesamt auch gemacht sind, nicht immer verhehlen können, dass wir es hier, neben einigen vielleicht echten (Tier-)Innereien, mit Körpern und Körperteilen aus Gummi und Plastik zu tun haben (fällt vor allem dann auf, wenn die Dinger bewegt werden oder daran herumgeschnitzelt wird). Nun gut, zumindest kann man sich nicht über zuwenig Gekröse und Kunstblut beschweren (wahrlich nicht).

Zudem ist die ganze Nekrophilie-Sache nicht wirklich neu, wir kennen ja alle Jörg Buttgereits NEKROMANTIK-Streifen. Und der Film hat auch etwas von einem Bethmann-, äh, „Film“, nicht nur der Messerpenetration wegen, sondern auch, weil sich die Handlung in einer Vergewaltigung (halt nicht einer lebendigen, sondern einer toten Frau – wobei ich nicht genügend Bethmann-Filme kenne, um sicher zu sein, dass nicht auch bei ihm Leichen gefickt werden) erschöpft. AFTERMATH bewegt sich nun mit Sicherheit auf einem höheren technischen Niveau: An Kameraführung und Schnitt gibt’s nichts zu beanstanden, die wirken durchaus profimässig; der unterkühlte, düstere Look ist edel, die Effekte sind, wie gesagt, glaubwürdig.

Der Vorspann hätte aber, ich erwähnte es ja schon in der Inhaltszusammenfassung, nicht ganz so breit ausgewalzt sein müssen. Und eher nervig ist, wie die Inszenierung manchmal schon beinahe krampfhaft einen auf tiefsinnig und bedeutend macht und alles schön pathetisch in Szene gesetzt wird (getragenes Tempo, Schwarzblenden mitten in der Szene, etc.). Dazu passen auch das düstere Tondesign und der Einsatz von Musik aus Mozarts REQUIEM (menno, das hat der alte Österreicher nun wirklich nicht verdient – die zusätzliche Musik des hauseigenen Komponisten ist übrigens qualitativ durchschnittliche Beschallung und nicht weiter der Rede wert). Ey, wenn dat kein’ Kunst is’, Alda!

Natürlich kann man sich lang und breit über die möglichen künstlerischen Aussagen des Filmes auslassen. Da haben wir also einen mutmasslich vereinsamten Kerl (zumindest scheint er zu seinen Kollegen kein besonders herzliches Verhältnis zu unterhalten; ausserdem sehen wir am Schluss, dass er alleine mit seinen Hund lebt und das Fehlen jeglichen Dialogs könnte man als Materialisierung schwerwiegender Kommunikationsprobleme interpretieren) in einer (nicht zuletzt durch den Blaustich der Beleuchtung) sehr kühl, trostlos und abweisend wirkenden Umgebung. Bietet ihm die Nekrophilie den (sexuell gefärbten) Kick, der es ihm erlaubt, aus dieser Trostlosigkeit auszubrechen? Ist für ihn eine Beziehung nicht mehr mit lebenden, nur noch mit toten (das heisst, sich nicht wehren oder widersprechen könnenden) Menschen möglich? (Wobei seine „Beziehung“ zu Marta tatsächlich weniger von einem Wunsch nach Beziehung oder gar Liebe als bloss nach Triebabfuhr geprägt zu sein scheint.) Besonders „schockierend“ kommt dann die Tatsache, dass er den Feierabend genau so wie jeder vor uns vor dem Fernseher im Programm herumzappend verbringt. Auffällig ist schlussendlich auch, dass einzig Marta, die Leiche, im Gegensatz zu den Lebenden, einen Namen erhält. Wer ist hier wirklich tot? Und natürlich drängen sich hier moralische Fragen auf, was die Würde des Menschen oder den Umgang mit den Toten betrifft.

Geschenkt, denn vor allem stehen die Splattereffekte und der „Tabubruch“ der Nekrophilie im Zentrum des Geschehens, die einem mit ihrer trotz oben erwähnter Zurückhaltung immer noch sehr plakativen und durchaus etwas (Achtung, böses Wort voraus) selbstzweckhaften Präsentation ganz schnell einfach nur noch auf die Nerven gehen. Das kommt ebenso verkrampft rüber wie das zelebrierte Pathos. Hier erinnert der Film auch an die GUINEA PIG-Reihe, die sich vordergründig ja ebenso gerne mal einen künstlerischen Anstrich gibt (z.B. bei MERMAID IN A MANHOLE), in Wirklichkeit aber nur wieder mal in möglichst detaillierten und ausgedehnten Gräuelszenen die Splädda-Kiddies bedienen will. Wobei AFTERMATH sich im Vergleich dann doch etwas harmloser ausnimmt (hab mich ja nicht einmal richtig geekelt). Sollte es wider Erwarten gar nicht die Absicht der Macher gewesen sein, das Publikum zu schockieren, so hätten sie das Ganze auch nicht so ausbreiten müssen – irgendwann hat man’s halt gesehen.

Eher unglücklich auch die Darstellung des Protagonisten: Dessen blödes Geröchel (STAR WARS-Fan?) zerrt schon nach kürzester Zeit an den Nerven und geht einem gehörig auf den Wecker, insbesondere im „Finale“ mit den zusätzlichen spastischen Zuckungen und dem Gestöhne. Kann ja durchaus sein, dass einem hier einfach nur die Erbärmlichkeit der Figur näher gebracht werden soll, nervig ist es so oder so. Zu weiteren künstlerischen Erwägungen bezüglich seines Charakters habe ich ja schon weiter oben was gesagt, muss ich hier nicht weiter ausführen…

Fazit: AFTERMATH ist zwar technisch gut umgesetzt ist, inhaltlich aber denkbar banal (ganz einfach, weil allfällige künstlerische Aussagen durch die plakative Inszenierung der Effekte erschlagen werden) und längst nicht so schockierend, wie es sein Ruf nahe legt. Mit Sicherheit nicht das Meisterwerk, als das er von den üblichen Verdächtigen (man schaue sich nur mal auf der ofdb um) verschrien wird und überhaupt ein ziemlich mittelmässiger Film, den keine Sau wirklich braucht. Kann man sich mal aus Neugierde anschauen, man hat aber nichts verpasst, wenn man es sein lässt.

(c) 2007 Gregor Schenker


BOMBEN-Skala: 3

BIER-Skala: 5


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